Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

kreiert wurde, lag die Lebenserwartung für Männer in Chile bei 68 Jahren und für Frauen bei 72 Jahren. Jetzt werden Männer im Schnitt 77 und Frauen 82 Jahre alt“, er- klärt Chris Massey, der für LGIM als Senior Sales Investment Manager für die Schweiz und Lateinamerika verantwortlich ist, und fährt fort: „Es ist nie leicht, Pensionen zu modellieren, weil es hier um sehr lange Zeiträume geht und man da- für zahlreiche Annahmen treffen muss. Als man das chilenische Sys- tem in den 1980er-Jahren kreiert hat, prognostizierte man anhand der damaligen Modellannahmen tat- sächlich Rentenleistungen von etwa 70 Prozent des letzten Lohns. Diese 70 Prozent waren zwar nie garan- tiert, aber die Menschen haben sie als eine Quasi-Garantie verstanden.“ Neben lückenhaften Beitragsverläufen und der gestiegenen Lebenserwartung wa- ren die chilenischen Beitragssätze im Ver- gleich zu den in Europa üblichen Renten- versicherungsbeiträgen zu niedrig: Abhän- gig Beschäftigte müssen obligatorisch zehn Prozent ihres Bruttogehalts in einen von ih- nen gewählten Pensionsfonds einzahlen, die Arbeitgeber geben nichts dazu. In Deutsch- land liegt der paritätisch aufgebrachte Bei- tragssatz zur gesetzlichen Rentenversiche- rung 2020 bei 18,6 Prozent, in Österreich bei 22,8 Prozent, und die Schweizer zahlen je nach Alter zwischen 15,7 und 26,7 Pro- zent in ihre Rentensysteme ein (8,7 Pro- zent in die erste Säule AHV und 7,0 bis 18 Prozent in die Betriebsrente). Hohe Renditen Auf die relativ niedrigen Beitragssätze einigten sich die Konstrukteure des Sys- tems um José Piñera, weil sie von hohen Renditen ausgingen und, wie eingangs erwähnt, auch um die Beitragszahler nicht vor ihrer Pflicht, Beiträge zu zah- len, zu verschrecken. Ansehnliche Renditen wurden tat- sächlich erzielt. Zur Verfügung stehen derzeit sieben Fonds, die nach unter- schiedlichen Chance-Risiko-Gewichtun- gen zusammengestellt werden können – von E, was sehr konservativ ausgerichtet ist, bis A, was einer Aktienquote von 80 Prozent entspricht. Um die Anlage küm- mern sich die „Administradoras de Fon- dos de Pensiones (AFPs)“, die von der Comisión Clasificadora de Riesgo (CCR) beaufsichtigt werden. Die Managementkosten sind für jede Chance-Risiko-Kategorie einzeln gedeckelt. „Jeder Bürger kann seine Pensionsfonds selbst auswählen, und einmal pro Jahr darf er switchen“, erklärt Abbad. Ähnlich wie bei US-amerikanischen 401-k-Plänen wird für jeden Rentenanwärter ein separates Ren- tenansparkonto geführt. „Die Performance der AFPs ist sehr gut. Sie liegt im lang- jährigen Schnitt über alle Fonds nach Infla- tion bei 7,94 Prozent pro Jahr. So kommt es, dass etwa 70 Prozent des mittlerweile aufgebauten AFP-Volumens in Höhe von rund 200 Milliarden US-Dollar (etwa 183 Mrd. Euro) auf der Performance beruhen und nur 30 Prozent auf den getätigten Ein- zahlungen.“ Dieser Betrag wird zunehmend auch im Ausland investiert. „Im Schnitt sind nur rund 27 Prozent der Pensionsgelder Latein- amerikas in ausländischen Investments investiert“, schreibt PwC in seiner Publi- kation Evolution of Foreign Investments by Pension Funds, 2020 Edition, „allerdings variiert das Auslands-Exposure beträchtlich von Land zu Land. In Brasilien sind bei- spielsweise nur ein Prozent im Ausland investiert, obwohl der Regulator bis zu zehn Prozent zulässt.“ Wie bei vielen neu eingeführten Renten- systemen Lateinamerikas waren auch in Chile zunächst nur Investitionen im Inland zugelassen. Mittlerweile machen die Pensionsvermögen dort aber 65 Prozent des BIPs aus, sodass das System angesichts des weiter steigenden Volumens 2008 für Aus- landsinvestitionen geöffnet wurde. Hier bedient man sich auch ausländischer Asset Manager, und das lockt Anbieter aus aller Herren Länder an. Die chilenischen Pensionsfonds dürfen 80 Prozent ihres Volumens im Ausland anlegen, haben aber im Schnitt erst 41 Prozent im Ausland in- vestiert – überwiegend via Investmentfonds. FOTO : © LG I M » Die 70 Prozent Rentenleistungen waren nie garantiert, aber die Menschen haben sie als eine Quasi-Garantie verstanden. « Chris Massey, Senior Sales Investment Manager für die Schweiz und Lateinamerika, LGIM Die sieben chilenischen Pensionsfonds Aus diesen Fonds können die Chilenen wählen, um ihr Pensionskapital zu investieren. Der AFP Uno wurde erst 2019 gegründet. Vor 2002 gab es lediglich einen Pensionsfonds. Pensions- AuM 2018 Markt- Anzahl Performance Performance Perform. p. a. fonds (in CLP anteil Mit- Jan. Feb. 2019 – 27. 9. 2002 – (A.F.P.) Billionen) (2018) glieder 2020 Jan. 2020 Jan. 2020 AFP Habitat 37,2 27,7 % 1.954.648 4,12 % 17,94 % 6,84 % AFP Provida 33,1 24,6 % 2.953.683 3,89 % 19,23 % 6,73 % AFP Capital 25,5 18,9 % 1.625.265 4,11 % 18,23 % 6,72 % AFP Cuprum 25,2 18,8 % 588.396 3,89 % 17,83 % 6,74 % AFP Modelo 7,4 5,5 % 2.098.256 3,89 % 18,46 % k. A. AFP Planvital 4,5 3,4 % 1.730.617 3,98 % 18,17 % 6,36 % AFP Uno k. A. k. A. k. A. 3,52 % k. A. k. A. Gesamt 132,8 98,8 % 10.950.865 4,00 % 18,26 % 6,75 % Die AFPs sind privat organisiert: Anbieter sind die US-amerikanische Curprum (Principal Financial Group), Habitat (Prudential Financial), ProVida (Metlife), der brasilianische Plan Vital (Bank BTG Pactual), die spanische Capital (Grupo Sura) und die chilenische Modelo (Grupo Andrés Navarro Häusler). Die Bürgerbewegung „No Más AFP“ (übersetzt „Schluss mit den AFPs“) wettert gegen sie. Allerdings: Über eine zu geringe Performance ihrer Pensionsfonds können sich die Chilenen nicht beschweren, auch wenn ursprünglich mit einer noch höheren Entwicklung kalkuliert wurde. Quelle: PwC: „Evolution of Foreign Investments by Pension Funds, 2020 Edition“, Superintendencia de Pensiones, www.nachdenkseiten.de 262 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | R ENT ENS Y S T EM CH I L E

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