Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

den kann Lioui nicht zu dem Schluss kom- men, dass es tatsächlich einen CO 2 -Faktor gibt. Bolton und Kacperczyk seziert Die Arbeit von Bolton und Kacpercyk folgt einem anderen Muster, um eine CO 2 - Emissions-Anomalie zu identifizieren. Es werden Regressionen von Panel-Daten ge- rechnet, die zeigen, dass Renditen in einer positiven Beziehung zum CO 2 -Ausstoß stehen, und zwar sowohl in Bezug auf die Höhe des Ausstoßes als auch dessen Verän- derung. Um ein Alpha in Verbindung mit dem CO 2 -Ausstoß zu dokumentieren, ver- folgt das Autorenduo eine Methodik, die nichts mit der wissenschaftlichen Literatur über Asset Pricing zu tun hat. Indem sie Panel-Daten-Regressionen Periode für Pe- riode berechnen, erhalten sie Koeffizienten des CO 2 -Ausstoßes, wenn die Monatsrendi- te als abhängige Variable fungiert. Die Zeit- reihe dieses Koeffizienten wird dann auf ein Bündel von Faktoren regressiert und die Konstante dieser Multi-Faktor-Regression als Alpha interpretiert. Die Ergebnisse sind beeindruckend, jedoch fällt die Größe dieser Konstante der verschiedenen Regressionen sehr unterschiedlich aus, wenn man das Niveau des CO 2 -Ausstoßes oder die Verän- derung der CO 2 -Emissionen verwendet. Es sei daher nicht klar, wie dieses Alpha inter- pretiert werden sollte, meint der Franzose. Der Marktpreis des CO 2 -Faktors wird aus der Panel-Regression ermittelt, bei der die Autoren die Ergebnisse im Hinblick auf alle Charakteristika kontrollieren, die für die Konstruktion der Faktoren aus den Zeit- reihen verwendet werden. Die Autoren ver- wenden den Fama-French-Size-Faktor, jedoch haben sie in der Panel-Regression bereits im Hinblick auf den Size-Faktor kontrolliert. Das Gleiche gilt für Value-, In- vestment- und Profitabilitäts-Faktor. Im Prinzip sollte ein signifikanter Koeffizient der Panel-Regression für den CO 2 -Ausstoß genügen, um daraus den Schluss zu ziehen, dass das CO 2 -Risiko von Bedeutung ist. Des Weiteren wird der CO 2 -Emissions- Koeffizient als Marktpreis des Risikos inter- pretiert. Es ist bekannt, dass die Fama-Mac- Beth-Koeffizienten aus Querschnittsregres- sionen als eine Prämie bei Long-/Short- Portfolios interpretiert werden können. Laut Professor Lioui wäre es interessant gewe- sen, eine Zeitreihenregression laufen zu las- sen, um das CO 2 -Alpha zu isolieren, indem man Gewichtungen gemäß der Emissions- variablen vorgenommen und daraus ein handelbares Portfolio entwickelt hätte. Statt- dessen führen die Autoren eine Standard- übung durch, bei der einige Portfolios dazu verwendet werden, um abzuschätzen, ob der CO 2 -Faktor bepreist wird. Aber der CO 2 -Ausstoß-Faktor basiert auf einem Long-/Short-Portfolio, das in keiner Bezie- hung zu dem impliziten Portfolio der Quer- schnittsregressionen steht. Die getesteten Assets, also die 25 Portfolios, die nach Size und Kurs-Buchwert-Verhältnis sortiert sind, sind zudem hochproblematisch, da sie dafür „Rating-Kakophonie“ Unterschiedliche ESG-Ratingagenturen liefern oft ganz andere Einschätzungen. W ie unterschiedlich die Ergebnisse der ESG-Ratings der einzelnen Anbieter sein können, zeigte etwa Bernd Flossbach in Mannheim am Beispiel von VW und Tesla (siehe linker Teil der Grafik: „Wem soll man nun glauben?“) auf. Vergleicht man andererseits die ESG-Ra- tings von FTSE und MSCI, so sieht man, dass diese unterschiedlichen Ansätze mit deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen aufwarten. Im rechten Teil der Grafik „Wem soll man nun glau- ben?“ wäre der farblich unterlegte Teil jener Cluster, in dem die meisten Punkte bei einem annähernden Gleichlauf der Ratingeinschätzungen einzelner Titel zu erwarten wären. Tat- sächlich präsentiert sich jedoch ein gänzlich anderes Bild, wo keine Häu- fung entlang der Diagonale zu erken- nen ist, die für annähernd gleiche Ratings spräche. Institutionelle Investo- ren stehen damit vor einem Dilemma, denn sie müssen sich eine eigene Mei- nung bilden, welchen Ratings sie den Vorzug geben, und diesen Prozess auch gegenüber der zuständigen Aufsicht dokumentieren. Ob sich die Aufsichten angesichts dieser Rating-Dissonanzen – die Korrelationen zwischen den ESG-Ratings verschiedener Häuser sollen bei zirka 30 Prozent liegen, während es bei den Bonitätsrating immer- hin mehr als 70 Prozent sind – à la longue damit zufriedengeben werden, steht in den Sternen. Gut möglich, dass diese eines nicht allzu fernen Tages verlangen könn- ten, dass sich Institutionelle einen eigenen Rating-Prozess verordnen müssten. Wie das kleinere Häuser bewerkstelligen soll- ten, ist ein anderes Problem. Die Kosten gingen dann zulasten der treuhändig ver- walteten Vermögen, und die Bürokratie würde weiter ausufern. Wem soll man nun glauben? Betrachtet man die unterschiedichen Ratingergebnisse diverser Anbieter, muss man die Sinnfrage stellen. Zwei Grafiken, eine Aussage: Ob im Einzelfall (links) oder im Aggregat (rechts), Ratings verschiedener Agenturen differieren oftmals außerordentlich. Damit sind institutionelle Investoren letztendlich dazu aufgerufen, ihre eigenen Ratings zu entwickeln. Quelle: Flossbach von Storch (links), CLSA, GPIF Sauren (rechts) MSCI ESG 0 65 Sustainalytics 19 28 RobecoSAM 65 13 Qualitative Kriterien sind kaum objektiv quantifizierbar Ohne eigene Meinung/Research geht es nicht! 116 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NACHHA LT I GK E I T

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