Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

Komplex gestalten sich auch die regula- torischen Rahmenbedingungen. Während man für das laufende Jahr in den östlichen Mitgliedsländern der Union auf die Annah- me der EU Insolvency Directive (EUID) wartet, muss man sich in Staaten wie der Ukraine oder der Türkei auch in Zukunft mit einzelstaatlichen Insolvenzlösungen auseinandersetzen. Das kann allerdings – wie das Beispiel Türkei zeigt – auch eine Chance darstellen. Das Land am Bosporus wartete in jüngster Zeit nicht mit den optimalsten Schlagzeilen auf und sorgt unter Investoren für Unsicher- heit. So hat die regierende Erdogan-Partei AKP zu Redaktionsschluss erfolgreich den Verlust der Bürgermeisterwahl in Istanbul beeinsprucht, wirklich in die Enge treibt die Wirtschaft jedoch der massive Verfall der Landeswährung Lira, der in der zweiten Jahreshälfte 2018 zu einem starken Anstieg von Schuldenrestrukturierungen geführt hat. Nahezu gleichzeitig kam es zu einer Re- form des Insolvenzrechts. Türkisches Regelwerk Nachdem im Rahmen des 2016 ausge- rufenen staatlichen Notstands das Prinzip eines Konkursschutzes aufgehoben bezie- hungsweise verboten worden war, wurde im vorigen Jahr ein neues „Konkordato“ erlas- sen. Dabei handelt es sich um die Regeln zu einer Gläubigervereinbarung, die „von den grundsätzlichen Prinzipien her sehr an das italienische Concordato Preventivo an- gelehnt sind“, wie Asil Orbay, Analyst der Debtwire-Mutter Acuris, erklärt. Es geht hier um einen vom Gericht überwachten Prozess, in dessen Rahmen Schuldner oder Gläubiger beantragen können, dass neue Kreditlaufzeiten oder teilweise Schulden- erlässe vereinbart werden. Das Regelwerk ist naturgemäß komplex; was Gläubiger im Kern interessieren dürfte, ist die Tatsache, dass bis zu sieben von ihnen einen Gläu- bigerrat bilden können, der gemeinsam mit einem vom Gericht bestimmten Kommissar Empfehlungen über den Verlauf der Gläu- bigervereinbarung aussprechen kann. Kommt es letzten Endes – der Prozess kann mit allen Verlängerungsoptionen bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen – doch zu keiner Vereinbarung, erfolgt der Konkursantrag. Bis dahin dürfen Schulden nicht eingetrie- ben werden. In türkischen Medien wurde heftig über Wohl und Wehe dieser Regeln diskutiert, klar ist jedoch, dass sie von der Wirtschaft selbst recht aktiv angenommen werden. So haben seit Einführung des neuen Insolvenz- regimes mehr als 3.000 Unternehmen ein Konkordato beantragt. Laut Debtwire deutet der Trend darauf hin, dass bis Ende des Jahres bis zu 7.000 Anträge gestellt werden. Interessantes Detail: Von den bereits einge- brachten Anträgen stammen 75 Prozent aus dem Bausektor. Auch von der Anleihenfront kommt Rückenwind, was die Größe des Marktes betrifft: So hat sich im ersten Quar- tal das in US-Dollar und Euro denominierte Emissionsvolumen von Corporates im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf den Gegenwert von 9,4 Milliarden Dollar ver- doppelt. Nerven und Insider Doch für den türkischen Markt gilt eben- so wie für einen großen Rest Europas, dass das Umfeld mitunter unübersichtlich ist, man also bei direkten Engagements einen regionalen Partner zuziehen sollte, der so- wohl die regulatorischen als auch die infor- mellen Bedingungen vor Ort genau kennt. Dass das Umfeld insgesamt ans Nervenkos- tüm gehen kann, sieht und bekennt man auch im Markt: „Wir sehen keinen Grund dafür, dass 2019 nicht die eine oder andere Investmentmöglichkeit bieten sollte“, erklärt THM-Partner Andrea Trozzi. „Vorausset- zung ist, dass man Transaktionen schnell durchführen kann und kurzfristig gesehen die Nerven bewahrt werden.“ HANS WEITMAYR Woher die Informationen kommen Investoren fordern Daten und Fakten verstärkt vom Schuldner ein.* Investoren suchen relevante Informationen derzeit weniger im Bankensektor eines Landes, sondern fordern diese zunehmend von den eigenen Schuldnern ein. Auch die Rolle der Berater ist bedeutender geworden. *Mehrfachnennungen möglich | Quelle: Debtwire 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Presse/öffentl. Quellen Broker Unabhängige Emittenten Bestehende Gläubiger Berater Direkte Kontaktaufnahme mit Unternehmen 2017 2018 53 % 16 % 51 % 56 % 26 % 24 % 25 % 26 % 13 % 34 % 32 % 44 % Wie generell in Distressed Debt investiert wird Distressed Investors bevorzugen das direkte Engagement.* Investoren, die im Markt für Distressed Debt aktiv sind, gehen meist direkt in den Markt. Zugänge via Bond-, CDS- oder gar den Aktienmarkt stellen aber ebenfalls Optionen dar. *Mehrfachnennungen möglich | Quelle: Debtwire 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % Nicht investiert Private Equity Fallen Angels NPL Bau/Immobilien Aktien CDS Direct Lending Sekundärer Bond-Markt High Yield Bonds (Primärmarkt) Distressed Debt 23 % 1 % 2 % 7 % 10 % 14 % 2 % 2 % 8 % 11 % 20 % » Voraussetzung ist, dass man Transaktionen schnell durchführen kann und kurzfristig gesehen die Nerven bewahrt werden. « Andrea Trozzi, Partner bei THM Partners 238 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : D I S T R E S S ED DEB T

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