Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

bekannt sind, dass sie eine sehr starke Faktorstruktur haben, die dazu führt, dass fast jeder Faktor als signifikant im Querschnitt erscheint. „Überraschenderweise – selbst in diesem extrem günstigen Analysedesign – sieht es nicht da- nach aus, dass hier Platz für einen CO 2 -Faktor besteht“, merkt Lioui an. Die Tabelle „Fehlende Signifi- kanz“ illustriert dies. Schlussfolgerungen Statistisch betrachtet ist aufgrund der bei- den Studienergebnisse nicht klar, ob es eine CO 2 -Anomalie gibt. Bedenklich ist die Tat- sache, dass die verwendeten Long-/Short- Portfolios in den beiden Studien unter- schiedlich konstruiert werden. EDHEC sieht sich daher nicht in der Lage, zu beur- teilen, ob Unternehmen mit niedrigem CO 2 - Ausstoß solche mit hohen CO 2 -Emissionen outperformen. Cheema-Fox gibt keine Ant- wort auf die Frage, ob es einen CO 2 -Faktor gibt, und Bolton und Kacperczyk ziehen den Schluss, dass ein solcher Faktor nicht relevant ist. Man kann also laut dem Team um Lioui nicht davon sprechen, dass es ge- nug Hinweise darauf gibt, dass ein solcher Faktor tatsächlich existiert. Konstantes Alpha? Der Professor rügt den Umstand, dass in beiden Studien etwas sehr Wichtiges fehlt, nämlich eine Änderung des Alphas über die Zeit. So sind Klimaagenden seit Langem latent vorhanden, wurden aber erst in der letzten Dekade ein zentrales Anliegen der Investmentindustrie. Anzunehmen, dass es ein konstantes Alpha während der letzten 15 Jahre gibt, ist daher nicht hilfreich, denn selbst wenn eine Anomalie aufgetreten ist, ist es wahrscheinlich, dass diese sich pro- gressiv entwickelt hat. Alexander Lioui hat selbst in zwei Studien, die 2018 publiziert wurden, gezeigt, dass sich sowohl Alphas als auch Risikoprämien im Zusammenhang mit ESG in der Zeitenabfolge verändern. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass dies auch beim CO 2 -Faktor der Fall ist. Dazu kommt, dass eine solche Studie nur sinnvoll ist, wenn sie mit Out-of-sample-Ergebnissen belegt werden kann. Das ist keine Garantie für Performance, aber wenigstens hilft es beim Beurteilen von Existenz und Größe einer Risikoprämie, die von einem Investor vereinnahmt werden kann. Schlussendlich ist der CO 2 -Ausstoß im Gegensatz zu Corporate Governance und sozialen Aspekten ein reines Umweltthema in Bezug auf Corporate Social Resonsibility (CSR) und reale Aktivitäten eines Unter- nehmens. Emissionen sind daher notwendi- gerweise essenzieller Bestandteil der realen Charakteristika einer Firma. Daher ist es wichtig, dass es überzeugende Studien gibt, die dokumentieren, dass sich CO 2 -Emissio- nen mit anderen Firmencharakteristika im Wettstreit als überlebensfähig beweisen. Wir tappen also in Bezug auf jegliche CO 2 -Anomalie oder die Bepreisung dieses Faktors noch im Dunkeln. Festzustellen, dass es den Faktor gibt, oder auch, dass das nicht der Fall ist, ist sehr wich- tig im Zusammenhang mit der ge- genwärtig laufenden Debatte in Bezug auf die finanziellen CSR- Kosten – und zwar nicht nur für die Unternehmen selbst, sondern auch für die Investoren. Studien wie jene von Cheema-Fox und Kollegen schüren die Hoffnung, dass es einen Bonus für die Ver- ringerung der Treibhausgasemissionen ge- ben könnte. Dem könnte so sein, doch wir sind noch sehr weit davon entfernt, den Nachweis dafür erbracht zu haben. Gibt es keinen Karbonfaktor, sollte man annehmen, dass es keine positive Risiko- prämie dafür gibt, weniger Kohlenstoff- dioxid auszustoßen, und dass es in diesem Zusammenhang auch keine negative Risi- koprämie gibt. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist es heute möglich, auf Basis der allgemein anerkannten und mit einer Risikoprämie ausgestatteten Faktoren Portfolios zu konstruieren, die große CO 2 - Emittenten ausschließen und damit Port- folios mit einem kleineren CO 2 -Fußabdruck und sehr guter risikoadjustierter Perfor- mance bilden. Dieser Ansatz ist laut Pro- fessor Lioui einer integrierten Portfolio- konstruktion vorzuziehen, die – indem sie ja das Portfolio einem Exposure zu einem nicht bezahlten Risikofaktor aussetzen würde – die risikoadjustierte Rendite ver- ringert. Sonst würde sich ja das Exposure zu den allgemein anerkannten und bezahl- ten Risikofaktoren reduzieren. DR. KURT BECKER Fehlende Signifikanz Der Marktpreis des CO 2 -Emissions-Faktors ist nicht signifikant. Querschnittsanalyse SCOPE 1 SCOPE 2 SCOPE 3 Risikoprämie 0,531 0,470 0,351 T-Statistik 1,07 1,34 0,89 Trotz eines günstigen Analysedesigns, wo fast jeder Faktor signifikant erscheint, ist dies beim CO 2 -Faktor offensichtlich nicht der Fall. Dies ist an den niedrigen t-Werten abzulesen. Untersuchungszeitraum: 2005–2017. Quelle: Studie Über p-Hacking und t-Tests Statistisches Rüstzeug als Conditio sine qua non, um die Qualität von Studien zu erforschen U nter p-Hacking, das nur ein ande- rer Ausdruck für Data-Mining ist, versteht man, dass Kapitalmarktfor- scher Tausende unterschiedliche Anlage- strategien analysieren, aber am Ende nur diejenigen dokumentieren, die die beste historische Wertentwicklung aufweisen. Die so erzeugten Ergebnisse halten dann lei- der der Wirklichkeit oft nicht stand. Des- wegen führen die drei Autoren verschie- dene Tests durch, um zu evaluieren, ob sich Wissenschaftler, die über den Zeit- raum von 1981 bis 2011 signifikante Fak- toren gefunden haben wollen, dieser Methoden bedient haben. Eine empfohlene Methode ist es, bei t-Tests – einem statistischen Testverfahren für Signifikanz von Verteilungen – anstelle eines t-Wertes von 1,96, der für eine Signifikanz von 95 Prozent steht, einen rigideren Wert von 3,00 anzusetzen, wie dies Harvey, Liu und Zhu 2016 vorge- schlagen haben. Nehmen die Ergebnisse diese höhere Testhürde, spricht dies dafür, dass sie tat- sächlich signifikant und nicht nur Ausfluss von Data-Mining sind. 118 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NACHHA LT I GK E I T

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