Institutional Money, Ausgabe 1 | 2020

Variante des Faktors „Quality“ und nur für 28 Prozent ein eigenständiger Faktor (siehe Grafik „Eine Frage der Zugehörigkeit“). ESG-Portfolios unter der Lupe Invesco beließ es aber nicht dabei und wollte von jenem Drittel der Investoren, die angaben, ihre nach Nachhaltigkeitskriterien ausgewählten Wertpapiere selbst einer ge- naueren Faktoranalyse unterzogen zu ha- ben, mehr Details über ihre Erkenntnisse erfahren. Von dieser Investorenuntergruppe gaben 70 Prozent an, dass sie bei ihrem ESG-Portfolio positives Quality-Faktor-Ex- posure haben, also bei Qualitätsaktien über- gewichtet sind. Demgegenüber gaben nur vier Prozent an, Qualitätstitel in ihren ESG- Portfolios unterzugewichten. Mit Abstand folgen die Faktoren Momentum (38 %) und Low Volatility (36 %, Mehrfachnennungen möglich). Spiegelbildlich nannten diese In- vestoren bei ihren ESG-Papieren negatives „Exposure“ und damit Untergewichtungen bei den Faktoren Value (53 %) und Liqui- dity (37 %). Eine Erklärung dafür könnte sein, dass beispielsweise groß kapitalisierte Lebensmittel- oder Pharmakonzerne Inves- toren als „Quality“-Aktien aufgrund ihrer stabilen Dividendenausschüttungen und schwankungsarmen Kursverläufe als Ren- tenersatz dienen. Diese hochwertigen Unter- nehmen verfügen häufiger über eine posi- tive ESG-Einschätzung als beispielsweise die seit Jahren an Kursschwäche leidenden Firmen aus Sektoren wie Automobil, Roh- stoffe oder zyklische Industrie, die eher dem Value-Segment zugerechnet und als „alte Industrie“ als weniger nachhaltig erachtet werden. Steigendes Interesse an Renten Nicht nur im Aktienbereich gewinnen Faktorstrategien an Bedeutung. Immer mehr Investoren wollen die Vorteile des Ansatzes auch bei Renten nutzen. Dabei sind es vor allem Akteure, die bereits mit Faktorstrate- gien bei Aktien (positive) Erfahrungen sam- meln konnten. Invesco-Experte Elsässer hält das für einen Trend: „Die Ergebnisse der diesjährigen Befragung signalisieren, dass die Nachfrage nach Faktorstrategien für den Anleihenbereich mit der zunehmenden Er- fahrung der Investoren weiter zunehmen wird.“ Verkürzt könnte man sagen: Wer glaubt, dass man mit Faktoransätzen imAk- tienbereich gut fährt, unterstellt dies auch für den Bondbereich. Die gemessene Zu- stimmungsrate stieg von 2018 auf 2019 von 62 auf 70 Prozent. Dabei dürfte auch die Zinslandschaft Renteninvestoren zum Be- schreiten neuer Wege und zur Beschäfti- gung mit Faktoransätzen in diesem Seg- ment motivieren. Die Suche nach Rendite führt dazu, dass 64 Prozent der befragten Investoren den Faktor „Rendite/Carry“ auf Platz eins gehievt haben. Auf den Folgeplät- zen rangieren Liquidity, Value und Quality (54 %, 46 % beziehungsweise 42 %). Kritik der Anleger Die Investoren übten aber auch Kritik. Einerseits vermissen sie eine einheitliche Begrifflichkeit bei Faktoren im Renten- bereich. Darüber hinaus schafft auch die Übernahme der Faktornamen aus dem Aktien- in das Anleihenuniversum „Kon- fusionspotenzial“. In der Invesco-Studie wird das anhand der Performance des „Qua- lity“-Faktors beispielhaft angeführt: So wer- den bei Aktien unter „Quality“ Unterneh- men verstanden, die wenig Schulden, stabi- les Ertragswachstum und Profitabilität auf- weisen. Bei Anleihen weisen „Quality“- Emissionen eine niedrige Volatilität sowie geringe Restlaufzeiten und niedrige Default- Risiken aus. Investoren hinterfragten in den vertiefenden Interviews, ob und inwieweit die mit dem Quality-Faktor beider Anlage- universen gemessene Performance mitein- ander in Beziehung stünden. Aber auch Kritikpunkte wie der hohe Research- und Datenaufwand sowie Schwierigkeiten bei der Preismodellierung aufgrund der man- gelnden Börsennotiz vieler Anleihenemis- sionen sprachen Investoren in den Inter- views an. Vielleicht sind das auch die Grün- de dafür, dass es auf der Produktseite bei Renten – verglichen mit Aktien – an einer breiteren Angebotspalette mangelt. Rund 90 Prozent der Befragten monierten ein zu geringes Produktangebot. Aus der Sicht der Produktanbieter besteht hier also einiger Nachholbedarf – man darf davon ausgehen, dass sich das schon in nächster Zeit ändern wird. ANTON ALTENDORFER Faktor-Exposure von ESG-Portfolios Nachhaltige Portfolios neigen zu Übergewichtungen bestimmter Faktoren. Jene Profianleger, die ihre ESG-Portfolios dahingehend analysierten, welchen Faktor-Bias diese tendenziell aufweisen, gewichten am öftesten den Quality-Faktor (70 % der Nennungen) über. Invesco bezeichnet dies als „Positives Exposure“. Aber auch Momentum und Low Volatility werden oftmals übergewichtet (Mehrfachnennungen möglich). Untergewichtet („Negatives Exposure“) ist bei ESG-Portfolios beispielsweise der Faktor „Value“. Quelle: Studie Positives Exposure Negatives Exposure Liquidity Yield/ Carry Size Quality Momentum Low Volatility Value 53 % 18 % 33 % 36 % 27 % 38 % 4 % 70 % 29 % 30 % 2 % 2 % 37 % 15 % » Die Nachfrage nach Faktorstrategien für den Anleihenbereich wird mit der zunehmenden Erfahrung der Investoren weiter zunehmen. « Georg Elsässer, Senior Portfolio Manager, Quantitative Strategies bei Invesco 106 N o. 1/2020 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : FAK TOR- I NVE S TMENT S

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