Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

vency-II-Regime, davon nutzten 73 die Standardformel. Nach diesem Zahlenwerk sieht die Solvenz der Versicherungsunter- nehmen hervorragend aus und steigt sogar seit Anfang 2016 (Inkrafttreten der Solven- cy-II-Richtlinie) von Jahr zu Jahr. So betrug die Bedeckungsquote der deutschen Lebens- versicherer Ende 2018 satte 461 Prozent. Haben wir also eine starke Überdeckung und keine angestrengte Lage angesichts der extrem niedrigen Zinsen? „Es gibt Versicherer, die stehen ziemlich mit dem Rücken zur Wand, und die Ände- rung der Formel für die Zinszusatz- reserve hat sie gerade so vor der Ka- tastrophe gerettet“, meint ein Experte, der nicht genannt werden möchte. Angesichts solcher Diskrepanzen stellt sich die Frage, ob die Kennzahl der Bedeckungsquote ein geeigneter Kom- pass ist. Sie „gibt das Verhältnis der verfügbaren zu den aufsichtsrechtlich gefor- derten Eigenmitteln an“, erläutert Jörg von Füstenwerth, Vorsitzender der Geschäfts- führung des GDV, aber er schränkt auch ein: Bestimmte, komplexe Fragen ließen sich nicht mit einer einzigen Zahl wie der Bedeckungsquote beantworten. Fakt ist: Durch die unter Solvency II geforderte marktkonsistente Bewertung schwankt die Bedeckungsquote mit den Entwicklungen am Kapitalmarkt auch dann, wenn es handelsrechtlich kaum Bewegun- gen gibt. Außerdem nehmen einzelne Un- ternehmen Übergangsregelungen in An- spruch oder verwenden ein internes Modell, was den Vergleich von Versicherer zu Ver- sicherer ebenfalls erschwert. Dass aber die Lebensversicherungsunter- nehmen nicht ganz so gut im Saft stehen, wie die Bedeckungsquoten suggerieren, ist klar. „Das mag bei einer HGB-Betrachtung so aussehen, aber auch diese Versicherer zeigen eine Solvenzquote von über 100“, verweist Zielke auf die Unterschiede zwi- schen der HGB-Welt und der Fair-Value- Bewertung im Solvency-II-Regime. „Es wäre verkürzt, nur auf die Bedeckungsquote zu schauen“, meint Zielke und erklärt, wie er die Sache sieht: „Es gibt Versicherer, die haben eine Bedeckungsquote von über 600, aber ihre Kapitalanlage ist nicht wirklich nachhaltig, weil sie womöglich nur Staats- anleihen halten, die sie vor mehreren Jahren gekauft haben. Bei Fälligkeit und Wieder- anlage erhalten sie dann nur noch Staats- anleihen mit einem sehr niedrigen Kupon. Da fühle ich mich mit einem Versicherer wohler, der vielleicht nur eine Bedeckungs- quote von 200 hat, aber eine Aktienquote von zehn Prozent.“ Man müsse sehr genau schauen, wie die Bedeckungsquote eines Versicherers zustandekommt. Fest steht: Je weiter der Zins sinkt und je länger die Niedrigzinsphase andauert, desto größer wird die Herausforderung für die Versicherer. Zwar bauen sie Neugeschäft mit weniger belastenden Garantien auf, aber „Änderungen am Neugeschäft wirken lang- sam“, sagte Schaumlöffel auf der BaFin- Konferenz. Pensionskassen hätten immer noch eine durchschnittliche Garantie von etwa drei Prozent und Lebensversicherer von etwas unter drei Prozent zu erfüllen. Die Versicherer haben sich an die Verhält- nisse angepasst und etwa den Anteil der Kapitalversicherungsverträge mit Garantie drastisch gesenkt – von 55,6 Prozent (2001) auf 24,6 Prozent (Ende 2018). Auf der an- deren Seite haben sie den Anteil der fonds- gebundenen Kapital- und Rentenversiche- rungen beträchtlich ausgeweitet: von 5,7 Prozent (2001) auf 17,8 Prozent (Ende 2018). Aber offenbar schmecken die kapi- talmarktnäheren Produkte den Kunden we- niger. So ist der Bestand an Lebensversiche- rungsverträgen rückläufig. In den absoluten Hochzeiten hatten die Deutschen noch 97,2 Millionen Lebensversicherungsverträ- ge (2007), während sie Ende 2018 nur noch 87,2 Millionen hielten. Die Versicherer sind also wohl noch nicht am Ende ihres Trans- formationsprozesses. ANKE DEMBOWSKI FOTO : © UN I V. L E I P Z I G » Bei Rentenanlagen schauen die Versicherer schon mehr als früher, was international möglich ist. « Prof. Fred Wagner, Professor für Versicherungsbetriebslehre an der Universität Leipzig Solvabilität in der Lebensversicherung Die Bedeckungsquoten steigen von Jahr zu Jahr an. VU unter Anwender Be- Auf das SCR an- Solvenz- Solvency II Standardformel deckungs- rechnungsfähige kapitalan- Stichtag (Anzahl) (Anzahl) quote Eigenmittel forderung (SCR) 1. 1. 2016 84 77 283 % 108,8 Mrd. Euro 38,4 Mrd. Euro 31. 12. 2016 84 73 344 % 120,6 Mrd. Euro 35,1 Mrd. Euro 31. 12. 2017 83 72 401 % 126,3 Mrd. Euro 31,5 Mrd. Euro 31. 12. 2018 84 73 461 % 126,4 Mrd. Euro 27,4 Mrd. Euro Die Bedeckungsquote gibt das Verhältnis der verfügbaren zu den aufsichtsrechtlich geforderten Eigenmitteln an. Sie allein ist allerdings nicht aussagekräftig, um die nachhaltige Stabilität eines Versicherers zu beschreiben. Quelle: GDV Erstversicherer investieren stärker in Alternatives Große Zuwächse fanden im Bereich Private Equity statt. (In Mrd. Euro; Anteil an den Kapitalanlagen in Prozent) Anlagearten 2005 2010 2015 2017 2018 Private Equity 2,9 (0,3) 7,8 (0,6) 14,9 (0,9) 18,8 (1,2) 21,5 (1,4) Asset Backed Securities und Credit Linked Notes 12,6 (1,3) 13,5 (1,2) 11,1 (0,8) 10,5 (0,8) 9,9 (0,7) Hedgefonds 4,2 (0,4) 5,5 (0,5) 2,8 (0,2) 3,8 (0,3) k. A. Anlagen mit Rohstoffrisiken k. A. k. A. 2,3 (0,2) 3,4 (0,3) k. A. Unter den alternativen Anlagen ergibt sich ein heterogenes Bild: Während der Anteil in Asset Backed Securities und in Hedgefonds rückläufig war, ist der Anteil der Private-Equity-Anlagen stark gestiegen, allerdings von einem niedrigen Niveau aus. Quelle: GDV 244 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : VE R S I CHE RUNGEN

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