Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

F ür Value-Investoren waren die letzten zehn Jahre ein Alb- traum“, klagt der langjährige Value-Investor Marc Renaud, Chef von Mandarine Gestion. Renaud und andere leidgeprüfte Value-Investoren erle- ben seit vielen Jahren eine Phase, die wohl Eingang in die Börsengeschichtsbücher fin- den wird. Aus historischer Sicht hatten Value-Aktien in den vergangenen 90 Jahren nur drei bedeutende Phasen, in denen sie mit ihrer Performance dem Gesamtmarkt hinterherhinkten. Das wa- ren die Ära der Depression in den 1930er-Jahren, die TMT-(Technologie, Medien, Telekom)-Blase in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre und nun die Jahre nach der Finanzkrise. „Allerdings ist die jüngste Episode nicht nur die bisher längste, sondern darüber hinaus auch noch am stärksten ausgeprägt“, erläutert Schroders-Stratege Sean Markowicz. Auch wenn Value-Aktien aufgrund der positiven Gesamtmarktentwick- lung seit ihren Tiefstkursen im Verlauf der Finanzkrise ordent- lich zulegen konnten, verblassen diese Gewinne im Vergleich zu den bei Investoren seit vielen Jahren favorisierten Wachstums- aktien. In Zahlen ausgedrückt: Wer Anfang 2008 auf Substanz- aktien mit relativ niedriger Be- wertung und hoher Ausschüttung setzte – beispielsweise mit dem MSCI World Value Index –, er- zielte per Ende 2019 einen Wert- zuwachs von lediglich 77 Pro- zent. Im selben Zeitraum wurden Wachstumsaktien, gemessen am MSCI World Growth Index, zir- ka 135 Prozent teurer. Dabei wurde die Underperformance von Value vor allem in den ver- gangenen fünf Kalenderjahren eklatant. Das ergibt auch eine Analyse von Norbert Keimling, Head of Research bei StarCapital. „Wie extrem die kumulierte Underperformance mittlerweile ausfällt, zeigt sich in allen 1.063 seit 1932 monatlich rollierenden Fünfjahresperioden: die aktuel- le Durststrecke zählt zu den drei Prozent der valueschwächsten Marktphasen überhaupt“, betont Keimling (siehe Grafik „Value vs. Growth“ ). Demnach underperformte Value in nahezu allen Regionen, nach nahezu allen gebräuchlichen Definitionen und selbst nach einer Size- und Sektoradjustie- rung. „Dass Faktorstrategien auch jahrelang enttäuschen können, ist grundsätzlich nicht überraschend. Jede stetig erfolgreiche Stra- tegie würde im Zeitverlauf so viel Kapital anziehen, dass sie sich ihrer eigenen Er- folgsgrundlage beraubt. Zyklen sind ein Preis der Outperformance“, merkt Keimling an. „Gleichwohl stellt sich nach über zehn Jahren Enttäuschung die Frage, ob wir eine normale Schwäche durchleben oder struk- turelle Änderungen ein Ende des Value- Effekts einläuten.“ Die Antwort auf diese grundsätzliche Frage ist entscheidend, ob der Anlage- stil Value auf absehbare Zeit wieder eine für Großanleger nutzbare Renditequelle wird. Wachstum statt Substanz Dass Value vor allem im Vergleich zu Anlagestilen wie Growth oder Quality (Qualitäts- unternehmen) schwächelt, hat viele Gründe. Nach Ansicht von Peter Huber begründet sich die lange Frustrationsphase für Va- lue-Anleger mit den zahlreichen Börsenkrisen seit dem Millenni- umswechsel. Nach den negati- ven Erfahrungen und Kursver- lusten nach dem Platzen der TMT-Blase und der Hypothe- Value-Aktien sind out – und das schon ziemlich lang. Entsprechend groß wäre das Aufhol- und Renditepotenzial, würde der Wind an den Märkten drehen. Für einen solchen Paradigmenwechsel bedarf es jedoch eines „Triggers“. Value vs. Growth Relative rollierende 5-Jahres-Renditen Eine Analyse von StarCapital anhand annualisierter fünfjähriger Überrenditen von Value-Aktien im Vergleich zu Wachstumsaktien auf Basis des HML-Faktors im US-Markt zeigt, dass Value die meiste Zeit zur Outperformance gegenüber Wachstumsaktien neigte. Lediglich in Phasen einer säkularen Stagnation wie in den 1930ern und den 2010ern oder in Boomphasen wie Ende der 1990er konnte Value dem Growth-Stil nicht das Wasser reichen (rot markiertes negatives Terrain). Quelle: StarCapital -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % aktuell -4,0 % Valuevs. Wachstum Mittelwert +4,9 % 2020 2010 2000 1990 1980 1970 1960 1950 1940 1930 Value-Outperformance Wachstum- Outperformance Value-Prämie (roll. 5 Jahre, p. a.) FOTO : © S TA R CA P I TA L , YA KOBCHUK OL ENA | S TOCK . ADOB E . COM » Die aktuelle Durststrecke zählt zu den drei Prozent der value- schwächsten Marktphasen überhaupt. « Norbert Keimling, Head of Research bei StarCapital Historische Schwächephase 194 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : VA LUE - AK T I EN

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