Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

zial ihres Anlagemix ausschöpfen können. Die historisch tiefen Erträge sind demnach marktbedingt und nicht das Resultat schlechter Vermögensbewirtschaftung. „Mit den gewählten Vermögenszusammensetzun- gen der Kassen waren nur bedingt höhere Erträge möglich“, so Rothacher. Zu viele Schrauben Ganz aus der Verantwortung entlässt der Complementa-Chef die Kassen jedoch nicht. Die Consulter haben nämlich zu Ver- gleichszwecken neben den tatsächlich er- folgten Investmententscheidungen zwei simple alternative Allokationsstrategien ent- worfen: zum ersten eine „Rebalancing-Stra- tegie“. Diese läuft darauf hinaus, dass man beispielsweise eine Vermögensallokation aus dem Jahr 2012 nimmt, diese ins Jahr 1995 zurückversetzt und dann dem histori- schen Marktverlauf entsprechend laufen lässt. Die einzelnen Positionen werden am Ende jedes Jahres auf den anfänglichen An- teil im Portfolio zurückgesetzt, somit bleibt die ursprüngliche Strategie erhalten. Dieser Ansatz wurde für die Allokation jedes Jah- res durchgespielt, wodurch sich 24 ver- schiedene Varianten ergeben. Der durch- schnittliche Jahresertrag dieser Rebalan- cing-Strategie liegt bei 4,7 Prozent. Als Vergleichsstrategie hat man einen Buy-and-Hold-Ansatz gewählt. Analog zum ersten Versuchsset wurden die Allokationen jedes Jahres ins Jahr 1995 zurückversetzt, die Gewichtung wurde dann aber im zeit- lichen Verlauf nicht rebalanciert, sondern konnte sich über die Jahre dem Marktverlauf entsprechend frei entfalten. Die durchschnittliche Jah- resperformance dieser Buy-and- Hold-Strategie beläuft sich auf 4,5 Prozent. Hält man diesen Strategien nun das 1995er-Portfolio gegenüber, ver- knüpft es mit denselben Indizes wie die beiden vorigen Strategien und rekalibriert die Vermögensstruktur so, wie sie historisch tatsächlich er- folgt ist, ergibt sich eine synthetische Jahresperformance von 4,0 Prozent – also ein Ertrag, der relativ deutlich unter den beiden einfacheren Strate- gien liegt. Laut Studienleiter Jürgen Rothmund erklärt sich die Under- performance damit, dass „das Vor- dringen in neue, teils auch alternati- ve Anlagesegmente oft nach guten Anlage- jahren in den jeweiligen Segmenten stattge- funden hat. Dieses prozyklische Verhalten hat sich negativ auf die Rendite ausgewirkt. Bei Strategieanpassungen ist deshalb beson- ders darauf zu achten, nicht per se auf kürz- lich gut gelaufene Pferde zu setzen.“ Nun ist für eine Pensionskasse in der Re- gel das Risiko-Rendite-Verhältnis immens relevant. Kann das Risiko eingedämmt wer- den, so sind Abstriche beim Ertrag argu- mentierbar – und natürlich auch nicht zu vermeiden. Doch auch diese Rechnung ging in den vergangenen Jahren nur bedingt – und im Vorjahr gar nicht – auf (siehe Grafik „Riskante Richtung“) . Sieht man sich näm- lich die hochgerechneten Anlagemixe der vergangenen Jahre mit ihren gestiegenen Alternative-Engagements an, so fällt auf, dass diese vom – in Volatilität gemessenen – Risiko her immer weiter nach rechts wandern. 2018 reduziert sich aufgrund des rückläufigen Aktien-Exposures zwar das Risiko wieder etwas, dafür geht auch der Ertrag zurück. Stress-Szenarien Angesichts der gestiegenen Risiken ist natürlich die Frage nach Krisenszenarien und Stresstests unvermeidlich. Tatsächlich hat Complementa diverse Risikoszenarien durchgespielt, in denen abgebildet wird, mit welchen Deckungsgraden zu rechnen wäre, wenn sich historische Krisenszenarien aus dem Zeitraum 1970 bis 2018 wiederholten ( siehe Grafik „Was wäre, wenn …“ ). Aus- gangspunkt ist ein per Ende Juni 2019 ge- schätzter Deckungsgrad von 108,5 Prozent. Die Stress-Szenarien wurden neben der historischen Betrachtung mit einem wahr- scheinlichkeitstheoretischen Modell entwor- fen. Gemäß dieser Modelle sind alle zehn Jahre Deckungsgradverluste von rund neun, alle zwanzig Jahre von rund 13 und alle vierzig Jahre von rund 16 Prozent zu erwar- ten. Das Risiko – abermals an der Volatilität gemessen – rührt dabei zu 70 Prozent von Aktien her. Bei alternativem Anlagen, die in diesem Jahr mit 10,0 Prozent ja einen re- kordhohen Anteil am Vermögen aufweisen, entspricht das Risiko mit 9,7 Prozent in etwa der Gewichtung im Portfolio. Risiken höher als 2007 Dieser Anlagemix und die sonstigen Rah- menbedingungen führen jedenfalls dazu, dass der fundamentale Zustand des Schwei- zer Pensionskassensystems schlechter ist als vor der großen Finanzkrise. Denn die Simu- lation zeigt, dass Einflussfaktoren, die 2008 aufgetreten sind, im aktuellen Umfeld ein Absacken des Deckungsbeitrags auf unter 90 Prozent auslösen würden. Im histori- schen Jahr 2008 war bei 91,7 Prozent Schluss, dann erholte sich die Kennzahl wieder. Man kann also nur hoffen, dass der konjunkturelle Gegenwind in nächster Zeit nicht zu rau wird und dass das Seil, auf dem die Branche balanciert, nicht zu sehr in Schwingung gerät. HANS WEITMAYR Was wäre, wenn … Welche Risikoszenarien welche Auswirkungen auf den Deckungsgrad schweizerischer Pensionskassen hätten Würden sich die Marktereignisse von 2008 wiederholen, fiele der durchschnnittliche Deckungsgrad der schweizerischen Pensionskassen im Durchschnitt tiefer, als es vor elf Jahren der Fall war. Quelle: Studie 85 % 90 % 95 % 100 % 105 % 110 % 115 % 120 % 125 % Value at Risk 10 % (alle 10 Jahre) Value at Risk 5 % (alle 20 Jahre) Value at Risk 2,5 % (alle 40 Jahre) erwarteter Deckungsgradverlauf 1974 hypothetischer Deckungsgradverlauf: 1990 1994 2002 2008 2019 Juli Aug Sept Okt Nov Dez 2020 April März Feb Jan 240 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : S CHWE I Z E R P ENS I ONS KA S S EN

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