Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

D ie Meldung, wonach die deutsche Finanzmarktauf- sicht BaFin die Versicherer zu einem Protest gegen die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zen- tralbank anstachelte, ließ aufhorchen. Ein solcher Appell durch eine Behörde ist unge- wöhnlich und lässt Schlimmes befürchten. Frank Grund, Exekutivdirektor der Be- hörde, sprach ihn Ende Oktober anläss- lich einer Veranstaltung der Institution aus: „Es ist ein Punkt erreicht, an dem die Marktteilnehmer sehr deutlich ma- chen sollten, wie stark die niedrigen Zinsen mittlerweile ihr Geschäftsmodell und damit ihren Beitrag zur kapitalge- deckten Altersversorgung gefährden.“ Die BaFin selbst werde die Versicherun- gen und Pensionskassen aus diesem Grund noch genauer überwachen. Grund: „Die Situation von Lebensversicherern und Pensionskassen erfordert in diesen Jahren, dass wir unsere Kontrolle verstärken.“ Zwar hätten viele Unternehmen auf die Situation reagiert, es gebe aber auch solche, so warnt der Finanzmarktwächter, „bei denen die bereits ergriffenen Maß- nahmen möglicherweise nicht aus- reichen, um ihre Verpflichtungen dauerhaft erfüllen zu können.“ Kay Schaumlöffel, der bei der BaFin die Lebensversicherer und Pensions- kassen überwacht, spricht auf der BaFin-Konferenz sogar davon, dass „die Anzahl der Unternehmen, die wir unter intensivierte Aufsicht nehmen, sich signifikant erhöhen wird“. Aus dem Fachpublikum kam die Bitte, solche Aussagen doch lieber nicht nach außen zu thema- tisieren. Da merkt man: Es brodelt! Und wenn Deutschlands Versiche- rer ein Problem haben, dann hat Deutschland ein Problem. In der Erstversicherung haben die Unter- nehmen Kapitalanlagen von fast 1,4 Billionen Euro, dahinter stehen knapp 438 Millionen Verträge. Ultrakonservativ Dass die tiefen Zinsen ein solches Pro- blem sind, liegt bekanntlich an der Struktur der Kapitalanlagen von Versicherern, ins- besondere jener von Lebensversicherungen. Die Portfolios sind ultrakonservativ ange- legt (siehe Chart „Struktur der Kapitalan- lagen der Versicherungswirtschaft“) . Ende 2018 bestanden sie zu 84,5 Prozent aus Anleihen; nur 13,8 Prozent entfielen auf Realwerte. Seit der Finanzkrise sah man aber die bei Weitem größten Wertzuwächse bei Immobilien, Aktien und Beteiligungen – trotz der gestiegenen Anleihenkurse. Leider machten Aktien im Schnitt aber nur 4,8, Immobilien 3,3 und Beteiligungen 5,7 Pro- zent der Portfolios aus. Fred Wagner, Professor für Versiche- rungsbetriebslehre an der Universität Leip- zig, kommentiert die Kapitalanlage der Ver- sicherer so: „Es gibt für Lebensversicherer zwei Herausforderungen, passende Kapital- anlagen zu finden: Sie müssen zum einen eine hinreichend hohe Erwartungsrendite erwirtschaften und zum anderen die Kapi- talanlagerisiken beschränken, sodass nicht zu hohe Eigenkapitalanforderungen entstehen. Bei den Rentenanlagen schauen die Versicherer schon mehr als früher, was international – bei- spielsweise in Emerging Markets – möglich ist. Durch den Search for Yield gewinnen Immobilien auf breiter Front an Gewicht. Aktien ebenfalls, aber hier sind die Anfor- derungen an die Kapitalunterlegung sehr hoch, auch wenn sie in be- stimmten Fällen von 39 auf 22 Pro- zent abgesenkt wurden. Außerdem mischen die Versicherer vermehrt alternative Assets bei, beispiels- weise Private Equity, Private Debt, Infrastruktur und erneuerbare Ener- gien. Eine Herausforderung ist dabei, selbst in der Lage zu sein, eine Risikoanalyse vorzunehmen; Die deutschen Versicherungsunternehmen passen ihre Geschäftsmodelle dem Niedrigzinsumfeld an, indem sie weiter fondsgebundene Tarife forcieren und sich im Rahmen der Möglichkeiten darum bemühen, in der Kapitalanlage die Diversifikation zu erhöhen. Entwicklung der Versicherungsbeiträge Die deutsche Versicherungsbranche freut sich über ein stabiles Wachstum. Allerdings sind die Zuwächse der Kapitallebensversicherung, des ehemali- gen Paradeprodukts, nicht mehr so hoch wie früher, sondern die Zuwächse stammen insbesondere aus der Schaden-/Unfallversicherung, aus privaten Kran- kenversicherungs-Zusatztarifen und der betrieblichen Altersvorsorge. Quelle: GDV 0 50 100 150 200 2018 2015 2010 2005 158,0 Mrd.Euro 202,4 Mrd.Euro Mrd. Euro P rivate Krankenversicherung Schaden-/Unfallversicherung** Lebensversicherung* FOTO : © Z I E L K E R E S E A RCH, K I E F E R P I X | S TOCK . ADOB E . COM » Ein langfristig ausgerichtetes Wachstumsportfolio sollte mehr Aktien und Immobilien enthalten. « Dr. Carsten Zielke von der Zielke Research Consult GmbH in Aachen Grund zur Sorge? 242 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : VE R S I CHE RUNGEN

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