Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

gar noch größer, wenn man auf die relative Performance – und damit auf die Informa- tion Ratio, also den Quotienten aus aktiver Rendite und aktivem Risiko, statt die Sharpe Ratio – abstellt. Die Verteilungs- eigenschaften der Information Ratio (IR) über 42 Faktorindexkombinationen illus- triert der untere Teil der Tabelle „Falsch selektiert“ . Über die gesamten 40 Jahre der Stichprobe spannt die Information Ratio von 0,11 bis 0,81. Diese Streuung ist noch größer, wenn man auch hier wieder auf zehnjährige Subperioden referenziert. Die Dispersion der IR erreicht hier Werte von 0,75 bis 1,59. Zusammenfassend gesagt, hat die Faktorselektion für Multi-Faktor-Indizes in der absoluten wie auch in der relativen Betrachtung eine dramatische Auswirkung auf die Performance, speziell wenn man kürzere Backtest-Perioden betrachtet. Bis dato wurde nur die In-sample-Perfor- mance der Multi-Faktor-Indizes analysiert. Relevanter ist es zu untersuchen, wenn man periodisch eine Faktorkombination mit dem attraktivsten Backtest auswählt. Auch hier werden wieder zumindest drei Faktoren kombiniert, und zwar auf Basis der Rendi- ten der letzten fünf beziehungsweise zehn Jahre. Danach werden diese so ausgewähl- ten Multi-Faktor-Index-Portfolios auf Sicht von ein, zwei und drei Jahren gehalten. Das Resultat ist dabei mehr als ernüchternd, wie die Tabelle „Toller Backtest, stramme Un- derperformance“ zeigt. All diese Faktorkombinationen mit tollen Backtest- Resultaten bleiben im Schnitt in puncto Sharpe Ratio und Information Ratio hinter einem gleichgewichteten Sechs-Faktor-In- dex-Portfolioansatz zurück. Noch wichtiger ist, dass die Out-of-sample-Performance die- ser im Backtest überlegenen Faktorkombi- nationen hinter jener des gleichgewichteten Ansatzes zurückbleibt. Die Grafik listet die annualisierte relative Underperformance der Faktorkombinationen zwischen der Kali- brierungs- oder Backtest-Periode einerseits und der darauffolgenden Halteperiode ande- rerseits, die von einem bis zu drei Jahren reicht, auf. Grob gesagt, kann man unab- hängig von der Backtest- und der Halte- periode eine relative Underperformance gegenüber dem Sechs-Faktor-Gleichge- wichtungsansatz zwischen drei und vier Prozent pro Jahr erwarten. Totale Ernüchterung Faktorselektionsstrategien blähen also er- wiesenermaßen die Backtest-Resultate auf. Dabei sind die Wahlmöglichkeiten des Fak- torjongleurs in diesem modellhaft darge- stellten Beispiel relativ bescheiden, kann er doch nur aus sechs Faktoren wählen. In der Praxis verfügen Indexprovider über wesent- lich mehr Flexibilität bei der Anzahl und der Gewichtung der Faktoren zu einem Multi-Faktor-Produkt. Angesichts dieser vielen Freiheitsgrade und der Überschät- zung von Backtest sind Investoren gut be- raten, die Rechtfertigung des Indexprovi- ders für eine Änderung in der Faktorselek- tion oder -gewichtung zu hinterfragen. Geänderte Faktordefinition Tatsächlich neigen die Indexanbieter dazu, die Definition der einzelnen Fak- toren quartalsweise einem Update zu unterziehen. So hat sich beispielsweise die Definition des Value-Faktors bei MSCI über die Zeit nicht unwesentlich verändert. Interessanterweise betreffen diese Änderungen in der Definition des Value-Faktors nicht nur die einzelnen Variablen, die zusammen dann ein Value Composite Score bilden, sondern auch die Art und Weise, wie sie kombiniert werden und welche Änderungen – wie etwa ein sektorbezogenes Scoring – durchgeführt werden. Die Tabelle „Value gestern ist nicht Value heute“ zeigt über 20 Jahre vier Etap- pen der Änderung an, wie sie MSCI kom- munizierte. Einzig konsistente Value-Varia- ble über 20 Jahre ist das Kurs-Buchwert- Verhältnis, alle anderen änderten sich mit der Zeit. Die Variable „Enterprise Value to Cash Flow“ etwa wurde 2014 neu einge- führt, war aber 2018 schon wieder ver- schwunden. Auch das sektorbezogene Sco- ring, das unter dem Titel des „Enhanced Value“ eingeführt worden war, hat es 2018 » Investoren sollten immer Zugang zu den früheren Smart-Beta-Angebo- ten eines Indexproviders haben. « Marcel Sibbe, quantitativer Analyst bei Scientific Beta in Nizza Value gestern ist nicht Value heute Die Definition des Value-Faktors unterliegt bei MSCI permanenten Änderungen. Definition des Value Value-Gewichtung Enhanced Value Value im MSCI FaCS Value-Faktors 1997 2010 2014 2018 • Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) • Umsatz • KBV • KBV • Kurs zu erwarteten Gewinnen • KBV • Kurs zu erwarteten Gewinnen • Gewinnrendite Variable • Dividendenrendite • Historische Gewinne • Unternehmenswert (Enterprise • Long-Term Reversals • Historische Cash Earnings Value) zu Cashflows Gewichtung Gleichgewichtung Gleichgewichtung Gleichgewichtung Gewichtung 3:6:1 Sektorbezogenes Scoring Nein Nein Ja Nein In 20 Jahren änderte sich bei MSCI mehrmals die Definition von Value und die Gewichtung der einzelnen Value-Komponenten. Der einzige konsistente Bestandteil dabei ist das Kurs- Buchwert-Verhältnis. Auch die Gewichtung änderte sich mit den Jahren. Quelle: Scientific Beta N o. 2/2019 | www.institutional-money.com 95 T H E O R I E & P R A X I S : FAK TOR- I NVE S T I NG

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