Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

einigkeit von Analystenschätzungen orien- tiert. Sie konnte zeigen, dass diese Wider- sprüchlichkeit der ESG-Ratings stark mit Aktienrenditen korreliert. Die Analyse der EDHEC-Forscher ergab allerdings, dass die Daten wohl nicht der Grund für die unterschiedlichen Erkennt- nisse der Arbeiten von Cheema-Fox und Kollegen sowie Bolton/Kacperczyk sind. Denn die CO 2 -Ausstoß-Daten sind spe- ziell im Fall von Scope 1 und Scope 2 gut definiert. Busch wiederum berichtete 2019 von einer Korrelation von mehr als 98 Pro- zent in Bezug auf die Scope-1- und -2-Da- ten von fünf verschiedenen CO 2 -Datenan- bietern. Oder ist es die Methodik? Wenn die Daten als Fehlerquelle ausschei- den, ist die Methodik ein weiterer möglicher Kandidat. In einer ernüchternden Studie aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Replicating Anomalies“ haben die US-Finanzmarktfor- scher Kewei Hou, Chen Xue und Lu Zhang die Relevanz der wissenschaftlichen Metho- dik aufgezeigt, indem sie einige empirische Verfahrensmuster dokumentierten. Sie sahen sich eine Vielzahl von in den letzten Jahren von Kapitalmarktforschern gefundenen Fak- toren an und zeigten, dass viele davon bei Weitem nicht so robust sind, wie ursprüng- lich angenommen wurde – Grund für die Fehleinschätzungen war stets die angewand- ten Methodik. Lioui verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine amerikanisch- chinesische Arbeit von Guanhao Feng (City University of Hong Kong), Stefano Giglio (National Bureau of Economic Research) und Dacheng Xiu (University of Chicago) aus dem Vorjahr, die den Titel „Taming the Factor Zoo: A Test of New Factors“ trägt. Eine Frage, zwei Antworten Die unterschiedlichen Ergebnisse zweier wissenschaftlicher Arbeiten zum „Green Factor“ bringen Investoren in ein Dilemma. D ie Cheema-Fox-Studie be- rücksichtigte Emissionsdaten amerikanischer und europäi- scher Unternehmen über den Zeit- raum von Juni 2009 bis Dezember 2018. Grundlage waren Werte, die gemäß dem Greenhouse Gas Pro- tocol als sogenannte „Scope-1-“ oder „Scope-2-Emissionen“ einzu- stufen sind. Erstere sind direkte, letztere indirekte Treibhausgasemis- sionen. Die untersuchten Aktien wurden gemäß ihrem Treibhaus- gasausstoß sortiert, anhand dieser Reihung wurde ein Long-/Short- Portfolio gebildet. Diese Vorgangs- weise stellt die übliche Praxis bei der Analyse von Faktoren dar. Das Aktienquintil mit dem geringsten Treibhausgasausstoß wird als gleichgewichtete Long-Position „gekauft“ und dem Aktienquintil mit dem höchsten Treibhausgasausstoß gegenübergestellt, das „leer verkauft“ wird. In Bezug auf die US-Unternehmen bleibt nach Kontrolle im Hinblick auf die acht Risikofaktoren (Markt, Size [SMB], Value [HML], Profitabi- lität [RMW], Investitionen [CMA], Momen- tum [WML] und Öl sowie den Dekarboni- sierungs-Flows ein annualisiertes Alpha zwischen 0,25 und 3,01 Prozent übrig (siehe Tabelle „Grünes Alpha“) . Insgesamt sechs verschiedene Set-ups wurden mithil- fe von Regressionsrechnungen überprüft, und zwar die Auswahl von Einzeltiteln nach Treibhausgasemissionskriterien inner- halb von Industrien, Sektoren und dem Gesamtmarkt, dazu noch die Auswahl von Industrien innerhalb der Sektoren und des Gesamtmarktes sowie die Auswahl von Sektoren nach Treibhausgasemissionen in- nerhalb des Gesamtmarktes. Gegenteiliges Ergebnis Bolton und Kacperczyk untersuchten in ihrer 2019 erstellten Arbeit eine Stichprobe von US-Gesellschaften für den Zeitraum von 2005 bis 2017, gesucht wurde nach dem Zusammenhang zwischen Treibhaus- gasemissionen und den Monatsrenditen. Sie verwenden 25 Portfolios, die nach Größe und Kurs-Buchwert-Verhältnis sor- tiert werden, und analysieren, ob diese CO 2 -Anomalien ein durchgängig auftre- tender Risikofaktor sind. Während die CO 2 -Faktoren dieser 25 Portfo- lios wirtschaftlich erheblich und sta- tistisch signifikant sind, ist der da- zugehörige Marktpreis des CO 2 - Emissionsrisikos nicht signifikant. Verwendet wurden übrigens diesel- ben Emissionsdaten, die auch Alex- ander Cheema-Fox und seine Kol- legen berücksichtigten, allerdings wurden sie um die „Scope-3-Wer- te“ ergänzt. Diese umfassen weite- re indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette und stellen oft den größten Anteil – teilweise bis zu 90 Prozent – der Treibhausgas- emissionen eines Unternehmens dar. Erstaunlicherweise sieht das Ergebnis ihrer Untersuchung völlig anders aus als jenes von Cheema- Fox. Ihre Auswertung ergab am Ende, dass höhere Emissionswerte eine positive Auswirkung auf die Aktienrenditen haben. Dies gilt sowohl für das Emissionsniveau von Treibhausgasen als auch für relative Veränderungen. Das heißt, die Erhöhung des Emissionsniveaus verbessert die Ren- dite (siehe Tabelle „CO 2 -Emissionen und Aktienrenditen“) . Dies ergibt sich aus Regressionsrechnungen, die als abhängi- ge Variablen die Aktienrendite verwenden. Bolton und Kacperczyk prüften auch, ob die Emissionsrisikoprämie nicht durch andere Faktorprämien wie Markt, Value und Size erklärt werden kann, und ge- langten zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist. CO 2 -Emissionen: Bisher ist es nicht überzeugend gelungen, positive oder negative Renditeeinflüsse festzustellen. FOTO : © WE S TW I ND | S TOCK . ADOB E . COM 112 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : NACHHA LT I GK E I T

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