Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

bewirken kann, wird von Frank Wettlauffer schwer in Zweifel gezogen. Er leitete 13 Jahre lang das Geschäft mit institutionellen Kunden bei der Bank Sarasin und arbeitet heute als unabhängiger Berater – unter anderem für einen nachhaltig ausgerichteten Fonds. Wettlauffer: „Wir können noch so viele konventionelle Anlagen durch Um- widmung in Nachhaltigkeitsfonds ‚grün‘ machen und den Grad des ‚Grünseins‘ zertifizieren lassen – für eine nach- haltige Entwicklung bringt das fast nichts, zumindest keine Zusätzlich- keit.“ Den Grund für den man- gelnden Zusatznutzen sieht er in der dienenden Funktion des Finanz- sektors: „Nur in den seltensten Fäl- len werden Kapitalinhaber auf die Idee kommen, eine attraktive grüne Investition durchzuführen, und sich dann den Projektentwickler, das Grundstück, die Produktionsanlage, die Mitarbeiter und die Abnehmer suchen.“ Vielmehr sei üblicherweise ein Unternehmer der Auslöser, und die Kapitalgeber hätten nur eine passiv- komplementäre Funktion. Sie ent- scheiden: Ist das Projekt unter Ren- dite-Risiko-Gesichtspunkten attrak- tiv? „Falls ja, wird es finanziert, falls nein – dann nicht“, so Wett- lauffer. Dabei sei anzunehmen, dass sich eine Finanzierung zu risikoadäquaten Kon- ditionen finden lasse, solange eine Unter- nehmung legal und aussichtsreich ist – und zwar unabhängig davon, ob die Anlage nachhaltig sei oder nicht. „Möchte die Politik die Kapitalströme zugunsten von nachhaltigen Investitionen lenken, dann muss sie durch Änderungen der politischen Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass sich diese besser rechnen. Dann kommt die Finanzierung von ganz allein“, ist Wettlauf- fer überzeugt. Parallele zu Juncker-Fonds Die Problematik ähnelt dabei jener, die für den „Europäischen Fonds für strategi- sche Investitionen“ (EFSI) von EU-Kom- missionspräsident Jean-Claude Juncker be- fürchtet wird. Mithilfe des Juncker-Fonds sollten Infrastrukturinvestitionen im Um- fang von 315 Milliarden Euro angestoßen werden. Kritiker des Fonds bezweifeln aber, dass dadurch tatsächlich Projekte finanziert werden, die sonst nicht durchgeführt wor- den wären. Sie vermuten, dass lediglich ohnehin geplante Projekte so umformuliert und angepasst werden, dass sie EFSI- förderfähig werden. Positiv-Beispiele Dass gute Regulierung in ESG-Fragen hilfreich sein kann, sehen aber auch Prak- tiker aus dem Asset Management so. So führt etwa der innovationsfreudige Acatis- Chef Hendrik Leber als gelungenes Beispiel für gut gesetzte Rahmenbedingungen die Regulierung der Fangquoten an, die das Leerfischen der Meere verhindern soll. Da die Politik hier gute Grundparameter fest- gelegt habe, hätten sich Unternehmen dar- angemacht, statt Hochseefischerei profitable Aquakulturen und Krebszuchtteiche zu be- treiben. „Der Staat hätte nie so viel Fantasie wie private Unternehmen. Daher sollte er nicht zu detailliert eingreifen, sondern ledig- lich intelligente Parameter festlegen. Die Industrie folgt dann sehr schnell und effi- zient. Moderne Technologie macht dabei bestimmte Prozesse effizienter oder über- haupt erst möglich“, meint Leber. Wie einst die Gurke Auch für die UN-Nachhaltigkeitsziele kann er sich erwärmen: „Sie stellen gene- relle Ziele der Menschheit dar, die auch von privaten Unternehmen als solche erkannt und verfolgt werden, um den Menschen die gewünschten Produkte und Dienstleistun- gen anzubieten. Sie im Auge zu behalten, halte ich für sinnvoll.“ Die EU scheint in ihremAnsatz zur ESG- Regulatorik aber grosso modo eher dem legendären Gurkenkrümmungsgrad-Gebot zu folgen. Ähnlich wie im Jahr 2004, als die Union zum Kopfschütteln vieler die zuge- lassene Krümmung von Gurken ausdefi- nierte, könnte auch dieses Mal über das Ziel hinausgeschossen werden. Die entsprechen- den Gesetzgebungsvorschläge umfassen Regelungen zu Investorenpflichten und Offenlegungsanforderungen, zur Klassifi- zierung von Nachhaltigkeit, zu Indizes und Richtwerten sowie zu Beratungspflichten. So sieht Artikel 30 der EbAV-II-Richtlinie laut Einschätzung der Schweizer Beraterfir- ma MME vor, dass Pensionskassen und Pensionsfonds eine schriftliche Erklärung über die Grundsätze ihrer Anlagepolitik aus- arbeiten. Dabei haben die Unternehmen auch auf die Frage einzugehen, wie bei der Anlage- politik Belangen aus den Bereichen Um- welt, Soziales und der Unternehmensfüh- rung Rechnung getragen wird. Die Unter- nehmen müssen einen transparenten Pro- zess dokumentieren, der klarmacht, wie und warum sie in welche Anlagen investieren und wie sie sicherstellen, dass dabei ESG- Kriterien erfüllt werden. Als Instrument dafür sind unter anderem Negativ- und Positivlisten vorgesehen. Weiter steht für FOTO : © CHR S I TOP H HEMME R I CH, P R I VAT » Neue Technologien tragen mehr dazu bei, die Welt nachhaltiger zu machen, als eine bürokratische ESG-Regulierung. « Dr. Hendrik Leber, Geschäftsführer von Acatis Investment » Nachhaltige Investments müssen sich besser rechnen. Dann kommt die Finanzierung von ganz allein. « Dr. Frank Wettlauffer, unabhängiger Berater u. a. für einen nachhaltig ausgerichteten Fonds 258 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : E SG - R EGUL I E RUNG

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