Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

der Auswahl von investierbaren Faktoren vorgehen. Tatsächlich findet sich eine ra- sche Änderung von Faktoren bei Multi-Fak- tor-Flaggschiffprodukten. So hat beispiels- weise MSCI im Jahr 2013 eine Serie von Quality-Mix-Indizes aufgelegt, die ein Mul- ti-Faktor-Angebot darstellen. Der Index zielt auf ein ausgewogenes Exposure von Value-, Low-Volatility- und Quality-Fakto- ren ab. 2015 entschloss sich MSCI dazu, den Low-Vol-Faktor aus seinem neuen Flaggschiff-Produktangebot, der diversifi- zierten Multi-Faktor-(DMF)-Serie, zu ent- fernen. Der neue Index bezog die Fak- toren Value, Quality, Size und Momen- tum mit ein. Der Ausschluss von Low Vol scheint nicht von der Überlegung gesteuert zu sein, dass man für diesen Faktor keine Prämie bekommt. Eine wichtige Frage in diesem Zusammen- hang ist, ob der Ausschluss dieses Fak- tors aus der neuen DMF-Indexserie zu einer Erhöhung der Information Ratio im Backtest beigetragen hat. Was wäre geschehen, wenn der Low-Vol-Faktor in die Berechnung des Gesamtscores im DMF- Optimizer eingeflossen wäre? In einem Bericht führte MSCI aus, dass der Ein- schluss des Low-Vol-Faktors zu einer Ver- schlechterung der Information Ratio von 1,14 auf 0,86 in einem 16 Jahre umfassen- den Backtest-Zeitfenster beigetragen hätte. Inkonsistenzen die Faktorauswahl betref- fend können sich nicht nur in Bezug auf die zeitliche Abfolge von Produktangeboten, sondern auch im Hinblick auf wissenschaft- liche Erkenntnisse ergeben. So wurde etwa das Angebot von Research Affiliates in Form der RAFI-Multi-Faktor-Index-Serien (RAFI steht für Research Affiliates Funda- mental Index) von einer Research-Publi- kation unterstützt, die die Robustheit der verwendeten Faktoren betonte und dabei Quality und Size umfasste. Allerdings hieß es in einer früheren Publikation vom Sep- tember 2016, Quality- und Size-Faktoren seien nicht ausreichend robust. Im Januar 2017 war auf der Homepage von Research Affiliates zu lesen, dass RAFI Multi Factor eingerichtet wurde, um die folgenden Vor- teile anzubieten: eine Kombination von theoretisch einwandfreien und empirisch robusten Single-Faktor-Strategien mit Value, Low Volatility, Quality, Momentum und Size. Die Ansichten eines Indexan- bieters über die Robustheit eines Faktors können also sehr schnell wechseln, wie das Beispiel zeigt. Solche kurzzeitigen Verän- derungen zur fundamentalen Beschaffenheit eines Faktors stehen nicht im Einklang mit der Idee, dass Faktorindizes eine strate- gische Wahl für Langfristinvestments dar- stellen. Indexprovider MSCI schoss aber den Vogel mit folgender Aussage zu dem Fak- torregelwerk ab: „Faktoren oder Faktoren- gruppen können hinzugefügt, abgeändert oder entfernt werden, um sicherzustellen, dass das Regelwerk eine Anzahl robuster Faktoren und Faktorgruppen zu jedem be- stimmten Zeitpunkt widerspiegelt.“ Die Iro- nie, zweifelhafte Faktoren als robust zu je- dem erdenklichen Zeitpunkt zu bezeichnen, zeigt an, in welch großem Ausmaß Robust- heit in der Praxis vernachlässigt wird. Verflixte Faktorauswahl Das Problem mit solchen Inkonsistenzen im Faktorset ist, dass solche Änderungen eine große Auswirkung auf die Backtest- Performance haben. Ein Beispiel illustriert die Auswirkung der Selektion eines fal- schen Faktorsets aus sechs Faktoren. Der obere Teil der Tabelle „Falsch selektiert“ zeigt die Verteilung der Sharpe Ratios von 42 möglichen Portfolios, die sich aus ver- schiedenen Faktorkombinationen zusam- mensetzen. Die Resultate zeigen, dass die risikoadjustierte Performance solcher Multi- Faktor-Indizes zwischen 0,51 und 0,73 über einen 40-jährigen Beobachtungszeitraum zu liegen kommt. Die Bandbreite der Sharpe Ratio von 0,22 ist jedenfalls sehr beachtlich. Sieht man sich die vier zehnjährigen Sub- perioden an, die eine typischere Länge für einen Backtest darstellen, kann die Band- breite der möglichen Sharpe Ratios aller Multi-Faktor-Indizes sogar noch steigen, und zwar auf bis zu 0,42. Dieses stilisierte Beispiel zeigt, dass die unterschiedliche Auswahl von Faktoren für ein neues Multi- Faktor-Indexangebot genügend Flexibilität für den Indexprovider bereithält, um große Verbesserungen der backgetesteten Perfor- mance relativ zu einem bereits bestehenden Index vorzuweisen. Die Performanceunterschiede werden so- » Nach der Lancierung neuer Indizes mit anderer Methodologie sollten die alten fortgeführt werden. « Mikheil Esakia, quantitativer Analyst bei Scientific Beta in Nizza FOTO : © SC I ENT I F I C B E TA Toller Backtest, stramme Underperformance Unabhängig von Backtest- und Halteperiode siegt immer die Sechs-Faktor-Gleichgewichtung. Strategien, bei denen auf die Ge- 6-Faktor-Gleich- Kalibrierungsperiode: 5 Jahre Kalibrierungsperiode: 10 Jahre winner von gestern abgestellt wird gewichtsansatz Haltedauer 1 J. Haltedauer 2 J. Haltedauer 3 J. Haltedauer 1 J. Haltedauer 2 J. Haltedauer 3 J. Sharpe Ratio 0,68 0,58 0,55 0,59 0,57 0,59 0,60 Information Ratio 0,54 0,44 0,35 0,53 0,37 0,41 0,40 Out-of-sample-Renditeverschlechterung relativ zum 6-Faktor-Gleichgewichtsansatz – –3,0 % –4,2 % –3,8 % –3,0 % –3,0 % –3,1 % Die Sharpe und Information Ratio eines Sechs-Faktor-Gleichgewichtsansatzes schlägt jede beliebige Faktorkombination mit herausragendem Backtest, die aus zumindest drei Faktor- indizes besteht. Dies ist unabhängig davon, ob es sich um einen 5- oder 10-jährigen Backtest und eine daran anschließende 1-, 2- oder 3-jährige Halteperiode handelt. Die annualisierte Underperformance dieses Faktorselektionsstrategien liegt zwischen 3,0 und 4,1 Prozent. Quelle: Scientific Beta 94 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : FAK TOR- I NVE S T I NG

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