Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

• Schutz gesunder Ökosysteme (bis Juli 2022) Hat man sich erst auf eine einheitliche Taxonomie geeinigt, wird es möglich, Quo- ten festzulegen, beispielsweise eine Min- destqote für Green Bonds. Dass Quoten für nachhaltige Investitionen oder Mindest- ESG-Scores eingeführt werden, die institu- tionelle Investoren dann erfüllen müssen, ist wahrscheinlich, aber noch ist die Regulato- rik nicht so weit. Auch in den Beratungsprozess für Anla- ge- und Versicherungskunden sowie indi- rekt auch in die Produktentwick- lung soll das Thema Nachhaltigkeit eingeführt werden: Im Rahmen der Mifid-II- und IDD-Vorschriften sol- len Kunden künftig gefragt werden, ob ihnen Nachhaltigkeitskriterien wichtig sind. Falls ja, muss der Be- rater entsprechende ESG-Produkte anbieten. In dem Fall empfiehlt es sich für Anbieter, entsprechende Produkte im Angebot zu haben. Auf welche Weise künftige Regu- lierungen nachhaltige Investments vor- schreiben, ist noch unklar. „Wichtig ist, dass sich Investoren mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzen“, meint Angelika Delen, Head of Institutional & Distribution Clients and SRI beim Beratungsunternehmen Mercer in Wien. „Allerdings ist regulato- rischer Zwang, Investments in die eine oder andere Richtung zu lenken, immer schlecht. Vielmehr sollten diejenigen Vorteile erhal- ten, die sich um die relevanten Themen kümmern.“ Das war auch schon Gegenstand der Überlegungen, denn einige Zeit wurde der Gedanke diskutiert, Banken und Versiche- rungen Eigenmittelerleichterungen zu gewähren, wenn sie bestimmte nachhaltige Investments vornehmen („Green Supporting Factor“). Das sollte ähnlich laufen wie die Nullhinterlegung für griechische und italie- nische Staatsanleihen. Dieser Gedanke stößt allerdings auch auf Kritik, weil er die Ge- fahr einer Instabilität des Finanzsystems birgt. So erklärt BaFin-Präsident Felix Hufeld zum Auftakt der Konferenz „Nach- haltige Finanzwirtschaft“ am 9. Mai 2019 in Berlin: „So sehr wir Initiativen für mehr Nachhaltigkeit begrüßen und so intensiv wir uns in entsprechende Debatten auf Ebene der Regulierung einbringen, so klar müssen wir an manchen Stellen Grenzen ziehen. Zum Beispiel dann, wenn (…) Nachhaltig- keitsanreize ohne sachgerechten Risiko- bezug mittels begünstigender Kapital- anforderungsfaktoren über die Bücher der Finanzunternehmen ausgesendet werden sollen.“ Es stellt sich also die Frage, ob künftige Regulierungen durch Zuckerbrot oder Peit- sche Finanzmittel in nachhaltige Invest- ments lenken werden. Kommt es nicht zu Eigenmittelerleichterungen, werden mögli- cherweise höhere Eigenmittelanforderungen für nicht nachhaltige Investments einge- führt. Aber selbst wenn es dazu käme, müsste man zunächst die Taxonomie abwar- ten, um entsprechende eindeutige Regelun- gen einführen zu können. Entsprechend abwartend verhält sich die Branche, und nur die ganz großen Inves- toren wie Allianz oder Münchener Rück preschen voran. „Diejenigen Investoren, die von ihrer DNA her nicht bestimmte Invest- ments ausschließen oder andere besonders bevorzugen, warten noch ab, was kommt, und sondieren den Markt“, beobachtet Frank Becker, der als Geschäftsführer bei State Street Global Advisors (SSGA) in München viele institutionelle Kunden betreut. „Zwar gibt es in letzter Zeit keinen Kundentermin mehr, bei dem das Thema ESG nicht am Rande oder prominent ange- sprochen wird, aber die Unsicherheit, wie man das Thema am sinnvollsten angehen soll, ist unter den Investoren derzeit noch groß.“ Becker geht davon aus, dass die EU, so- bald die jetzt vorgeschlagene Taxonomie umgesetzt wurde, genaue Kriterien festle- gen wird, die beispielsweise nachhaltige oder ESG-Fonds erfüllen müssen, um sich eben als nachhaltiger oder ESG-Fonds zu qualifizieren. „Heute gibt es darüber keine verlässliche Klarheit, und Asset Manager können ihre Fonds ESG oder nachhaltig nennen, sofern dies mit bestimmten Maß- nahmen in der Produktkonzeption und im Investmentprozess verbunden ist.“ Ziel: Einheitliche Labels Ist die Taxonomie erst verabschiedet, wird es einheitliche EU-Labels geben, die Verbrauchern helfen sollen, fundierte Inves- titionsentscheidungen zu treffen. Der Bun- desrat gibt sogar noch die weiterreichende Empfehlung, dass zusätzlich Angaben zum Grad der Nachhaltigkeit eingeführt werden. Diese „Nachhaltigkeitsklassen“ könnten ähnlich wie bei Energieeffizienzklassen von Haushaltsgeräten bei allen Produkten ver- pflichtend angegeben werden, steht in der Bundesratsempfehlung. Heterogenität gibt es aber nicht nur bei den Nachhaltigkeitsbegriffen, sondern auch bei den Daten. Becker erklärt, dass sich der- zeit auch die Informationen, die die unter- schiedlichen Spezialanbieter für Nachhaltig- keitsdaten liefern, sehr stark unterscheiden. „Die Korrelation der Rohdaten der Daten- anbieter untereinander liegt je nach Seg- ment zwischen 0,53 und 0,76. Eine so nied- rige Korrelation sagt schon viel über die aktuell sehr unterschiedlichen Bewertungs- modelle aus“, so Becker. Aus diesem Grund setze man bei SSGA auf verschiedene Datenanbieter – je nach Branche, Industrie und je nachdem, ob man den Faktor E (Ecology), S (Social) oder G (Governance) besonders betonen möchte. „Dies trägt ins- besondere auch zu einer erhöhten Transpa- renz und Kontrolle für die Investoren bei“, so Becker weiter. Es ist klar: Das Themenfeld „nachhaltige Investitionen“ ist auch von den Regulatoren nicht leicht zu fassen. Es braucht wohl noch etwas Entwicklungsarbeit und Geduld, bis es eine für alle verständliche Taxonomie, einheitliche Standards und greifbare Regeln gibt. Aber dann wird es höchstwahrschein- lich zu Regulierungen kommen, die auch tief in die Investitionsentscheidungen der Anleger eingreifen werden. ANKE DEMBOWSKI FOTO : © S SGA » Die Korrelation der Rohdaten der ESG-Datenanbieter untereinander liegt je nach Segment zwischen 0,53 und 0,76. « Frank Becker, Geschäftsführer bei State Street Global Advisors (SSGA), München 254 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : E SG - R EGUL I E RUNG

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