Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

aus einem US-Dollar geworden wäre, hätte man diesen zu Beginn einer Dekade, begin- nend mit den 70er-Jahren bis heute, in diese gehedgte Value-Strategie, die netto ohne Kapital auskommt, von Fama/French inves- tiert. Ein am 1. Januar 1970 getätigtes In- vestment hätte am Ende der Dekade 2,08 US-Dollar ausgemacht und damit eine Ren- dite von 108 Prozent. Ein Investment zum 1. Januar 1980 wäre Ende des Jahrzehnts mit 85 Prozent Ertrag abgeschlossen wor- den. Das alles klingt mangels Kapitalbin- dung nicht schlecht. Doch ab 1989 sieht es anders aus, denn hauptsächlich aufgrund der Tech-Blase in den 90er-Jahren wurde es auf der Short-Seite infolge steigender Bewer- tungen der Wachstumsaktien sehr teuer. Aus einem Dollar, der Anfang 1990 investiert wurde, wurden Ende der Dekade gerade einmal 90 Cent. Die ersten Jahre nach dem Millennium sahen eine kurze Wiederauferstehung der Value-Strategie, die primär von der Abstra- fung der Glamour Stocks herrührte, an der man durch das Shorten eben dieser Aktien nach dem Platzen der Blase verdienen konnte. So verlor der NASDAQ im Jahr 2000 ganze 55 Prozent, 17 Prozent der klei- neren Glamour Stocks überlebten nicht und waren nicht mehr gelistet. Der Leerverkauf dieser Verliereraktien erhöhte die Renditen dieser Long-Short-Strategie bis 2006 sub- stanziell. Auch die Flucht von Tech-Aktien in die wesentlich stabileren Value-Titel in diesen Jahren unterstützte den Erfolg dieser Value-Strategie. Diese gute Performance von Value Anfang des neuen Jahrtausends hat sich den zu dieser Zeit relativ jungen In- vestoren ins Gedächtnis eingebrannt und macht es dieser Alterskohorte so schwer, den Untergang von Value zu verstehen. Die Grafik „Es begann alles viel früher“ illus- triert, dass diese Value-Strategie bereits En- de der 80er-Jahre ihre Stärke verloren hat. Trotz der Schlagzeilen, Value sei erst seit 2007 auf der Verliererstraße, sehen Lev und Srivastava in der Value-Strategie schon seit 30 Jahren einen inkonsistenten Performer. Es erhebe sich also die Frage, warum die Long-Short-Value-Strategie seit 1989 nicht mehr funktioniert. Warum nur, warum? Die Autoren sind der Ansicht, dass man sich mit bilanziellen Charakteristika und deren Wandel über die Jahrzehnte genauer beschäftigen müsse, um eine plausible Ant- wort auf die Frage zu erhalten. So kann das Kurs-Buchwert-Verhältnis nur mit beträcht- lichen Fehlern im Nenner gemessen wer- den. Viele Vermögenswerte in der Bilanz reflektieren nicht ihren aktuellen Wert – und Gewinne, deren kumulierte, einbehaltene Teile im Buchwert enthalten sind, spiegeln einerseits systematische Bilanz-Biases (Konservativismus in der Bilanzierung) und andererseits Value-irrelevante Einmalgrößen wider. Ein steigender Anteil von Buchwert- Fehlberechnungen rührt daher, dass sofort alle Investments in intern generierte, wert- schaffende immaterielle Vermögensgegen- stände wie Forschungs- und Entwicklungs- ausgaben, IT-Aufwand, Marken- und Per- sonalentwicklung als Ausgaben in der Ge- winn-und-Verlust-Rechnung verbucht wer- den. Das führt dazu, dass immaterielle Wirt- schaftsgüter sich nicht im Buchwert wieder- finden. Dazu kommt, dass die Statistik zeigt, dass seit Ende der 80er-Jahre die Aus- wirkung dieser Verbuchungspraxis in Bezug auf immaterielle Assets eine große Wirkung auf die Finanzkennzahlen (Buchwerte und Gewinne) der börsennotierten Unternehmen entfaltet. Diese fehlerhafte Messung der Buchwerte ist laut den Autoren der Haupt- grund für den Niedergang von Value, der Ende der 80er-Jahre einsetzte. In den Jahren davor und damit auch zu Benjamin Gra- hams Lebenszeit investierten Firmen haupt- sächlich in Sachanlagen und damit in mate- rielle Vermögensgüter. Zu diesen physi- schen Assets gehören Immobilien, Fabri- ken, Maschinen, Flugzeuge und anderes mehr, die in der Bilanz als Vermögensge- genstände stehen und sich – abzüglich der Abschreibungen – im Buchwert eines Un- ternehmens wiederfinden. Typischerweise schwankte das Kurs-Buchwert-Verhältnis gelisteter Unternehmen bis Mitte der 80er- Jahre um 1,0x. Bewertungen, die über oder unter dem Buchwert lagen, reflektierten so- mit eine Über- oder Unterbewertung einer Aktie. Von diesem Zeitpunkt an kam es aber zu einer weitreichenden Transformati- on der Geschäftsmodelle: Statt in materielle Vermögenswerte zu investieren, ging man mehr und mehr dazu über, in immaterielle zu investieren. Die Grafik „Gegenläufige Trends“ stellt über 40 Jahre die Entwick- lung jährlicher Investitionen des amerikani- schen privaten Sektors in materielle und im- materielle Vermögensgegenstände als Anteil an der Brutto-Wertschöpfung gegenüber. Adaptierte Value-Strategie Kumulierte Renditen im Vergleich von Original- und buchwertadaptierter Value-Strategie Anlagebeginn der Long-Short-Strategie ist immer der Anfang des Jahrzehnts; Untersuchungszeitraum: 1970 bis 2018. Es zeigt sich, dass die Buchwertadjustierung zu einer eindeutigen Verbesserung der Value-Strategie-Performance führt. Quelle: Studie 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 Kumulierte Rendite, wenn man 1 USD am Anfang eines Jahrzehnts investiert; klassischer Value-Ansatz Kumulierte Rendite, wenn man 1 USD am Anfang eines Jahrzehnts investiert; mit Buchwertanpassung K 2015 2018 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 1970 136 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : VA LUE - AK T I EN

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