Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

deutsche Versicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung die Pflicht zu Szenarioanalysen und Klimastresstests im Raum. Damit könnten die Finanz- dienstleister umweltbezogene Risiken in den Unternehmen besser identifizieren, be- werten, überwachen, steuern und kontrollie- ren, lautet eine Einschätzung der deutschen Finanzmarktaufsicht BaFin. Umsetzungsschub Gerade im Risikomanagement wird die Finanzbranche laut MME- Ansicht noch nachrüsten müssen: Laut einer Branchenumfrage, die die BaFin Anfang vergangenen Jah- res durchgeführt hat, wenden erst rund sechs Prozent der Erst- und Rückversicherungsunternehmen und der Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung bereits Klima- stresstests im Rahmen des Kapitalanlage- Risikomanagements an (Anm.: Für weitere Ausführungen zu den ESG-Regulatorien siehe Artikel „Immer noch vage“). Vor der Vielschichtigkeit dieser Aufgabe warnt Roll: „Die Kapitalanlage für insti- tutionelle Investoren ist bereits komplex. Denken Sie an Regulierungswerke wie Sol- vency II oder Basel III.“ Er verweist darauf, dass es die Aufgabe der Investoren sei, mit niedrigen Beiträgen eine möglichst hohe Rendite zu erreichen. „Das im bereits so lang anhaltenden Niedrigzinsumfeld zu be- werkstelligen, ist herausfordernd genug. Wenn jetzt den Kapitalanlageverantwort- lichen auch noch gesellschafts- und in- dustriepolitische Ziele angehängt wer- den, ist das möglicherweise eine Über- frachtung der Aufgaben der Kapitalanla- geverantwortlichen.“ Er rät davon ab, die Komplexität und die Verantwortung der Investoren und der Kapitalsammel- stellen auf diese Weise zu erhöhen. Blick Richtung USA Wenn es um Regulatorien geht, schie- len Marktverfechter wie Leber gern in Richtung USA. Denn wie beispielsweise auch Cydney Posner, Anwältin in der international aufgestellten Kanzlei Coo- ley, auf dem Harvard Law School Forum on Corporate Governance and Financial Regulation festhält, „ist in den USA die Regulatorik im Gegensatz zum Rest der Welt zurückgefahren worden“. Das ist aus Lebers Sicht nicht zum Schaden der Gesell- schaft geschehen. Er gibt ein Beispiel: „Ich habe neulich in den USA den ‚Impossible Burger‘ getestet. Er enthält einen Blutersatz- stoff, der aus gentechnisch veränderter Hefe produziert wird und beim Braten den Ge- schmack von Fleisch liefert. Dieses Essen kommt zwar aus dem Bioreaktor, aber es ist vegan, erspart Massentierhaltung und die damit oft einhergehende Rodung von Wäl- dern. Bei Firmen wie Beyond Meat und zukünftig auch Impossible Foods können Investoren ohne Zwang durch ESG-Regu- lierung investieren“, so Leber. Auch die Firma Cargill hat es dem Asset Manager angetan. Sie stellt in ihrer Bio- raffinerie in Blair, Nebraska, aus Mais ein Stevia-identisches Süßungsmittel her, das die menschliche Ernährung positiv verän- dern kann, da es ein Zuckerersatzstoff ist. „Damit lässt sich die in den USA sehr weit verbreitete Krankheit Diabetes eindämmen und Fettleibigkeit vorbeugen“, erklärt Leber. „Das Unternehmen macht prima Gewinne, weil es seine Produkte gut abset- zen kann!“ Oder die US-Eisenbahngesell- schaft Burlington Northern Santa Fé, Teil von Berkshire Hathaway, die Drohnen und modernste Technologie einsetzt, um die Strecke im Vorfeld zu prüfen. „Das Unter- nehmen erhöht die Sicherheit und die Attraktivität des Bahntransports, was wie- derum hilft, den klimabelastenden Indivi- dualverkehr einzudämmen“, sagt Leber. „Die Dinge müssen sich rechnen. Dazu muss der Gesetzgeber die richtigen Rah- menbedingungen schaffen. Dann sorgen die kapitalistischen Prinzipien von allein dafür, dass Investoren darin investieren.“ Rent-Seeking Die Vehemenz, mit der im Gegensatz zu den USA immer mehr ESG-Regeln über die Marktteilnehmer hereinbrechen, hat laut 4AlphaDrivers-Chef Roll nicht zuletzt mit dem wachsenden Einfluss der dahinter ste- henden – und entstehenden – ESG-Industrie zu tun. Laut Roll geht es schlicht um „Rent- » ESG-Index-Provider und Datenanbieter freuen sich, denn sie werden mit neuen Aufträgen nur so überhäuft. « Dr. Oliver Roll, Geschäftsführer des Consultingunternehmens 4AlphaDrivers FOTO : © 4 A L P HADR I V E R S, UNO Die UN-Nachhaltigkeitsziele Die Sustainable Development Goals (SDGs)u mfassen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte. Mit der im Jahr 2015 verabschiedeten Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen zu 17 globalen Zielen für eine bessere Zukunft verpflichtet. Leitbild der Agenda 2030 ist es, weltweit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Quelle: UNO 260 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : E SG - R EGUL I E RUNG

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