Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

nach der Standard Industrial Classification (SIC), zeigen die Resultate, dass diese Re- allokation zu einem signifikanten Rückgang der Industrieproduktivität führt. So verrin- gert ein zehnprozentiger Anstieg des Wertes der Immobilien in der Firmenbilanz das Wachstum der Produktivität auf Branchen- ebene um 0,62 Prozent. Diese Auswirkung ist wirtschaftlich bedeutend. Im Zeitfenster der Stichprobe wuchsen die amerikanischen Immobilienpreise um vier Prozent jährlich, und das US-Produktivitätswachstum lag bei durchschnittlich 1,75 Prozent im Jahr, wie Roberto Cardarelli und Lusine Lusinyan 2015 in „US Total Fac- tor Productivity Slowdown: Evi- dence from the US States“ , publi- ziert als IMF Working Paper 15 (116), herausfanden. Wachstumsunterschiede Eine schlechte Ressourcenallo- kation hin zu ineffizienten Firmen erklärt die Ergebnisse: Die Kova- rianz zwischen Firmengröße und Produktivität geht zurück, wenn die Immobilienpreise steigen. Die- ser Rückgang impliziert, dass un- produktive Firmen schneller wach- sen als produktive. Dörr konnte ebenfalls nachweisen, dass die Allokation der Faktoren Kapital und Arbeit schlechter in jenen Industrien ausfällt, bei denen am Anfang der Untersuchungsperio- de eine hohe Streuung (Dispersion) bei Immobilienbeständen unter den Firmen be- steht. Damit Fehlallokationen eine Rolle spielen, müssen die finanziellen Beschrän- kungen, denen sich die Unternehmen ge- genübersehen, asymmetrisch gelockert wer- den. Denn würden alle Firmen in einer Branche einen ähnlichen Anteil an Immo- bilien in ihrem Vermögensbestand haben, gäbe es keine Dispersion und somit auch keine Fehlallokation: Steigende Immobi- lienpreise würden es dann allen Firmen gestatten, in gleichem Ausmaß mehr Kredit aufzunehmen, und es gäbe keine Änderun- gen in der relativen Größe zueinander. Bei Branchen mit hoher Streuung des Immo- bilienanteils am Firmenvermögen gelingt es Dörr zu belegen, dass die Verringerung des Wachstums der gesamtwirtschaftlichen Pro- duktivität besonders stark ausfällt, wenn die Immobilienpreise steigen. Bankenverhalten Banken mit einem besseren Wissen über die Qualität ihrer Schuldner verlassen sich weniger auf Sicherheiten, wenn sie über eine neue Kreditvergabe entschei- den. Daher ist die Sensitivität von Firmenschulden zu steigenden Werten der Kreditsicherheiten bei jenen Unternehmen geringer, die Geld bei gut informierten Banken aufnehmen. Dörr verwendet in die- sem Zusammenhang Marktdaten zu syndizierten Krediten, um da- raus die Branchenspezialisierung der Banken zu konstruieren. Diese definiert er als jenen Anteil am Kreditvolumen, den eine Branche im Portfolio einer Bank hat. Dörr Young Innovators Award 2019 an Sebastian Dörr Mit diesem Preis zeichnet Plansecur junge Wissenschaftler aus, die Hervorragendes geleistet haben. I n der Begründung für die ausgezeich- nete Arbeit über Kreditsicherheiten, Kapitalreallokation und gesamtwirt- schaftliche Produktivität, die Sebastian Dörr als Dissertant am Institut für Volks- wirtschaftslehre der Universität Zürich ver- fasst hat, heißt es, die Studie sei von hoher Brisanz, weil sie einen direkten negativen Einfluss der von der EZB forcierten Politik des billigen Geldes auf die wirtschaftliche Produktivität in der Eurozone nahelegt. Leistung Europas messbar senken Zwar bezieht sich die an der Universität Zürich absolvierte Forschungsarbeit „Col- lateral, Reallocation, and Aggregate Pro- ductivity: Evidence from the U.S. Housing Boom“ auf den US-Markt, aber nach Einschätzung von Prof. Dr. Michael Binder, Gründungs- dekan der Graduate School of Economics Finance and Management am House of Finance der Frankfurter Uni- versität, ist eine ähnliche Entwicklung auch in Europa zu sehen. Die wissenschaftliche Arbeit leitet die empirische Evidenz her, dass steigende Immobi- lienpreise sich – in quantitativ nicht vernachlässigbarer Form – negativ auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität auswirken. Laut Prof. Dr. Binder könnte – vereinfacht ausgedrückt – die Null- und Negativzinspolitik der EZB die volkswirt- schaftliche Leistung Europas messbar senken. Unmittelbarer Beitrag zur Diskussion Plansecur-Geschäftsführer Johannes Sczepan sagte an- lässlich der Preisverleihung, Sebastian Dörr habe sich den Young Innovators Award mehr als verdient, weil seine wissenschaftliche Tätigkeit einen unmittelbaren Beitrag zur Diskussion über die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank beisteuere. Sie liefere wichtige Denkanstöße, wie der nega- tiven Entwicklung der Produktivität auch in Europa entgegengewirkt werden könne. Preisträger 2019: Dr. Sebastian Dörr Produktivitätsunterschiede Immobilienbesitz und Unterschiede in der Firmenproduktivität Der Vergleich der beiden Verteilungsfunktionen belegt, dass Firmen mit Immobilienbesitz niedrigere Produktivitätsniveaus an den Tag legen als Firmen ohne Immobilienbesitz. Quelle: Studie 0 1 2 3 4 5 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 Dichte (log) gesamt- wirtschaftliche Produktivität Hohes Immobilienvermögen Niedriges Immobilienvermögen FOTO : © UN I V E R S I T Ä T ZÜR I CH 130 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : GE LDPOL I T I K

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