Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

ausrichtet. Das Ganze führt dann zu einem sehr defensiven Aktienfonds mit einem at- traktiven Rendite-Risiko-Profil. Denken Sie daran, sich auch vertriebstech- nisch breiter aufzustellen? Berghorn: Nein, der Grund ist profan: Unsere Erweiterung Anfang dieses Jahres führt jetzt dazu, dass diese dynamisch ausgerichtete Faktorstrategie mit Momentum und Low Volatility eine noch stärkere Antikorrelation zu Value aufweist. „Vertrieb“ bedeutet im Moment für uns, unseren Partnern aus der Value-Fraktion, die es im Moment alles andere als leicht haben, klarzumachen, was Diversifikation mit unseremAnsatz bedeutet und welche drastischen Aus- wirkungen es haben kann. Es gibt Bei- spiele, in denen wir die risikoadjustierte Rendite durch eine 50:50-Kombination mit unserem Ansatz um fast 40 Prozent steigern und den maximalen Drawdown von über minus 20 Prozent auf minus 14 Prozent reduzieren konnten. Die Hauptarbeit ist dabei die quantitative Ausarbeitung von Diversifikationsmög- lichkeiten in bestehenden Portfolios. Wenn man sich die zwei am Markt befind- lichen Fondsprodukte von Mandelbrot Asset Management – den Long- und den Market- Neutral-Fonds – ansieht, ist die Perfor- mance kein Ruhmesblatt. Woran liegt das? Berghorn: Wir haben uns – insbesondere bei unserem marktneutralen Fonds – diversen Themen stellen müssen, die wir zwar an- genommen haben, bei denen wir in der Rückschau aber in der Analyse und der Ver- besserung viel zu langsam waren. Das fängt beim Thema gescheiterte Übernahmen an, betrifft 2017 mit dem Jahr der geringsten Volatilität an den Märkten und endet schließlich beim Thema „Value“ – z. B. nach der Trump-Wahl. Wir haben zwar immer versucht, die Überrenditen aus Momentum strukturell zu verstetigen, die Investoren konnten darauf aber nicht warten, die marktneutrale Variante musste per Ende Oktober daher ge- schlossen werden. Damit reihen wir uns in die herausfordernde Phase marktneu- traler Strategien ein. Und der Aktienfonds Mandelbrot World Equity Long …. Berghorn: Gleich nach Auflage sind wir mit Unterrenditen gestartet, was einer Fondsauflage alles andere als zuträglich, bei Momentum- und auch anderen Faktorin- vestments aber durchaus erwartungskon- form ist. Wir haben die Strategie dann im Sommer 2017 verallgemeinert, um die Überrendite zu verstetigen, und konnten mit zweistelligen Überrenditen aufholen. Im Sommer 2018 wurde dann das Universum ausgeweitet. Hintergrund war die Bezie- hung von Momentum zu „Earnings Surpri- ses“ und der Schlussfolgerung, dass ein breiteres Universum die Chancen auf Über- renditen erhöht. Aufgrund der Handelsstrei- tigkeiten kam es dann im vierten Quartal 2018 zu erheblichen Unterrenditen bei Momentum, aber auch bei Value. Deswegen ist das dynamische Management so ent- scheidend für diesen Fonds. Man kann die- se harten Umkehrungen speziell bei Mo- mentum meines Erachtens mit dem Dispo- sitionseffekt erklären. Der führt dazu, dass Anleger bei aufkeimenden Unsicherheiten Gewinne mitnehmen. Deswegen erscheint uns der systematische Abgleich mit dem sicheren Hafen Low Volatility so schlüssig. Tatsächlich hat der Fonds in härteren Zwischenkorrekturen innerhalb dieses Jah- res auch noch zugelegt. In welche Richtung werden Sie weiter for- schen? Berghorn: Wir haben zwei große Themen. Das eine sind die „Earnings“ und die Rela- tion zu Faktorstrategien. Bei Momentum er- scheint klar: Die Earnings Suprises erklären – wenn auch nicht ausschließlich – diesen Effekt. Wir werden aber den Verdacht nicht los, dass das bei Value und Low Volatility ähnlich sein könnte, das heißt, eventuell kann man auch Earnings-Strukturen finden, die diese anderen Faktoransätze erklären. Das zweite große Thema geht auf Arbeiten der Bank von England zu Investmentstilen – wie zum Beispiel Mean Reversion – zu- rück, die die Reaktionen von Momentum- Investoren auf eintreffende neue Nach- richten modelliert haben und alle Effek- te, die Mandelbrot gesehen hat, simulieren konnten. Das Ganze ist auf Marktindexebene schon sehr eindrucks- voll und bestätigt unsere Sichtweise auf Faktor- oder Einzeltitelebene. Wir wol- len dies auch auf die Einzeltitelebene heben. Weil das sogenannte Rückkoppe- lungssysteme sind, landet man dann di- rekt in der Chaostheorie und deren Me- thodik zur Beschreibung von Effekten. Wie lange, glauben Sie, wird sich die Effi- cient Market Hypothesis noch behaupten können? Ist sie nicht längst – nicht zuletzt auch durch Ihre Forschungsarbeiten – widerlegt? Berghorn: Ich kann es Ihnen nicht sagen. Schon allein wegen der vielen mathemati- schen Arbeiten aus der Vergangenheit hätte diese Theorie längst als widerlegt gelten müssen. Aber dann kommt immer das Ar- gument: „Wir wissen, dass das Modell nicht perfekt ist, aber solange es kein besseres gibt …“ Das führt dann auch zu interessan- ten Diskussionen, wenn etwa gefordert wird, Momentum und Low Volatility in das jüngste Fünf-Faktor-Modell von Fama und French aufzunehmen. Da kann ich nur sagen, das genau werden Fama und French nicht machen, weil beide Fakto- ren der Theorie, die es durch das Mul- ti-Faktor-Modell zu testen gilt, wider- sprechen. Wir haben das in unserer Ori- ginalarbeit ausführlich kommentiert – auch warum wir denken, dass fraktale Märkte zwangsläufig effiziente Märkte verhindern und an welchen Stellen dies auf der Theorieseite passiert. Wir danken für das Gespräch. DR. KURT BECKER » Momentum und Low Vol kombiniert haben tolle Eigenschaften. « Dr. Wilhelm Berghorn, CEO von Mandelbrot Asset Management Dr. Wilhelm Berghorn Schon in seiner 1999 verfassten Dissertation an der Universität Bremen beschäftigte er sich mit der Anwendung spezieller wel- lenartiger Funktionen, die Mathematiker als „Wavelets“ bezeich- nen. Auch im Anschluss blieb er im Bereich der Wavelet-Verfah- ren tätig, zuerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für Complexe Systeme und Visualisierung an der Universität Bre- men, wo er sich der Analyse von ökonomischen Zeitreihen wid- mete. Anschließend wechselte er zum Centrum für Medical Image Computing, dem späteren Fraunhofer-Institut MEVIS. Danach war er Projektleiter und später Chief Technology Officer und Director Business Development für das kommerzielle Spin-off MeVis Medical Solutions AG sowie Vorstandsvorsitzender für das ver- bundene Unternehmen FTS Financial Technology Systems AG. N o. 4/2019 | www.institutional-money.com 117 THEOR I E & PRA X I S : WI LHE LM BERGHORN|MANDE LBROT AS SET MANAGEMENT

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=