Institutional Money, Ausgabe 4 | 2019

zum einen die „returnbasierten Faktoren“, also jene Ansätze, die systematisch in Auf- wärtstrends investieren, und zum anderen in die „risiko-basierten Faktoren“ und da- mit jene Ansätze, die systematisch auch Abwärtstrends auswerten. Damit wird klar, dass diese beiden Kategorien grundver- schieden sind. Low Volatility investiert durch die Charakteristik des Marktes indi- rekt in stabilere, schwach schwankende Renditepfade, während Momentum stark steigende und kürzere Renditepfade be- schreitet, die dann auch automatisch eine höhere Volatilität besitzen. „Somit sind bei- de nicht korreliert“, sagt Otto. „Value“ wie- derum sucht strukturiert Umkehrsituationen in Aktienpreisen. Bei Trendänderungen er- gibt sich automatisch eine höhere Volatili- tät, sodass auch hierdurch klar ersichtlich wird, warum auch Value nicht zu Low Volatility korreliert ist. Faktorinvestments Interessant ist, warum eine Trendaus- wertung Value-Ansätze replizieren kann. In einem weiteren Experiment zeigen die Autoren, dass die „Earnings“ viel weniger schwanken als die Aktienpreise selbst – ein zentrales Argument von Robert Shiller in seiner Kritik der Theorie der effizienten Märkte. Angesichts dieser überzeugenden Ergebnisse der Faktorperformance-Nachbil- dung scheinen Faktorinvestments tatsäch- lich Trendinvestments zu sein. Es gilt nur, die richtigen Trends zu finden. Mit dieser Erkenntnis, die an sich schon revolutionär wäre, gibt sich Berghorn allerdings noch lange nicht zufrieden. Der Mathematiker bietet nämlich auch noch eine alternative Erklärung für Markt- renditen an. Seiner Ansicht nach sind näm- lich Märkte nichts anderes als die Kombi- nation der geschilderten Faktorinvestments, und zwar der drei Return-Faktoren (zwei- mal Momentum plus Low Vol) und der drei Risiko-Faktoren (Kurs zu EBITDA, KBV, Dividendenrendite). Den Size-Faktor oder die Zuhilfenahme von Mean Reversion braucht es da gar nicht mehr, wie die Tabel- le „Alternative Erklärung der Marktrendi- ten sticht“ zeigt. Das Bestimmtheitsmaß R² mit 84,69 Prozent signalisiert, dass die Kombination aus Return- und Risiko-Fakto- ren ausreicht, um gut fünf Sechstel der Marktrenditen zu erklären. Würde man nur auf die drei Return-Faktoren zur Erklärung der Marktbewegungen setzen, so könnte man bloß etwas mehr als 70 Prozent der Marktrenditen erklären. Ähnlich verhielte es sich, wenn man allein auf die drei Risiko- Faktoren abstellen würde: Auch hier ließen sich nur gut 68 Prozent der Marktrenditen auf diese Art und Weise erklären. Die Kom- Fraktale, Trends, Wavelets und effiziente Märkte Begriffserklärungen und Schlussfolgerungen T atsächlich finden sich Fraktale – selbstähnliche Muster – bei der Mo- dellierung von Wachstumsprozessen in der Natur, so beim Wachstum von Bäu- men oder auch bei der Ausbreitung von Blitzen am Himmel. Mit selbstähnlichen Zeitreihen hat die noch immer vorherr- schende, weil leichter rechenbare Efficient Market Theory (EMT) ihr Problem. Was ist eigentlich ein „Trend“? Interessanterweise existiert eine präzise Definition des Begriffs „Trend“ in der Mathematik gar nicht, genauso wenig wie jener des Zufalls, ein Begriff aus der Philosophie. „Wann man struktu- riert über Trends reden möchte, dann muss man präzise definie- ren, wie diese gemessen werden und auf welcher Zeitskala das passiert“, so Berghorn. Ähnlich den gleitenden Durchschnitten in der Chartanalyse, die mit einer gewissen Trägheit Signale zum Ein- und Ausstieg generieren, gibt es auch bei der Trendzerlegung in Wavelets (kleine Wellen), wie sie Berghorn in seinem Modell vor- nimmt, diese Grundlage der Messmethodik und der Skala oder Granu- larität der Analyse. Ausgehend von den klassischen Modellannahmen eines Ran- dom Walks oder einer geometrischen Brown’schen Bewegung, in der Renditen einer Normalverteilung entstammen, muss man sich fragen, ob die Kurscharts in rea- len Daten wirklich Zufall sind oder doch Komponenten enthalten, die nicht ganz so zufällig sind. Hierzu bedient sich Berghorn seines Trendmodells auf Basis von Wave- lets. Welche Strukturen „gesehen“ werden, hängt von Detailebene der Analyse und der generellen Sichtbarkeit dieser Ereignis- se ab. Wavelet-Trendzerlegung Trends weisen fraktale Charakteristika auf. Denn ob ein Markt oder eine Aktie im Aufwärts- oder Abwärtstrend ist, hängt entscheidend von der gewählten Skala (Granularität) bei der Trendzerlegung ab. Die Grafik „Wavelets: Alles ent- scheidende Skala“ zeigt Trendzer- legungen mit vier unterschiedli- chen Granularitäten anhand des Dax Index von 2004 bis 2012. In der Signaltheorie mit Wavelets gilt die verallgemeinerte Heisen- berg’sche Unschärferelation. Berghorn: „Die ist ein Optimali- tätskriterium und besagt, dass es keinen anderen mathematischen Ansatz als den verwendeten gibt, um Trends präziser im Sinne der Signaltheorie zu lokalisieren.“ Auch haben Trends keine feste Zeitskala, ein weiteres fraktales Merkmal. Damit ist auch die Fra- ge geklärt, ob es so etwas wie Wavelets: Alles entscheidende Skala Unterschiedliche Skalen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Anhand von Wavelets wird eine gegebene Zeitreihe in Auf- und Abwärts- trends modelliert. Welche Strukturen erfasst werden, hängt unter anderem vom Detailgrad der Analyse ab. Man sieht sofort, dass Trends keine feste Zeitskala haben. Quelle: Mandelbrot AM DAX Performance-Index 2004 - 2012 Skala 40 Skala 20 Skala 10 Skala 05 Original Signal  Fortsetzung nächste Seite 108 N o. 4/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : MANDE L BROT-T R ENDS

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