Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

170 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com ME I NUNGS - RADAR | E SG - RAT I NGS U m die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforde- rungen zu meistern, präsen- tierte die Europäische Kom- mission Ende des vergangenen Jahres den Green Deal. Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Um ihre Investments für die Zukunft zu sichern, müssen natürlich auch Investoren mitziehen und sich dem Zeitgeist anpassen. Entsprechend der hohen Nachfrage bei ESG-konformen Investments hat sich inner- halb der letzten Jahre so ein komplett neues Geschäftsfeld entwickelt, wodurch sich etli- che ESG-Ratinghäuser auf dem Markt etablieren konnten. Deren Ergebnisse können mitunter sehr unterschied- lich ausfallen: Ein Unter- nehmen wie Volkswagen beispielsweise erhält ein MSCI-ESG-Rating von null, während Tesla hinge- gen mit 65 von 100 möglichen Punkten abschneidet. Zieht man allerdings das ESG-Rating des Nachhaltig- keitsspezialisten Robeco SAM zum Ver- gleich heran, ergibt sich ein ganz anderes Bild: VW hängt mit 65 Punk- ten den Konkurrenten Tesla (13 Punkte) deutlich ab. Um sich im Rating- Dschungel zurechtzufin- den, müssen Investoren die zugrunde liegenden Methoden gut verstehen. Institutional Money möchte wissen, welchen Ratinghäu- sern die Investoren vertrauen und ob sie im Zusammenhang mit verantwor- tungsbewussten Investments auch Rendite- einbußen sehen. AZIM EL-MORSI Herausforderung ESG-Ratings FOTO : © B R AUN V I S I ON, ZUR I CH ÖS T E R R E I CH, M I CHA E L I H L E . DE Dr. Sascha Otto, Wertpapier- und Port- foliomanagement, Bremer Sparkasse » Das Thema ESG gewinnt immer mehr an Fahrt. Bei der Sparkasse Bremen haben wir gemeinsam mit Oekom Research einen eigenen Ansatz für nachhaltige Investments entwickelt. Für die Zukunft gehe ich davon aus, dass die Beachtung von ESG-Kriterien sogar zu einem Renditevorteil führen wird. Nicht nachhaltige Unternehmen werden hin- gegen Nachteile haben: zum einen bei der Beschaffung von Fremdkapital in Form höherer Zinsen und zum anderen bei der Beschaffung von Eigenkapital durch eine geringere Nach- frage nach ihren Aktien. Beides senkt die Renditeaussichten für diese Unternehmen. Meiner Einschätzung nach werden deshalb ESG-Ratings an Bedeutung gewinnen. Zusätzlich werden sich – analog zu den heutigen Bonitätsratings – Chancen für flexible Investoren ergeben, wenn ein Unter- nehmen im ESG-Rating herabgestuft wird. « FRAGESTELLUNG: Entwickeln Sie Ihre ESG-Philosophie selbst oder greifen Sie auf vorhandene ESG-Produkte der Anbieter zurück? Welchen ESG-Ratings vertrauen Sie? Glauben Sie, dass ein durch ESG-Kriterien gefiltertes Anlageuniversum zu Einbußen bei der Performance führt? Mag. Silvia Emrich, CFO und Mitglied des Vorstandes von Zurich Österreich » Nachhaltigkeit in der Veranlagung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wir bei Zurich haben seit 2012 unsere eigene Philosophie und ein klares Bekenntnis zum nachhalti- gen Investment. Dabei setzen wir auf Impact Investing und ESG-Integration. Bei der Analyse einzelner Investitionen und Investmentverwalter prüfen wir ihre finanzielle Performance und ihre Leistung im Hinblick auf ökologische, soziale und Governance-Faktoren (ESG). Diese Aspekte fließen in unsere Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Vermögens- werten ein. Wir verwenden hauptsächlich ESG-Ratings von MSCI, ergänzt durch Angebote anderer Anbieter. Wichtig ist, Ratings nicht blind zu übernehmen, sondern die Methoden dahinter gut zu verstehen und die Zusatzinformation gezielt einzusetzen. ESG hilft uns, bei konventionellen Investitionen gute Unternehmen zu identifizieren. Bei nachhaltigen Invest- ments achten wir als Investor natürlich auf eine attraktive Performance. « Dr. Manuel Sonntag, Prokurist und Bereichs- leiter Treasury bei der Bank für Kirche und Caritas eG » Auf Grundlage der christlichen Wertorientierung haben wir vor fast 20 Jahren damit begonnen, eine Nachhal- tigkeitsstrategie für unseren Bankbetrieb zu entwickeln. Als erste Kirchenbank haben wir dabei im Jahr 2003 eine an christlichen Werten ausgerichtete ethisch-nachhaltige Anlage- strategie entwickelt, die wir beständig fortschreiben und die für alle unsere Eigenanlagen und bankeigenen Investment- produkte gilt. Wir haben hierfür ein aufeinander aufbauendes Konzept aus Ausschlusskriterien, Positiv- und Negativkriterien und der Integration von ESG-Faktoren in die Finanzanalyse entwickelt. Zur Sicherstellung unseres hohen Anspruchs greifen wir dafür auf die jeweiligen Stärken verschiedener Ratingagenturen zurück und führen deren Analysen haus- intern zusammen. Wir haben dabei den Eindruck gewonnen, dass Auswahlprozesse im Wettbewerb zu qualitativen Ver- besserungen führen können. « MEINUNGS -RADAR: ESG-Ratings haben sich als wichtiger Bestandteil des Investmentprozesses etabliert. Von einheitlichen, nachvollziehbaren Standards sind diese Bewertungen aber noch weit entfernt.

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