Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

auseinandersetzen, zeigt nicht zuletzt das NBER Working Paper „Redeemable Plat- form Currencies“, das in der Autorenzeile Yan You und bemerkenswerterweise den Starökonomen Kenneth Rogoff ausweist. Der Wissenschaftler, der unter anderem mit der ehemaligen Institutional Money Star-Referentin Carmen Reinhart den Best- seller „This Time is Different“ verfasst hat, hat sich diesmal gemeinsam mit seinem Co- Autor mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich eine Welt darstellt, „in der die Linien zwischen Finanz- und Tech-Unternehmen immer verwaschener werden, da die Innova- tionen im Transaktionsprozess immer inno- vativer und disruptiver werden“. Die Auto- ren beziehen sich dabei ausdrücklich auf den ursprünglich für 2020 geplanten Launch des Facebook-Projekts Libra. Wie also könnten sogenannte „Plattformwährungen“ generell funktionieren? Verzinst, nicht verzinst, auf einem Sekundärmarkt handelbar, mit Zu- satz-Features ausgestattet, oder nicht? Libra als Waffe? Sieht man diese Problemstellungen unter einem sicherheitspolitischen Aspekt, stellt sich außerdem die Frage, ob eine Währung wie Libra als Gegenpol zu einem Krypto- Yuan fungieren könnte. Die Antwort lautet: wahrscheinlich nicht. Der Grund: Aus Rogoffs Sicht ist es für Plattformbetreiber in den meisten Fällen sinnvoller, „nicht han- delbare Tokens herauszugeben, selbst wenn das schlussendlich darauf hinausläuft, dass man sich von der Idee einer Proto-Währung verabschieden muss“. Wenn die Token nicht handelbar sind und deshalb auch nicht den Besitzer wechseln können, fällt es zudem leichter, die Währungseinhei- ten mit diversen Zusatz-Features wie der Speicherung von Kundendaten oder individuellen Preis- und Rabatt- komponenten auszustatten. Davon abgesehen würden sich Plattform- transaktionen günstiger und effizien- ter gestalten, „weil die Plattformkos- ten in den Netzwerken der Finanz- intermediäre entfallen. „Am Ende des Tages“, so Rogoff weiter, „muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass die Funktionsweisen von solchen Kryptowährungen enorm vom steuerlichen und regulatori- schen Regelwerk abhängen.“ Womit wir wieder beim Stichwort Staat wären: Dieser macht sich in den USA, in Europa – und da nicht zuletzt in Deutsch- land – schon die längste Zeit Gedanken, wie währungsähnliche Token zu regulieren sind. Von hier ist der Sprung zur Emission eines Krypto-Dollar oder eines Krypto-Euro kein allzu großer. Denn das Argument von Sum- mers, wonach der Dollar über SWIFT ohne- hin schon digital funktioniere, greift inso- fern viel zu kurz, als eine Kryptowährung ja nicht nur aus Einsen und Nullen besteht, sondern auch innovative Komponenten wie die inzwischen berühmt gewordenen Smart Contracts beinhalten kann. Geldeinheiten können aber auch so codiert werden, dass sie beispielsweise als Bezahlung für eine ganz spezifische Dienst- leistung fungieren, ein Schuldverhältnis und Teileigentümerschaft beinhalten oder ak- tien- und anleihenähnliche Funktionen er- füllen – genau diese Funktionsweisen wer- den ja schon über diverse privatwirtschaft- liche ICOs erfüllt. Das CBDC-Modell des IWF Die Materie ist also denkbar komplex, weshalb es umso erfreulicher ist, dass sich der IWF im Rahmen des Working Papers „Designing Central Bank Digital Curren- cies“ mit der Frage nach dem „optimalen Design einer CBDC (Central Bank Digital Currency) auseinandersetzt“, wie es Gio- vanni Dell’Ariccia erklärt. Der IWF-Fach- mann stellt mit seinen Co-Autoren Itai Agur und Anil Ari sehr ähnliche Fragen wie Rogoff – etwa die nach der Verzinsung. Sie gehen aber auch sehr spezifisch auf Netz- werk- und Verdrängungseffekte ein. Also: Welche Gefahr stellt eine parallel von einer Notenbank emittierte Währung, die banken- freie Transaktionen zulässt, für das Finanz- system eines Landes dar? Könnte eine Notenbank – quasi verse- hentlich – das kommerzielle Finanz- und Bankensystem verdrängen, indem sie ein Kryptowährungskonzept anbietet, das sämt- liche Transaktionen an den Währungs- und Finanz- und Kreditmärkten günstiger und effizienter anbietet, als es herkömmliche Banken landesweit tun können? In so einem Fall könnte es zu Finanzie- rungsengpässen kommen, wenn das aktuel- le Finanzsystem beschädigt wird, bevor ein alternatives System tragfähig implementiert ist und die entstehende Lücke bei der Kre- ditbereitstellung füllen kann. Die Autoren gehen nicht zuletzt aus diesem Grund von der Prämisse aus, dass eine Verdrängung von Banken nicht im Sinne einer Noten- bank sein kann – und suchen deshalb nach einem System, das die jeweilige nationale Währung beziehungsweise die an ihr hän- genden Märkte nicht ersetzt, sondern so gut wie möglich ergänzt. Auf der anderen Seite wären die Haus- halte, die laut Dell’Ariccia „über heterogene Präferenzen verfügen. Während die einen mehr Wert auf Anonymität legen, ist den anderen die Sicherheit und Anwender- freundlichkeit ihrer Transaktionen wichtig.“ Haushalte, die zur ersten Gruppe gehören, ziehen Bargeld vor, die zweitere Gruppe bevorzugt Bankkonten und den damit ver- bundenen elektronischen Zahlungsverkehr. Die Interessen dieser beiden Grup- pen möglichst auszugleichen, gehört ebenfalls zu den Zielen, die man bei der Einführung einer möglichst opti- malen nationalen Kryptowährung berücksichtigen muss. Will man für alle Parteien – also Haushalte, Finanzinstitute und Un- ternehmen – möglichst hohe Vorteile erzielen, müssen in Wirklichkeit alle drei Zahlungsmöglichkeiten neben- einander existieren können. Haus- halten mit möglichst hoher Affinität zur Anonymität muss weiter der Zugang zu Cash gewährt werden, während Unternehmen und Haushal- te, die auf Sicherheit und Praktika- bilität Wert legen, das Bank- und Kontogeschäft erhalten bleiben FOTO : © GMF Krypto als Fluchtwährung? Globale politische Turbulenzen sorgten bei Bitcoin für Kurssprünge. Politische Turbulenzen sorgten in der jüngeren Vergangenheit für einen Anstieg von Bitcoin. Die Währung als „sicheren Hafen’‘ zu bezeichnen, wäre jedoch angesichts ihrer Volatilität frivol. Quelle: Kryptoszene + 30 % Brexit- Volksabstimmung (2016) Präsidentschafts- wahlen USA (2016) Präsidentschafts- wahlen Frankreich (2017) + 30 % + 30 % 136 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : D I G I TA L E S GE LD

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