Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

Faktor eine Rolle. Dort ist das Vermögen so ungleich verteilt wie eigentlich kaum anderswo auf der Welt. Viele Leute suchen eine Wohnung, bekommen aber keine an- gesichts astronomisch hoher Immobilien- preise. Im Falle einer weltweiten Rezession oder bei noch Schlimmerem wären die Leu- te alle auf der Straße und würden streiken. Das wäre wahrscheinlich politisch nicht mehr einzufangen. Hieße das, dass aus diesen Gründen Inves- toren davon ausgehen können, dass die nächsten 30 Jahre weniger zyklisch verlau- fen werden als derzeit? Jens Ehrhardt: Richtig. Die Notenbanken werden alles versuchen, eine Rezession zu verhindern. Das heißt: Alles wird weiter stimuliert werden. Ein Vergleich des ame- rikanischen Bruttoinlandsprodukts mit und ohne schuldenfinanzierte Stimuli zeigt, dass im Grunde alles durch Schulden aufgebläht ist. Das ist auch ein internationales Phäno- men. Wie ich schon vorher erwähnt habe, braucht es diese Unterstützungsmaßnah- men. Auch Deutschland und seine Export- wirtschaft werden über den billigen Euro stimuliert. Das bringt zwar relativ gutes Wachstum, ist aber total einseitig. Denn wenn einmal die Weltwirtschaft zu- sammenbricht, dann wird Deutschland am allermeisten von allen leiden. Weil Deutsch- lands Achillesferse ist die wahnsinnig hohe Exportquote, die das Land vom Welthandel abhängig macht. Die Amerikaner, die Japa- ner, die Chinesen, die haben nicht so hohe Exportquoten wie wir Deutschen. Diese Länder haben so um die 15 Prozent, zum Teil auch weniger. Da die Chinesen dieses Mal keine großen Konjunkturpakete lancie- ren, mehr auf den Binnenkonsum setzen und damit weniger exportieren werden, könnte es in Deutschland zu Enttäuschun- gen kommen. Selbst die deutsche Auto- industrie steht vor schwierigen Zeiten, denn die Chinesen kupfern ausländische Techno- logien ab und bauen in der Folge Autos sel- ber und günstiger. Wäre angesichts dieser herausfordernden Zukunft für Deutschland nicht ein Staats- fonds gut? Jens Ehrhardt: Ja genau. Die Deutschen hät- ten schon einen riesigen Staatsfonds haben können. Dieser wäre größer als jener von Norwegen, Singapur oder Saudi-Arabien – wenn Deutschland bei der D-Mark geblie- ben und sein Geld nicht im Euro verpulvert hätte. In diesem Fall hätte Deutschland sei- ne Exportüberschüsse in Devisen oder Gold investiert, damit die eigene Währung nicht zu weit steigt. Wenn wir nicht den Euro hätten, dann hätte Deutschland jetzt einen riesigen Staatsfonds. Nun kommen Leute auf die Idee, beispielsweise Robert Habeck von den Grünen, die einen Staatsfonds vor- schlagen. Dieser Fonds soll dann Kredite aufnehmen und mit diesem Geld witziger- weise internationale Aktien kaufen. Also Papiere wie Apple oder auch Volkswagen – also nicht allein solide Finanzen. Ist Deutschland fit genug für die Zukunft? Jens Ehrhardt: Im Grunde zerstören sich die Deutschen gerade selber. So schädigen die jüngst stattgefundenen Proteste vor der Frankfurter Automobilausstellung Deutsch- lands Hauptwirtschaftszweig. Wir danken für das Gespräch. ANTON ALTENDORFER » Im Grunde zerstören sich die Deutschen gerade selber. « Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital A L L E F OTO S : © MA R L E N E F RÖH L I CH 68 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : J ENS EHRHARDT | DJ E KAP I TAL AG

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