Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

vor dem Platzen der TMT-Blase zu beob- achten war. „Zuletzt waren die Anleger in der Internetblase des Jahres 2000 so kon- zentriert in so wenigen US-Aktien investiert wie heute. Das gilt auch für die amerika- nischen Hedgefondsmanager“, merkt Dr. Jens Ehrhardt, Gründer der DJE Kapital AG, an. Damals war es ein Warnsignal, dass es an den Märkten zu einem Paradig- menwechsel kommt. Hinzu kommt ein wei- teres Indiz. Nifty Fifty als Blaupause Ein Blick zurück in die Börsen- historie der späten 1960er-, frühen 1970er-Jahre und zu den damaligen „Nifty Fifty“-Aktien sollte Investo- ren für die aktuellen „Börsenlieblin- ge“ ebenfalls vorsichtig stimmen. Auch damals – während einer Pha- se erodierender Gewinne bei den meisten Unternehmen des breiten Index – überzeug- ten stolz bewertete Wachstums- und Quali- tätsaktien über viele Jahre bei der Perfor- mance, bis deren Börsenparty Anfang 1973 abrupt endete. In den folgenden Jahren hinkten die Nifty-Fifty-Aktien dem Gesamt- markt um zirka 40 Prozent hinterher (siehe Grafik „Nifty Fifty im Rückblick“) . „Nifty- Fifty-Aktien verzeichneten schließlich eine Underperformance, als die Begeisterung nachließ und die Blase platzte, obwohl sie weiterhin lieferten, was sie versprochen hat- ten. Letztendlich spielte die relative Bewer- tung doch eine entscheidende Rolle“, erinnert Philippe Denef, CIO Quantitative Equity bei Degroof Petercam AM (DPAM). Die Kursverluste bei vielen bekannten Nifty-Fifty-Aktien schlugen bei Anlegern heftig ins Kontor: Während Aktien wie beispielsweise IBM um zirka 60 Prozent oder Coca-Cola trotz eines eigentlich stabilen Ge- schäftsmodells rund 70 Prozent von ihren Höchstständen zurück- fielen, musste Polaroid, für deren Aktien in der Spitze Investoren ein KGV von zirka 93 akzeptier- ten, nach vielen Jahren des Siechtums schlussendlich sogar Konkurs anmelden. „Das erin- nert daran, dass Technologien obsolet werden können – eine Erkenntnis, die heute, da riesige Technologiefirmen die Börsenstars sind, besonders wichtig ist“, mahnt Vermögens- verwalter Georg von Wyss von BWM (Braun, von Wyss & Müller). Den derzeitigen Technologiefirmen droht aber nicht nur die Gefahr, zukünftig von anderen jungen Unternehmen vom Markt gedrängt und „disruptiert“ zu werden. Auch von der Politik können Störfeuer kommen. So sind immer mehr Volksvertretern und Regulierern die oligopolistischen, fast schon monopolistischen Strukturen von Plattform- unternehmen wie Facebook oder Google ein Dorn im Auge – sie fordern deren Zer- schlagung oder zumindest deren höhere Besteuerung. Vor diesem Hintergrund wäre es Keim- lings Einschätzung nach nicht überraschend, wenn wieder einmal die größten Risiken in vermeintlich sicheren Investments liegen, die sich durch eine hohe Bewertung, hohe Beliebtheit und hohe Outperformance über die letzten Jahre auszeichnen. Der Blick der Investoren sollte daher dorthin gehen, wo andere Anleger unterinvestiert sind. „Es gibt gute Gründe, sich vom Wachstumshype zu verabschieden und langfristig in Value- Aktien zu investieren“, erklärt Goran Vasil- jevic, CIO und Sprecher der Geschäftsfüh- rung bei Lingohr & Partner AM. Vor dem Hintergrund teurer Growth- und Quality- Aktien sollten seiner Ansicht nach substanz- starke Unternehmen ihre Widerstandsfähig- keit auch in einer neuerlichen Rezession beweisen können. „Erhebliche Negativent- wicklungen sind schon eingepreist, und die Bewertungen liegen teilweise auf dem Niveau von 2008 während der globalen Finanzkrise“, sagt Vasiljevic. Aus diesen Gründen ortet er signifikantes Umkehr- potenzial aus technischer Sicht zugunsten von Value. Georg von Wyss bläst ins glei- che Horn: „Früher oder später werden die Anleger, anstatt kurzfristige Kurseinbußen zu fürchten, die Gewinnchancen der vielen deutlich unterbewerteten Aktien nicht mehr ignorieren können. In Anbetracht der tiefen, zum Teil negativen Zinsen, der hohen Im- mobilienpreise und der teuren Wachstumsaktien sind Value- Aktien vielleicht sogar die einzi- ge Anlage, bei der die Preise noch attraktiv sind.“ So wies der MSCI Word Value Index Ende Februar 2020 laut Bloomberg-Daten ein KGV von lediglich 14,5 auf. Zum Ver- gleich: Der MSCI World Growth Index kam auf ein KGV von rund 28 und der MSCI World Quality Index auf ein KGV von 22. Beim Kurs-Buchwert-Ver- hältnis sind die Unterschiede aus prozentualer Sicht noch gravie- render. Der MSCI Word Value Index wies ein Kurs-Buchwert- Verhältnis von etwa 1,5 auf, während Growth auf rund fünf und Quality auf beachtliche 6,7 kommt. FOTO : © AMUND I Nifty Fifty im Rückblick Die legendären Nifty-Fifty-Unternehmen lieferten und enttäuschten zugleich. Obwohl die Nifty-Fifty-Firmen in den 1970er-Jahren ihre Gewinne wesentlich stärker steigern konnten als die im S&P 500 Index enthaltenen Unternehmen (rechte Y-Achse, blaue Linie), enttäuschten diese Glamour Stocks bei der Performance. Schuld daran war deren zu hohe Bewertung, die weitere Kursanstiege nicht mehr zuließ (linke Y-Achse, rote Linie). Stattdessen wandten sich Investoren Value Stocks zu. Quelle: JO Hambro, Exane BNP Paribas 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 1980 1979 1978 1977 1976 1973 1975 1974 Nifty Fifty relativ zum S&P 500 Index Gewinn pro Nifty Fifty-Aktie relativ zum Gewinn pro S&P 500-Aktie » Das aktuelle Missverhältnis der zwei Marktsegmente Value und Growth ist eine seltene Ausnahme. « Andreas Wosol, Head of Value bei Amundi Asset Management 196 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : VA LUE - AK T I EN

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