Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

Schmidt: Die Wirtschaftspolitik ist gut bera- ten, in einer Zeit, da sich nicht so eindeutig erkennen lässt, wie es weitergehen wird, den langfristigen Wachstumspfad in den Blick zu nehmen und zu sagen: Auch wenn vielleicht manche Entwicklungen, die von außen auf einen einstürmen, nicht be- herrschbar erscheinen oder zumindest nicht weit im Voraus vorhersehbar sind, kann man sehr wohl dafür sorgen, dass die inhä- renten Wachstumskräfte einer Volkswirt- schaft gesund sind. Anders ausgedrückt: Es dürfte immer möglich sein, den Potenzial- wachstumspfad mit geeigneten Maßnahmen etwas steiler zu gestalten. Welche sind das in Ihren Augen? Schmidt: Man kann grundsätzlich sehr viel für eine Volkswirtschaft und deren Gesell- schaft erreichen, indem man unter anderem ein gutes und im internationalen Wettbe- werb leistungsfähiges System der Unterneh- mensbesteuerung bereitstellt, indem man zudem Bildung und Forschung wie auch den Innovationsgeist sehr stark fördert. Und nicht zuletzt indem man die Wertschätzung für das Unternehmertum und den Mut für eigene unternehmerische Wagnisse erhöht. Das sind natürlich alles dicke Bretter, die man da bohren muss. Schmidt: Ich gebe Ihnen recht, aber wenn sie eine wachstumsfreundliche Grundhaltung an den Tag legen, sind wirtschaftspolitische Entscheidungsträger meiner Einschätzung nach keineswegs machtlos. Natürlich muss die Politik akzeptieren, dass es solche Er- scheinungen wie die Finanzkrise oder die Eurokrise immer wieder geben kann. Aber selbst dann gilt doch: Je resilienter die Volkswirtschaft aufgestellt und organisiert ist, umso weniger ficht sie das an. Resilienz ist ein gutes Stichwort. Ist es rich- tig, an der schwarzen Null in der Weise fest- zuhalten, wie die Politik links wie rechts es tut, wenn gleichzeitig Jens Weidmann er- klärt, eine außergewöhnlich expansive Geldpolitik könne kein Dauerzustand sein? Am Ende ist die schwarze Null doch nur durch die extrem niedrigen Zinsen möglich. Schmidt: Zunächst einmal kann ich die Aussage von Jens Weidmann, wonach eine dauerhaft ultraexpansive Geldpolitik zu ver- meiden ist, nur unterstreichen. Im Grunde ist die schwarze Null ja nur eine Art Heu- ristik, um mit begrenztem Wissen über den aktuellen konjunkturellen Zustand dennoch zu einer soliden Haushaltspolitik zu kom- men. Es geht doch darum, einen gedank- lichen Anker zu finden, um sich in kon- » Die Politik muss akzeptieren, dass es solche Erscheinungen wie die Finanzkrise oder die Eurokrise wahrscheinlich immer geben wird. « Prof. Christoph Schmidt, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Ausnahme-Ökonom Christoph M. Schmidt, Jahrgang 1962, hat zunächst Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim studiert, danach an der Princeton University promoviert und sich 1995 an der Uni- versität München habilitiert. Seit 2002 ist er Präsident des RWI – Leibniz- Institut für Wirtschaftsforschung und Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Im März 2009 wurde Schmidt in den Sachverständi- genrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent- wicklung berufen, seit März 2013 ist er dessen Vorsitzender. Von 2011 bis 2013 war er Mit- glied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages. Schmidt war zudem Mitherausgeber des „German Economic Review“ und des „Journal of Population Economics“. Er hat außerdem in renommierten Fachzeitschriften wie dem „Review of Economics and Statistics“ und dem „Journal of Public Economics“ publiziert. Seine Forschungsinteressen sind vor allem die ange- wandte Ökonometrie und ein breites Spektrum wirt- schaftspolitisch relevanter Themen, insbesondere die Makroökonomik sowie die Energie-, Gesundheits- und Arbeitsmarktökonomik. A L L E F OTO S : © I N A FA S S B E ND E R 48 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com THEOR I E & PRA X I S : CHR I STOPH SCHMIDT | RWI – L E I BNI Z- INST. F. WI RT SCHAFT SFORSCHUNG

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