Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

H at man im Mittelalter Bäcker dabei ertappt, dass ihr Ein- Kilo-Laib Brot weniger als 1.000 Gramm wog, standen sie im Anschluss im Zentrum eines kleines Volksfestes. Die an ihnen vollzogene Be- strafung wurde „Bäckerschupfen“ oder „Bäckertaufe“ genannt, und dass es man- cherorts dafür ein eigenes „Gerät“ gab, legt nahe, dass das gar nicht so selten vorkam, obwohl die Handwerker wussten, was sie riskierten. Dass es in der Finanzwelt lange Zeit keine verbindlichen Regeln für die Erstel- lung von Benchmarks gab, kann man also ohne Übertreibung als System- fehler bezeichnen. So betrachtet wa- ren auch die diversen Benchmark- skandale (siehe Kasten), die uns in den letzten Jahren begleiteten, gar nicht überraschend. Ebensowenig wie der Wunsch, dieses Problem zu lösen, indem man regelt, wie Benchmarks zu berechnen und die Ergebnisse zu publizieren sind. Die Europäische Benchmark-Verordnung wurde bereits am 8. Juni 2016 verabschie- det, nun aber erst stufenweise eingeführt. „Die Verordnung ruft insbesondere Benchmark- und Datenanbieter dazu auf, die neuen Vorgaben zu erfüllen. Beaufsich- tigte Unternehmen müssen in diesem Zusammenhang zunächst nur sicherstellen, dass die Referenzwerte, die sie verwenden, von einem regulierten Administrator bereit- gestellt werden beziehungsweise in zulässi- ger Weise aus Drittstaaten bezogen wer- den“, erklärt Tobias Wohlfarth. Er berät im Frankfurter Büro der Anwaltskanzlei Hen- geler Mueller zu bankenaufsichtsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Themen. „Ab 1. Januar 2020 müssen grundsätzlich alle in der EU ansässigen Indexanbieter eine Lizenz beantragt haben. Verwendet man einen In- dex eines nicht zugelassenen Benchmark- Administrators beziehungsweise in unzuläs- siger Weise einen Index eines Drittstaaten- anbieters, ist das zumindest mal eine Ord- nungswidrigkeit.“ Für Indexanbieter gilt künftig, dass sie als sogenannte Referenzwert-Administratoren (Benchmark Provider) eine Lizenz benöti- gen, also von einer Finanzaufsichtsbehörde zugelassen werden müssen. Dafür müssen sie verschiedene Kriterien erfüllen. Sie müs- sen beispielsweise kundtun, was genau wie und wann berechnet wird, wer den jeweili- gen Index berechnet und welche Daten da- für herangezogen werden. Informationen über die Datenquelle gehören ebenso dazu Die Europäische Benchmark-Verordnung vom 8. Juni 2016 wird stufenweise eingeführt und betrifft neben Asset Managern auch viele Verträge zwischen Investoren und Produktanbietern. Betroffen sind insbesondere Produkte, die sich auf Drittstaaten-Benchmarks beziehen. FOTO : © B AH L CONS U LT, A RT FOCU S | S TOCK . ADOB E . COM » Viele Übergangsfragen sind noch nicht geklärt, vor allem was Geschäfte betrifft, die 2020 Bestandsgeschäfte sind. « Martina Bahl, Geschäftsführerin BahlConsult GmbH Kontrollierte Maßstäbe So kam es zur Benchmark-Regulierung (BMR) Wie so oft: Erst wurde ein Skandal aufgedeckt, dann kam es zur Regulierung. I m Zusammenhang mit den bekannt gewordenen Libor-Manipulationen ließ die Europäische Kommission im Okto- ber 2011 die Londoner Geschäftsräume der Royal Bank of Scotland durchsuchen. Interessenkonflikte hatten hier zu einer ver- zerrten Angabe durch die Banken geführt. Später verhängte die Kommission eine Re- kordstrafe von 1,7 Milliarden Euro gegen mehrere Großbanken, von denen u. a. die Deutsche Bank, die französische Société Générale, die Royal Bank of Scotland, Ci- tigroup, J.P. Morgan Chase und RP Martin betroffen waren. Transparenz und Integrität von Referenzwerten gewährleisten Bald darauf haben EBA und ESMA Guidelines veröffentlicht, und die IOSCO erstellte 2013 Prinzipien zur Benchmark- berechnung. Nach einem Legislativvor- schlag der Europäischen Kommission un- terzeichneten schließlich das Europäische Parlament und der Rat am 8. Juni 2016 die Benchmark-Verordnung. Sie soll hel- fen, Transparenz und Integrität von Refe- renzwerten zu gewährleisten und damit das Vertrauen der Finanzmarktakteure in die Finanzmärkte wiederherzustellen. Schutz von Investoren und Verbrauchern Zielsetzung der Benchmark-Verordnung ist es, dem Schutz von Investoren und Ver- brauchern zu dienen. Entsprechend lautet die Begründung für die Benchmark-Ver- ordnung auf der Website des österreichi- schen Bundesministeriums für Finanzen: „Mit der EU-Verordnung soll sichergestellt werden, dass in der EU hergestellte und verwendete Benchmarks robust, zuverläs- sig, repräsentativ und für den angestreb- ten Einsatzzweck geeignet sind. Bench- marks sollen auch nicht nochmals Gegen- stand von Manipulationen sein.“ 248 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T : I NDE XR EGUL I E RUNG

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