Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

D er Starinvestor Bert Floss- bach ist in der Öffentlichkeit zwar für klare Worte be- kannt, nicht jedoch für Wut- ausbrüche. Seine Abrechnung mit dem The- ma ESG war aber in ihrer Intensität bemerkenswert und entsprechend schlagzeilenträchtig. Zur Erinne- rung: Im vergangenen Frühjahr ver- glich er die Entwicklungen im Nachhaltigkeitsbereich mit denen der Finanzkrise – allerdings mit ei- nem Unterschied: „Derzeit ist es nicht Gier, die das Hirn frisst, son- dern bedauerlicherweise der Wunsch nach einem reinen Anlage- gewissen.“ Der Vorwurf saß. Scheinheilig- keit, gepaart mit Dummheit, sei demnach der Treiber des ESG-Booms. Doch ist das nur die Einzelmeinung eines auf Daten und Fakten getrimmten, streng objektiv agieren- den Investors, oder steckt hinter dieser geharnischten Kritik mehr? Sind Investoren, insbesondere institutionelle Investoren, die richtigen Adressaten, um den Kli- mawandel zu stoppen? Wie effektiv ist der Ansatz, Investoren durch regulatori- sche Zwänge zu ESG-Investments zu bewegen – werden auf diese Weise die angestrebten Ziele erreicht? Und nicht zuletzt die Frage: Wie sieht es mit den Kosten und Risiken aus? Eine neue Kritiker-Front Geht man diesen Fragen nach, stellt man fest, dass Flossbach bei Weitem nicht der Einzige ist, der mit der aktu- ellen Entwicklung beim ESG-Thema seine Probleme hat. Selbst Vertreter von Stiftungen, deren Auftrag lautet, sich für besagte Ziele einzusetzen, beginnen die derzeit verfolgten Ansätze mit Skepsis zu betrachten. So ortet etwa Petra Träg, Geschäftsführung der SOS-Kinderdorf- Stiftung, beim Pushen von ESG-Fragen mehr oder weniger ein Abputzmanöver der Politik: „Die ESG-Regulierungen, über die Kapitalanleger einbezogen werden, sind im Grunde ein Zeichen dafür, dass die Nach- haltigkeitsziele durch die bisherigen Maß- nahmen nicht erreicht werden. Deswegen werden die Kriterien für nachhaltige Kapi- talanlagen im Rahmen der EU-Taxonomie definiert.“ Investoren sollen also richten, was die Politik nicht geschafft hat. Aus Sicht der Politiker ist dieser Weg nicht ungeschickt: Erstens haben Kapitalströme naturgemäß den größten Einfluss auf wirt- schaftliche Entwicklungen, und zweitens müssen politisch Verantwortliche auf diese Weise selbst keine unpopulären Entschei- dungen treffen. Einen offenbar bewusst herbeigeführten Zuständigkeitsverlust ortet auch Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI- Gruppe: „Wenn das zuständige Verkehrs- ministerium schon auf seiner Webseite pro- klamiert, man solle alle Ideen weglassen, die Leute verärgern könnten, kann man nur Die ESG-Regulierungswelle rollt und löst einen gesellschaftlichen Druck aus, der es die längste Zeit zu verunmöglichen schien, sich kritisch zu dem Thema zu äußern. Jetzt formiert sich jedoch erster Widerstand gegen auftretende Fehlentwicklungen. FOTO : © CHR I S TOP H HEMME R I CH, S TOCK P I CS | S TOCK . ADOB E . COM » Die ESG-Regulierung zeigt, dass die Nachhaltigkeitsziele durch die bisherigen Maßnahmen nicht erreicht wurden! « Petra Träg, Geschäftsleiterin der SOS-Kinderdorf-Stiftung Zwang zum Guten Ausblick auf die Nachhaltigkeitsentwicklung Der gesellschaftliche Konsens verunmöglicht es, gegen nachhaltiges Investieren zu sein. Es ist gesellschaftlich kaum möglich, dagegen zu sein. Entsprechend sehen 77 Prozent der befragten Personen aus der betrieblichen Altersvorsorge verantwortungsbewusste Investments bereits als „Must-have“ an. Quelle: Studie der Kas-Bank vom Frühjahr 2019 77 % gehen davon aus, dass verantwortungsbewusste Investments zukünftig gesellschaftlich an Bedeutung gewinnen und sogar als „Must-have“ angesehen werden. 68 % fordern treuhänderische Pflicht auch in Form einer nachhaltigen Kapitalanlage. 59 % begrüßen ESG-Transparenzvorschriften in der europäischen beziehungsweise nationalen Gesetzgebung. 82 % wollen keine ESG-Verpflichtung in der bAV-Kapitalanlage. 59 % wollen auf freiwilliger Basis ESG-Faktoren in der Kapitalanlage berücksichtigen. 256 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : E SG - R EGUL I E RUNG

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