Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

ein Verständnis für die wirtschaftlichen Gründe der Schwankungen von Risikoprä- mien erzeugt werden. Diese Variablen bein- halten Erwartungen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung, SciBeta ver- wendet fünf: kurzfristige Zinsen – sie re- flektieren das Niveau der Zinskurve, die Steilheit der Zinskurve, den Credit Spread, die aggregierte Dividendenrendite und die systematische Volatilität des Aktienmarktes. Dabei zeigte sich, dass etwa die Low-Volatility-Risikoprämie um 30 Prozentpunkte niedriger ausfällt, wenn unerwarteterweise die kurz- fristigen Zinsen steigen, als in Zeiten, wo sie unerwartet fallen. Diese Differenz ist sowohl statis- tisch als auch wirtschaftlich hoch signifikant und ist in Überein- stimmung mit dem bondähnlichen Charakter von Low-Volatility-Ak- tien zu sehen. Der Value-Faktor wiederum schätzt eine positive Überraschung bei der Steilheit der Zinskurve und performt bei einer Versteilerung der Kurve wesentlich besser. Das stimmt mit der Idee überein, dass Value-Firmen eine niedrigere Duration besitzen als Wachstumsfirmen, was sie weniger empfindlich für Änderungen in Be- zug auf die Steilheit der Zinskurve macht. Der Size-Faktor wiederum ist besonders negativen Schocks der Dividendenrendite ausgesetzt. Generell lässt sich sagen, dass alle Faktoren eine Abhängigkeit in Bezug auf zumindest eine Zustandsvariable zeigen. Wer glaubt, das Zusammenmischen von Einzelfaktor-Exposures zu einem Multi- Faktor-Ansatz genügt aufgrund der Diver- sifikationsvorteile, der irrt gewaltig. Denn neben dem Verständnis dafür, wie sich bestimmte Faktoren in welchen Makro- regimes verhalten, ist es wichtig sicher- zustellen, dass die Marktrisikoprämie, also das klassische Beta, auch vollumfänglich bei Multi-Faktor-Indexkonstruktionen mit- genommen wird. Tatsächlich stand das Markt-Beta in den letzten Jahren bei vielen Ansätzen zu wenig im Fokus. Und das rächte sich gewaltig, da der allergrößte Teil der Multi-Faktor-Indizes am Markt von der wichtigen Marktrisikoprämie nicht voll pro- fitieren konnte. Das zu geringe Beta, das nicht kontrolliert wurde, ist in diesem Zeit- raum der Hauptgrund für die enttäuschende Performance der Faktorrenditen in Long- only-Faktorportfolios. Das Index- und Strategiedesign in einem Long-only-Umfeld berücksichtigt nur selten die Nicht-Faktor-Risiken, die aus der Wahl der Faktor-Exposures implizit entstehen. Innerhalb dieser Risiken ist das Beta-Risiko beziehungsweise Beta-Gap jenes, das mit einem defensiven Bias in der Konstruktion von Faktorstrategieportfolios einhergeht und die größte Auswirkung auf Ertrag und Vola- tilität dieser Strategien aufweist. Und es wird wenig kontrolliert.. Die durchschnittliche Long/Short-Faktor- Risikoprämie ist nach wie vor positiv. Im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sind die schlechten Performancewerte der Multi- Faktor-Strategien nicht das Resultat einer starken und abnormalen Verschlechterung der Faktorrenditen. Zwar zeigten manche Faktoren eine signifikante Underperfor- mance, mit anderen Faktoren konnte man diesen Nachteil aber wieder ausgleichen. Letztendlich ist die durchschnittliche Risikoprämie der sechs wissenschaftlich abgesicherten marktneutralen Long/Short- Faktoren positiv. Viel mehr Augenmerk ist auf die Multi-Faktor-Indexkonstruktion zu legen, um hier nicht strukturell zu wenig Beta in den Büchern zu haben, das sich als Performancebremse entpuppt. DR. KURT BECKER Simultan auftretende negative Faktorrenditen Wahrscheinlichkeiten simultan auftretender negativer Faktorrenditen In mehr als 49 Prozent aller Monate sind es zwei von sechs Faktoren, die eine negative rollierende Dreijahresperformance produzieren. Für drei Faktoren gilt dies für immerhin fast 18 Prozent der Zeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass vier Faktoren gleichzeitig negative Dreijahresrenditen liefern, ist mit weniger als drei Prozent deutlich geringer, für fünf oder sechs Faktoren liegt sie bei null. Quelle: SciBeta 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 6 5 4 3 2 1 Monate 83,2 % 28,5 % 49,3 % 5,6 % 17,6 % 2,7 % Anzahl der underperformenden Faktoren ist >= Anzahl der Faktoren im Bereich der schlechtesten 5 % ihrer Renditen FOTO : © HE R V É T HOUROUDE / EDHEC » Nicht-Faktor-Risiken wie das Beta-Gap, die bei Faktor-Exposures implizit entstehen, muss man berücksichtigen. « Dr. Felix Goltz, Head of Applied Research am EDHEC-Risk Institute und Director of Research bei Scientific Beta, Nizza Extreme Verlusterwartungen je Faktorprämie Wie hoch Verluste jenseits der 5-%-Schwelle über 3 Jahre ausfallen können Sollte der Extremfall eines Faktorverlustes auftreten, dass dieser in die fünf Prozent schlechtesten rollierenden Dreijahresrenditen fällt, dann erreicht dieser CVaR-ähnliche Wert beim Investitionsfaktor –2,52 Prozent, beim Value-Faktor hingegen stolze –9,12 Prozent (dunkelrote Säulen). Im Langfristvergleich der US-Faktor-Daten über 40 Jahre von 1977 bis 2017 sind alle Faktorrenditen positiv (hellblau). Quelle: SciBeta -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % 15 % Investitionen (INV) Profitabilität (PRO) Low Volatility (VOL) Momentum (MOM) Value (HML) Size (SMB) durchschnittliche rollierende 3-Jahres-Renditen letzte 3-Jahres-Rendite schlechteste 5 % der rollierende 3-Jahres-Renditen durchschnittliche Rendite unter- halb der 5 % schlechtesten Renditen 228 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : FAC TOR- I NVE S T I NG

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=