Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

Dabei zeigt sich, dass der Anteil der Inves- titionen in immaterielle Assets heute zirka doppelt so hoch ist wie jener in klassische materielle Assets, wobei dieses Gap noch weiter aufzugehen scheint. Vor 40 Jahren war es genau umgekehrt, da gab es einen etwa doppelt so großen Anteil an materiel- len als an immateriellen Assets. In absoluten Zahlen ausgedrückt, übertreffen die Investi- tionen in immaterielle Wirtschaftsgüter in den USA 2017 die Marke von zwei Billio- nen US-Dollar. Die Bilanzierungsregeln allerdings sind noch in der Welt des Industriezeitalters ver- ortet und erfordern die sofortige Verbu- chung intern generierter immaterieller Ver- mögensgegenstände als gewinnvermindern- de Ausgabe in der Gewinn-und-Verlust- Rechnung. Diese sind aber seit den späten 80er-Jahren die größten Werttreiber. Diese überaus wichtigen Unternehmensinvestitio- nen spiegeln sich in den Buchwerten der Firmen nicht wider. Unternehmen, die stark in Forschung und Entwicklung, IT, Marken oder Geschäftsabläufe wie beispielsweise Algorithmen investieren, die ihren Kunden automatisierte Kaufvorschläge unterbreiten, erscheinen daher infolge ihrer wenig aus- sagekräftigen Buchwerte als überbewerte Glamour Stocks bei Analyse des KBV. In der Realität wären diese Firmen aber nicht exzessiv bewertet, würde man ihren Buch- wert korrekt messen. Gleiches gilt übrigens auch dann, wenn man zwischen Value und Growth Stocks eine Unterscheidung anhand des Kurs-Gewinn-Verhältnisses trifft. Denn auch der Gewinn wird durch das sofortige gewinnmindernde Verbuchen von immate- riellen Aufwendungen gedrückt, speziell bei Wachstumsfirmen, die einen steigenden Anteil von Investi- tionen in immaterielle Wirt- schaftsgüter aufweisen. Anzu- führen ist hier auch der Un- terschied, den es ausmacht, wenn man zwei ähnliche Unternehmen betrachtet, von denen das eine seine imma- teriellen Assets selbst ent- wickelt, das andere diese als Patente von dritter Seite zu- kauft: Der Buchwert beider Firmen wird höchst unter- schiedlich sein, jener Ersterer ist deutlich niedriger als der Letzterer. Angesichts des stei- genden Wertes an immateriel- len Assets werden die Buchwerte immer mehr verzerrt und fallen beim KBW mit annähernd 3.0x wesentlich höher aus als in der Vergangenheit. Rückrechnung Um die Fehlbewertung des Buchwertes zu korrigieren, haben die Autoren durch das Aktivieren der Ausgaben für immaterielle Wirtschaftsgüter die Buchwerte neu berech- net. Für jede gelistete Firma und jedes Geschäftsjahr wurden die Forschungs- und Entwicklungs-(F&E)-Ausgaben aktiviert und das kumulierte F&E-Kapital aus den letzten Jahren mit den branchenspezifischen Prozentsätzen abgeschrieben, die Li und Hall 2018 in einem NBER-Working-Paper mit dem Titel „Depreciation of Business R&D Capital“ nannten. Die jährliche Ab- schreibung der F&E-Position ersetzt somit den ergebniswirksamen Abzug der F&E- Aufwendungen im jeweiligen Geschäftsjahr in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Ähn- lich verfahren die Autoren mit einem Teil der Ausgaben für Sales, allgemeine und ad- ministrative Belange, da viele immaterielle Assets außerhalb von Forschung und Ent- wicklung wie Marken, IT, Geschäftsprozes- se und HR (Human Resources) in diesen Ausgaben enthalten sind. Nach dem Ansatz von Enace und Srivastava von 2018 werden bei diesen Aufwänden Ausgaben wie etwa Vertriebsprovisionen oder Gehälter von Verwaltungsangestellten von immateriellen Wirtschaftsgütern getrennt, indem für jede Branche und jedes Jahr diese Ausgaben für Sales, allgemeine und administrative Belan- ge auf die Umsätze regressiert werden unter Zuhilfenahme von zwei Dummy-Variablen für Firmen, die Verluste schreiben, und Fir- men mit rückläufigen Umsätzen. Das Inter- zept – also der y-Achsen-Abstand der Re- gressionsgeraden – steht für das durch- schnittliche Ausmaß an immateriellen Ver- mögenswerten, die in den Ausgaben für Sales, allgemeine und administrative Belan- ge einer bestimmten Branche in einem be- stimmten Jahr enthalten sind. Anhand von Branchencodes ordnen die Autoren die Unternehmen dann den einzelnen Branchen zu und bereinigen die Buchwerte entspre- chend, abgeschrieben wird dieser Teil der immateriellen Assets über drei Jahre. Mit dieser Methode adjustieren Lew und Srivastava die Buchwerte aller Unterneh- men, indem sie zu den nach den Generally Accepted Accounting Principles (US- GAAP), also den allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen der Verei- nigten Staaten, berichteten Buchwerten die nicht abgeschriebenen Ausgaben für For- schung und Entwicklung beziehungsweise Sales, allgemeine und administrative Belan- ge addieren. Dann werden die Kurs-Buch- wert-Verhältnisse anhand dieser adjustierten Buchwerte neu berechnet. Zusätzliche Fir- men tauchen nun in der Liste auf, da deren Buchwerte positiv werden. Außerdem zeigt das neue KBV-Ranking, dass manche Un- ternehmen die Seiten wechseln und von Glamour Stocks zu Value-Titeln oder vice versa mutieren. Dann werden die Renditen der adjustierten Value-Strategie neu berech- net. Diese Neuberechnung ändert die Zu- sammensetzung der Top-30-Prozent bezie- hungsweise Flop-30-Prozent nach dem KBV beträchtlich. Zum Beispiel haben 2017 bezüglich der Top-30- Prozent 455 Unternehmen ih- re Klassifikation als Ergebnis der Buchwertanpassungen ge- ändert (255 kamen hinzu, 200 schieden aus, von am Anfang insgesamt 921), während bei den Flop-30-Prozent 524 Fir- men ihre Klassifikation änder- ten. Hier kamen 271 neu hin- zu und 253 verließen diesen Block, der anfangs 929 Aktien umfasste. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 40 bis 60 Prozent der Aktien ihre Einschätzung als Value- oder Glamour-Aktien in den letz- ten Jahren aufgrund der Buch- Steigende Rangkorrelation Innerhalb der Value- und Glamour-Aktien nimmt die Rangkorrelation zuletzt zu. Die Durchschnittswerte der Rangkorrelationen von Value- und Glamour-Aktien zogen zwi- schen 2007 und 2018 an. Das bedeutet eine schwächere Mean Reversion der Aktien aus diesen beiden Gruppen in den letzten 12 Jahren. Untersuchungszeitraum: 1970 bis 2018. Quelle: Studie 0 1 2 3 4 5 Durchschnitt 2007-2018 Durchschnitt 2000-2006 Durchschnitt 1989-1999 Durchschnitt 1970-1988 Large Cap Value-Aktien Large Cap Growth-Aktien FOTO : © UN I V. CA LGA RY 138 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : VA LUE - AK T I EN

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