Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

Das erklärt auch die geldpolitische Kehrt- wende der Fed. Jens Ehrhardt: Richtig. Die Amerikaner gehen bei ihrer Geldpolitik wieder voll in die Gegenrichtung – immerhin gab es davor eine Fed-Bilanzverkürzung in Höhe von 700 Milliarden US-Dollar. Sie steckten unlängst eine dreistelligen Milliardenbetrag in den Repo-Markt und kauften Anleihen auf. Das zeigt sich bei der Fed-Bilanz, die wieder rund 200 Milliarden mehr an Wert- papieren enthält. Zusätzlich werden jeden Monat bis Ende des zweiten Quartals nächsten Jahres 60 Milliarden an Papieren vom Markt genommen. In Summe wird dann die Fed-Bilanz um mehr als eine halbe Billion US-Dollar schwerer. Wird all dies nicht irgendwann zu Inflation führen? Jens Ehrhardt: Das ist die Frage. In der Ver- gangenheit lösten die Ankündigungen der Notenbank, Anleihen zu kaufen, Inflations- ängste aus und führte entgegen den Erwar- tungen vieler Marktteilnehmer, nicht zu niedrigeren, sondern ganz im Gegenteil zu etwas höheren Zinsen. Dass es irgendwann wieder höhere Inflationsraten gibt, ist nicht ganz auszuschließen. Ich sehe das derzeit aber nicht als unmittelbare Gefahr vor der Tür. Könnte man vor dem Hintergrund hoch verschuldeter Staaten, die sich gern über Inflation ihrer Schulden entledigen wollen, nicht annehmen, dass die Notenbanken selbst bei wesentlich höheren Inflations- raten als heute diese nur als „temporär“ betrachten und die Leitzinsen trotzdem nicht adäquat erhöhen, um diese steigende Infla- tion zu bekämpfen? Wie sehen Sie das? Jens Ehrhardt: Die Notenbanken streben ja sogar Inflation an: zwei Prozent. Ich denke, wenn es vier Prozent Inflation wären, würden sie auch nicht zu bremsen begin- nen. Die Inflationsraten lagen so lange unter der Zielmarke von zwei Prozent – da könn- ten sie auch eine Zeit lang über zwei Pro- zent sein. Angesichts einer üppigen Geldversorgung sieht es ja für nächstes Jahr nicht so schlecht aus – oder kommt doch eine Rezession? Jens Ehrhardt: Die augenblicklichen Diskus- sionen über die Rezession sind etwas, das in der Vergangenheit in dieser Intensität eigentlich so nie stattfand. Die Rezessionen der Nachkriegszeit wurden von den Noten- banken nirgendwo rechtzeitig erkannt – auch nicht von der Presse und der Allge- meinheit. Dieses Mal erwarten in Deutsch- land die meisten eine Rezession und be- fürchten, dass wegen des schlechteren Welt- handels alles den Bach runter geht. Ich hin- gegen glaube nicht, dass wir nächstes Jahr eine Rezession bekommen. Ich glaube, wir erleben sogar im nächsten Jahr konjunktu- rell positive Überraschungen. Können Sie das näher erläutern? Jens Ehrhardt: Im Endeffekt ist es so, dass dieses Mal viele die Rezession schon er- wartet haben, bei ihren Investitionen ent- sprechend vorsichtig waren und nicht wie damals vor der Finanzkrise in den Jahren 2006/2007 mit Volldampf investierten. Da- mals war ja jeder optimistisch, die Unter- nehmer hatten groß investiert, und alle » Eine Anleihe nur zu kaufen, weil der Zins noch negativer werden kann und man hofft, dass dadurch der Kurs steigt – das ist schlimmer als Aktienspekulationen seinerzeit am Neuen Markt « Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital A L L E F OTO S : © MA R L E N E F RÖH L I CH 62 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : J ENS EHRHARDT | DJ E KAP I TAL AG

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