Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

Irreführender Titel In der kritischen Betrachtung der Cheema- Fox-Studie weisen die EDHEC-Experten darauf hin, dass die t-Werte und damit die statistischen Signifikanzniveaus mit Werten zwischen 0,27 und 1,96 nicht besonders hoch sind. Insbesondere gelte dies für jene drei Ansätze, in denen Einzelaktien nach Treibhausgasemissionen selektiert wurden, t-Werte von 0,27, -0,76 und 1,57 seien nicht überzeugend. Ein t-Wert von 1,96 – wie im Fall eines L/S-Portfolios, bei dem Sektoren gemäß ihrer Treibhausgasemissionen inner- halb des Gesamtmarktes allokiert wurden, würde zwar einem Signifikanzniveau von 95 Prozent entsprechen, aus guten Gründen sollte man aber höhere t-Werte von drei für das Vorliegen einer statistischen Signifikanz bei neuen Faktoren verlangen. Was den Titel der Arbeit „Decarboni- zation Factors“ anbelangt, so ist dieser laut Lioui bereits irreführend: Hier wer- de versucht, eine CO 2 -Anomalie zu iso- lieren, und nicht ein Faktor an sich. Dass ein Long-/Short-Portfolio ein Alpha auf- weise, bedeute noch nicht notwendiger- weise das Vorliegen eines Faktors, der auch einen Preis besitzt. Das Autoren- quintett zeige zwar, dass es ein Alpha beim CO 2 -Ausstoß gebe, man habe aber keine Querschnittsanalyse durchgeführt, was die Bepreisung dieses Faktors anbe- langt. Auch hätten die Autoren Aktien auf sechs verschiedene Arten sortiert und dabei sehr unterschiedliche Ergeb- nisse erhalten, was ein Symptom für die von Hou, Xue und Zhang vorgetragene Methodenproblematik sei. Am wichtigs- ten sei jedoch, dass die Autoren den Fama/French-Fünf-Faktor-Ansatz um den Momentum-Faktor und noch zwei weitere, nämlich die Öl- und die Dekar- bonisierungs-Flows, erweitern. Diese Flow-Variable scheint der wahre Grund für die meisten der erhaltenen Ergebnis- se zu sein, insbesondere für Europa, wo diese Variable in fast allen Regressionen signifikant ist. Unter der Bedingung positiver Flows seien die Resultate sogar noch beeindruckender, finden die Ver- fasser, doch Professor Lioui meint, dass sie dies gerade nicht sind. Im Fall der USA etwa stellen sich zwei Alphas, die kaum signifikant sind, dann als nicht mehr signifikant heraus, wenn die Be- dingung positiver Flows eingeführt wird. Die anderen vier wiederum, die zuerst nicht signifikant waren, werden dies unter Zuhil- fenahme der Bedingung positiver Flows. Weitere Kritikpunkte Dann erhebt sich die Frage, was im Fall von negativen Flows geschieht. Darüber schweigen sich die Autoren aber aus. Die EDHEC-Experten betonen hier, dass gegen- wärtige und nicht zeitversetzte Flows von Belang sind. Das lasse laut Lioui den Ver- dacht aufkommen, dass die Beziehung zwi- schen Flows und Renditen nur eine rein mechanische ist: Zuflüsse bedeuten Käufe, wodurch die Kurse wahrscheinlich steigen und damit eine positive Portfolioperforman- ce verursachen. Betrachtet man die kumu- lierte Performance bei Zu- und Abflüssen, dann sieht man, dass die Auswirkungen auf die Performance konträr verlaufen und fast vorbestimmt sind. Nirgendwo wird zudem das Standardmaß für die Prognosegüte und Passgenauigkeit eines Modells, das adjus- tierte R², bekannt gegeben. Lioui dazu: „Es wäre interessant, sich den Grenzbeitrag der Flows für die Erklärung der Renditen der Long-/Short-Portfolios anzusehen.“ Ein vorläufiger Nachweis der Perfor- mance von CO 2 -Long-/Short-Portfolios un- ter Verwendung der klassischen fünf Fama- French-Faktoren wäre vonnutzen, um abzu- schätzen, wie verlässlich das dokumentierte Alpha ist. So wäre es günstig für die Sicht der Autoren gewesen, falls sich der Erklä- rungsgehalt der traditionellen Faktoren ver- ringert und sich folglich das Alpha des Port- folios noch stärker erhöht hätte. Auch sucht man eine Querschnittsanalyse und deren Ergebnisse vergeblich. Aus all diesen Grün- CO 2 -Emissionen und Aktienrenditen Sechs Regressionsanalysen zeigen: Hoher beziehungsweise steigender CO 2 -Ausstoß bedeutet höhere Aktienrenditen. PANEL A: GEGENWÄRTIGE GESAMTEMISSIONEN VARIABLE (1) (2) (3) (4) (5) (6) LOG (SCOPE 1 gesamt) 0,060** 0,193*** (0,022) (0,044) LOG (SCOPE 2 gesamt) 0,120** 0,199*** (0,044) (0,057) LOG (SCOPE 3 gesamt) 0,172*** 0,358*** (0,049) (0,084) … Jahr/Monatsfixe Effekte Ja Ja Ja Ja Ja Ja Industriefixe Effekte Nein Nein Nein Ja Ja Ja Anzahl der Beobachtungen 190.548 190.476 190.644 190.548 190.476 190.644 R² 0,197 0,197 0,197 0,200 0,200 0,200 PANEL B: WACHSTUMSRATE DER GESAMTEMISSIONEN VARIABLE (1) (2) (3) (4) (5) (6) Veränderung von SCOPE 1 0,721*** 0,725*** (0,211) (0,195) Veränderung von SCOPE 2 0,429** 0,424** (0,181) (0,179) Veränderung von SCOPE 3 1,305*** 1,329*** (0,419) (0,419) … Jahr/Monatsfixe Effekte Ja Ja Ja Ja Ja Ja Industriefixe Effekte Nein Nein Nein Ja Ja Ja Anzahl der Beobachtungen 158.096 158.000 158.168 158.096 158.000 158.168 R² 0,212 0,212 0,212 0,215 0,215 0,215 In Panel A wird der Einfluss der Höhe der CO 2 -Emissionen, gemessen an SCOPE 1 bis 3 (direkte bis weit definierte indirekt zuordenbare Emissionen) einer Firma auf deren Rendite untersucht. Es zeigt sich, dass in allen sechs Regressions- rechnungen die Koeffizienten statistisch signifikant positiv ausfallen. Höhere Emissionsniveaus bedeuten also höhere Aktien- renditen. Untersuchungen in Panel B stellen auf die Veränderung des CO 2 -Emissionsniveaus ab. Die Ergebnisse sind durch- wegs ähnlich: Ein erhöhter CO 2 -Ausstoß bedeutet signifikant höhere Aktienrenditen. Standardfehler in Klammern, Signifikanz- niveaus von 90/95/99 Prozent sind mit */**/*** markiert. Untersuchungszeitraum: 2005–2017. Quelle: Studie 114 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NACHHA LT I GK E I T

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