Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

I n den ersten Märztagen senkte die US-Notenbank in einer Notfallaktion ihre Leitzinsen um einen halben Prozentpunkt. Die Maßnahme soll die USA vor möglichen wirtschaft- lichen Auswirkungen der sich welt- weit ausbreitenden Coronavirusepi- demie schützen. Dieser Zinsschnitt überraschte wohl niemanden mehr. Schon seit zwei Jahrzehnten sind Zinssenkungen durch die Noten- banken eine fast schon reflexartige Reaktion auf unterschiedlichste wirtschaftliche Probleme. Ob diese „Medizin“ in der nun möglicher- weise von der Angst vor einem Virus aus- gelösten Krise helfen wird, ist nicht abzu- sehen. So gut wie sicher ist aber, dass sie so wie jedes „Medikament“ unerwünschte Nebenwirkungen haben wird. Eine bekann- te, von tiefen Zinsen ausgelöste Nebenwir- kung sind steigende Immobilienpreise. Die- se wiederum verteuern Baukosten, lassen Mieten steigen und können Immobilien- preisblasen verursachen. Und sie können auch das Verhalten von Unternehmen än- dern, die ihren Immobilienbesitz als Kredit- sicherheit einsetzen. Werden diese Immobi- lien wertvoller, erhöht das den finanziellen Spielraum der Firmen, und ein verbesserter Kreditzugang wird grundsätzlich positiv be- wertet – tatsächlich ist dies ja eines der mit der Zinssenkung angepeilten Ziele. Aber ganz so eindeutig ist die Sache leider nicht, denn wenn der Wertzuwachs der Immobi- lien ein gewisses Maß übersteigt, könnte dies einen Unternehmer – im Extremfall – auf die Idee bringen, seine Produktion ein- zustellen, die Mitarbeiter zu entlassen und stattdessen Immobilienspekulant zu werden. Und das dürfte kaum zu den von den Notenbanken gewünschten Effekten zählen. Dieses Thema ist keineswegs neu, tat- sächlich haben sich bereits einige akademi- sche Arbeiten mit den in diesem Zusam- menhang auftretenden Fragen und Phäno- menen beschäftigt. Allerdings zeichnen sie darin kein einheitliches Bild. So gelangten etwa Bengt Holmström und Jean Tirole, aber auch Nobuhiro Kiyotaki und John Moore schon vor 20 Jahren zu dem Er- gebnis, dass ein höherer Wert des Colla- terals zu einer stärkeren wirtschaftlichen Expansion und steigender Effizienz führt. Jüngere Studien wiederum belegen, dass ein Immobilienboom Firmen zu mehr Kredit- einsatz motiviert, wie dies etwa Dragana Cvijanovic 2014 in „Real Estate Prices and Firm Capital Structure“ festhielt. Laut einer Arbeit von Thomas Chaney, David Sraer und David Thesmar aus dem Jahr 2012 begünstigt ein Immobilienboom auch Unter- nehmensinvestitionen, wie man in „The Collateral Channel: How Real Estate Shock Die wissenschaftliche Arbeit des Plansecur-Preisträgers Sebastian Dörr legt nahe, dass die lockere Geldpolitik der EZB die Wirtschaft in der Eurozone in letzter Konsequenz schwächt. FOTO : © B I Z , GMF » Immobilienbesitzende US-Firmen sind nachweislich signifikant weniger produktiv als solche ohne Immobilien. « Dr. Sebastian Dörr, nunmehr Ökonom bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel Unerwünschte Nebenwirkungen Deskriptive Statistik Charakteristika der untersuchten Firmen mit hohem und gar keinem Immobilienbestand Hohe Immobilienquote Niedrige Immobilienquote Differenz Durchschnitt Standardabw. Durchschnitt Standardabw. Ø t-Wert Wert des Immobilienvermögens 1,47 (1,46) 0,00 (0,00) 133,32 Langfristige Schulden 0,38 (0,90) 0,76 (1,43) -28,60 Investitionen 0,21 (0,16) 0,39 (0,24) -77,66 Beschäftigung 0,06 (0,07) 0,11 (0,10) -53,51 log(gesamtwirtsch. Produktivität) 0,52 (0,16) 0,57 (0,19) -20,86 Zahl der Angestellten 9.775,93 (31.659,67) 908,60 (4451,87) 36,23 log (Assets) 5,13 (2,12) 3,45 (1,76) 79,59 Leverage 0,29 (0,91) 0,26 (1,17) 2,68 Return on Assets 0,04 (0,22) -0,14 (0,39) 54,12 Kurs-Buchwert-Verhältnis 1,82 (1,49) 2,84 (2,53) -44,45 Umsatzwachstum 0,08 (0,32) 0,15 (0,55) -14,49 Kaplan-Zingales Index 0,89 (2,06) 0,83 (2,76) 2,53 Whited-Wu Index -0,25 (0,12) -0,15 (0,11) -80,07 Anzahl der Beobachtungen 16.154 17.620 33.774 Firmen mit Immobilienbesitz sind größer und älter, aber signifikant weniger produktiv. Sie haben weniger Schulden und investieren weniger. Für die Differenz der Durchschnitte (letzte Spalte) sind nur die t-Werte angegeben. Alle Variablen sind volumensgewichtete Durchschnitte auf Ebene der vierstelligen Branchencodes nach der Standard Industrial Classifica- tion. Wachstumsraten sind als log-Differenzen dargestellt. Quelle: Studie 126 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : GE LDPOL I T I K

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