Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

I n der Theorie – man denke an Ben- jamin Grahams „The Intelligent In- vestor“ – sieht doch alles so einfach aus: Man screene das Aktienuniver- sum etwa nach dem Kurs-Buchwert-Ver- hältnis (KBW) und investiere in diese rela- tiv zu ihren Fundamentals zu niedrig bewer- teten Aktien, während man gleichzeitig überbewertete „Glamour Stocks“ leerver- kauft. Damit sollte es gelingen, von der Neubewertung temporär unterbewerteter Aktien, die derzeit ungeliebt sind – etwa wegen eines Bilanzskandals, der Überreak- tion auf schlechte Nachrichten oder eines unerwarteten Verlustes – zu profitieren, wenn diese zu ihrem inneren Wert (Intrin- sic Value) zurückkehren. Tatsächlich hat die Value-Investmentstrategie jahrzehnte- lang funktioniert und abnormale (Über- schuss-)Renditen geliefert. Auch wer nur long only in Value Stocks investierte, wur- de belohnt. Value-Fonds sprossen allerorten aus dem Boden – doch seit 2007 sieht alles anders aus: Die Strategie hat ihre Anzie- hungskraft verloren. Eine Google-Suche nach dem Begriff „Tod des Value-Inves- ting“ oder Synonymen für den Niedergang des altgedienten Investmentansatzes zeigt Hunderte Artikel inklusive jener in Publika- tionen wie „Barron’s“, „The Wall Street Journal“, „Seeking Alpha“, Bloomberg, die „Financial Times“ nicht zu vergessen. Der „Economist“ etwa titelte im Oktober letzten Jahres „The Agony of the Value Investor“ und zitierte darin einen prominenten Value- Manager mit den Worten: „Unsere Ergeb- nisse sind schlechter, als wir es uns vorstel- len konnten.“ Ein anderer schrieb: „Der Markt sagt uns, dass wir falschliegen, falsch in Bezug auf fast alles.“ Öffentliche Selbst- geißelungen der Fondsmanager und von Journalisten verbreitete Todesmeldungen nützen dem Investor aber mitnichten. Er sucht Antworten auf die folgenden Fragen: Warum verlor Value-Investing seine Treff- sicherheit abrupt 2007? Und – noch wichti- ger – ist der schon viel zu lange anhaltende Durchhänger der Strategie nur temporär oder ein langfristiges Phänomen? Baruch Lev, Professor für Accounting und Finance an der Stern School of Busi- ness an der New York University, und Anup Srivastava, Canada Research Chair der Haskayne School of Business an der Uni- versität von Calgary, suchten gemeinsam nach einer stimmigen Erklärung für den Absturz von Value-Konzepten. In der Lite- ratur werden die Überschussrenditen von Value bis 2007 immer wieder herausgestellt. Lakonishok beispielsweise berichtete 1994, dass ein Investment zum 30. Juni eines jeden Jahres in die 30 Prozent billigsten Aktien nach dem Kurs-Buchwert-Verhältnis bei gleichzeitigem Short-Selling der 30 Pro- zent teuersten Aktien nach dem KBW zwi- Während viele die Renaissance von Value-Aktien nach einer langen Dürreperiode beschwören, sehen dies die Autoren einer aktuellen Studie anders. Für sie ist die Zeit des Value-Ansatzes Geschichte. Es begann alles viel früher Wie sich der Wert eines jeweils zu Dekadenbeginn investierten Dollars entwickelte Diese Art der Long-Short-Value-Strategie hat ihren Appeal Ende der 80er-Jahre verloren, sagen die Autoren und führen diese Analyse dafür ins Treffen. Immerhin gab es schon in den frühen 90er-Jahren negative Renditen. 2002 bis 2006 gab es ein kurzes Revival. Untersuchungszeitraum: 1970 bis 2018. Quelle: Studie 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 Kumulierte Rendite, wenn man 1 USD am Anfang eines Jahrzehnts investiert; klassischer Value-Ansatz Investitionszeitpunkte 2015 2018 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1975 1970 2,08 1,85 0,9 1,97 0,82 FOTO : © UN I V OF NY, GMF » Unsere Buchwertadaptionen erklären einen Großteil des Abstiegs von Value. « Baruch Lev, Professor of Accounting and Finance an der Stern School of Business, Universität von New York Endgültig tot? 134 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : VA LUE - AK T I EN

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