Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

B eschleunigtes Artensterben, Plastikfunde bis in elf Kilo- meter Meerestiefe, Wetter- extreme … die Schlagzeilen liefern praktisch täglich Argumente für einen schonenderen Umgang mit unserer Umwelt. Und es gibt auch niemanden, der sich ernsthaft dagegen ausspricht, dass un- ser Wirtschaftssystem „nachhaltiger“ wird. Wie das aber konkret aussehen soll, ist schon viel weniger klar. Daran, dass ein- zelne Maßnahmen nur wenig bewirken kön- nen, besteht kein Zweifel. Der Komplexitätsgrad in einer globali- sierten Ökonomie ist so hoch, dass weder der Atomausstieg Deutsch- lands noch der Verzicht auf Pla- stiktüten in Italien den Planeten retten werden. Es bedarf weltwei- ter Anstrengungen, und diese müs- sen koordiniert erfolgen. Aus ge- nau diesem Grund passiert bisher vergleichsweise wenig. Die Zeit drängt jedoch, und die Politik weiß das. Dies legt bereits der zehn Punkte umfassen- de Aktionsplan für eine umweltfreundliche- re und nachhaltigere Wirtschaft nahe, den die EU-Kommission am 8. März 2018 vor- gestellt hat. Er soll unter anderem helfen, die Vorgaben des Pariser Übereinkommens vom Dezember 2015 zu verwirklichen. Das sieht unter anderem vor, den Kohlendioxid- ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Angesichts dieser extremen Vor- gabe steht fest, dass die dafür benötigten Investitionen im dreistelligen Milliarden- bereich ohne Beteiligung privater Investo- ren nicht aufzubringen sein werden. Und man wird dabei nicht an die Freiwilligkeit appellieren können, sondern auch Zwang ausüben müssen. Noch ist man allerdings nicht so weit, denn die Regulatoren gehen Schritt für Schritt vor. Beispielsweise schreibt die EbAV-II-Richtlinie vom 14. Dezember 2016 den Einrichtungen der betrieblichen Alters- vorsorge (EbAV) vor, sich mit dem Thema zu befassen und auch an Mitglieder und Aufsichten zu berichten. Für Außenstehen- de sieht es so aus, als beschränkten sich die bisher verbindlichen Regelungen in Sachen Nachhaltigkeit überwiegend darauf, dass Investoren einen eigenen Nachhaltigkeits- ansatz entwickeln und darüber berichten müssen. Die Investoren müssen sich mit den Themen Nachhaltigkeit und ESG aus- einandersetzen; ob sie dann auch in nach- haltige Unternehmen und Projekte investie- ren, steht ihnen bislang frei. Selbst die Art und Weise, wie das Reporting auszusehen hat, wird erst peu à peu konkretisiert. So veröffentlichte die EU-Kommission am 7. März 2019 die „Verordnung über Offen- legungsvorschriften für nachhaltige Investi- tionen“. Sie enthält einheitliche Vorschriften darüber, wie die Finanzmarktteilnehmer die Anleger über die Erfüllung ihrer Pflicht zur Berücksichtigung von ESG-Risiken und -Chancen unterrichten sollten. Risikomanagement Während die Reporting-Regelungen von den Investoren vermutlich noch relativ leicht umgesetzt werden können, sind die Anfor- derungen an das Risikomanagement schon nicht mehr ganz so einfach zu befolgen. So müssen die betrieblichen Altersvorsorgeein- richtungen laut EbAV-II-Richtlinie schon jetzt bei ihrer Risikobetrachtung Nachhaltig- keitskriterien explizit berücksichtigen. Dazu sind Risikofaktoren wie Umwelt- und Sozi- alrisiken, Klimawandel, Ressourcenver- brauch sowie „Stranded Assets“ in die Kal- kulationen einzubeziehen. „Stranded Assets“ sind verlorene Investitionen, die dadurch entstehen, dass fossile Reserven nicht geför- dert oder nachgefragt werden, Unternehmen dafür aber bereits Investitionen getätigt be- ziehungsweise ihr Geschäftsmodell darauf ausgerichtet haben. Wie die Anleger mit die- sen Risiken aber konkret umgehen, bleibt derzeit noch ihnen überlassen. Es ist davon auszugehen, dass es ähnliche Anforderungen an das Risikomanagement bald auch für andere Investorengruppen ge- ben wird, denn die BaFin möchte generell, dass materielle Nachhaltigkeitsrisiken als Teil des institutionellen Risikomanagements berücksichtigt werden. In einem Fachartikel zur nachhaltigen Finanzwirtschaft schrieb die Behörde im Mai 2018: „Klima-, Um- welt- und soziale Veränderungen können materielle Risiken für einzelne Finanz- marktakteure sowie den Finanzmarkt als Ganzes bergen. (…) Die beaufsichtigten Unternehmen sollen aktuelle und zukünftige Umwelt-, soziale und Governance-Risiken explizit im Risikomanagement und in ihrer strategischen Steuerung berücksichtigen, um so zu einer effizienten Kapitalallokation beizutragen und ihrer konstruktiven Rolle im Transformationsprozess zu einer nach- haltigen Wirtschaft gerecht zu werden.“ Im Mai 2019 kündigte die BaFin an, bis Jahresende ein Merkblatt zu grünen Invest- Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage liegen noch viele Stolpersteine. Die bisherige ESG-Regulierung beschränkt sich in erster Linie auf Offenlegungspflichten und Transparenz. Und so lange keine einheitliche Taxonomie vorliegt, sind kaum Fortschritte zu erwarten. FOTO : © B A F I N, T HOR S T EN SCH I E R | S TOCK . ADOB E . COM » Wir müssen Grenzen ziehen, wenn Nachhaltigkeitsanreize ohne sachgerechten Risikobezug ausgesendet werden sollen. « Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Definitions probleme 252 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : E SG - R EGUL I E RUNG

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