Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

grund etwas niedrigerer Schulden des Pri- vatsektors seit der Krise sollten Banken hier kaum Probleme bekommen – aus dieser Ecke kann es diesmal nicht kommen. Was ist mit den Unternehmen? Jens Ehrhardt: US-Unternehmen haben ihre Verschuldung in den letzten Jahren stark erhöht. Am höchsten und kritischsten ist die Verschuldung aber bei chinesischen Unter- nehmen. Aus diesem Grund warnen viele Crash-Gurus vor den negativen Folgen dieser hohen Schulden in China. Ich halte diesbezüglich immer dagegen und weise darauf hin, dass hinter drei Viertel dieser Schulden der chinesische Staat steht. Und der Staat kann über seine Notenbank Geld drucken. Wenn diese beiden Institutionen zusammenarbeiten, kann gar nichts schief- gehen und China wird auch in den kom- menden Jahren wachsen Die entscheidende Frage lautet: Bei wem ist man verschuldet beziehungsweise kön- nen Ausländer Gelder abziehen? Jens Ehrhardt: Das stimmt. Das war beispiels- weise nach dem Ersten Weltkrieg bei Deutschland der Fall, als die Amerikaner von hier ihre Gelder abzogen. Wenn das Ausland Geld abzieht, ist das immer schlecht. Aber in China sind derzeit nur zir- ka drei Prozent der Aktien und Anleihen in ausländischer Hand. Da macht es überhaupt nichts, wenn Ausländer verkaufen würden. Die Chinesen sind nicht abhängig vomAus- land. Zurück zu den US-Unternehmen. Diese kaufen ja auf Kredit eigene Aktien zurück. Jens Ehrhardt: Ja, die Verschuldung der US- Unternehmen ist gestiegen und liegt auf einem historischen Hoch. Das kann man beispielsweise anhand des Verhältnisses von Schulden zu Größen wie EBITDA, Gewinn oder Cashflow oder auch zum BIP oder zur Börsenkapitalisierung messen. Aber in einer Krise gehen Gewinne sowie freie Cash- flows und damit die einsetzbaren Gelder für Aktienrückkäufe zurück, und dann steigen die Verschuldungsquotienten stark an. Das war beispielsweise von 2007 bis 2009 wie auch von 2000 bis 2002 der Fall. Jetzt sind wir noch nicht einmal in einer Rezessions- phase und die Verschuldungsquotienten sind hoch. Und selbst diese Zahlen sind nur eine Durchschnittsbetrachtung. Denn für die Messung werden sämtliche Unternehmens- schulden addiert, und diese Summe wird ins Verhältnis zum BIP gesetzt. Dabei wird aber übersehen, dass viele Tech-Unterneh- men sehr hohe Cashbestände haben, die das Durchschnittsergebnis positiv verzerren. Auf Basis einer Medianbetrachtung liegt die Unternehmensverschuldung hingegen auf einem viel höheren Niveau, weit über den früheren Hochs. Amerikas Achillesferse liegt wahrscheinlich wirklich bei den Unternehmen. Aber das würde erst bei einer Rezession schlagend werden. Ich glaube, dass die Notenbank aus diesem Grund versuchen wird, eine Rezes- sion zu vermeiden. Auch die Regierung wird wahrscheinlich noch mehr Defizit in Kauf nehmen. Meiner Einschätzung nach wird man zukünftig versuchen, eine Rezes- sion zu verhindern, weil diese wahrschein- lich von öffentlichen Protesten begleitet würde. Einen Vorgeschmack darauf liefern die Gelbwesten-Proteste in Frankreich. Wenn heute die Jugendlichen schon wegen des Klimas demonstrieren, dann kann man sich wohl vorstellen, was alles auf den Stra- ßen los ist, wenn die Eltern auch noch ar- beitslos werden. Die Politiker wissen das und haben davor große Angst. Gestreikt wird ja auch in Hongkong … Jens Ehrhardt: Auch in Hongkong spielt bei den Demonstrationen ein wirtschaftlicher » Meiner Einschätzung nach wird man zukünftig versuchen, eine Rezession zu verhindern, weil diese wahrscheinlich von öffentlichen Protesten begleitet würde. « Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital A L L E F OTO S : © MA R L E N E F RÖH L I CH 66 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : J ENS EHRHARDT | DJ E KAP I TAL AG

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