Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

D ie Insolvenz des Nahrungs- mittel- und Handelskonzerns Agrokor hätte es in sich ge- habt, die kroatische Wirt- schaft an den Rand des Zusammenbruchs zu stoßen. 60.000 Mitarbeiter zählte das Unternehmen zuletzt. Aufgeteilt auf 159 Unternehmen hatte das Unternehmen einen Schuldenberg von rund sechs Milliarden Euro aufgetürmt. Das entspricht rund 15 Prozent des kroatischen Jahres-BIPs. Hier von Systemrelevanz zu sprechen, erscheint angebracht. Zwei Jahre nachdem das Unternehmen unter Staatskuratel gestellt worden war, versucht es nun einen Neuanfang. Per 1. April hat die neue Dachgesellschaft For- tenova Group, in der die gesunden Unter- nehmensteile gebündelt werden, den Be- trieb aufgenommen. Die alte Muttergesell- schaft Agrokor wird später liquidiert. Der damit angelaufene Restrukturierungsprozess stellt somit eine schöne Case Study dafür dar, was im Bereich Distressed Debt alles passieren kann. Case Study Agrokor Denn die neue Holding gehört jetzt den Gläubigern, die im vergan- genen Sommer nach langem Hin und Her einen Vergleich erzielt ha- ben. Demnach ist die russische Sber- bank mit rund 39 Prozent der größte Aktionär der Fortenova-Gruppe. An- leihenzeichner, vor allem US-Fonds, halten 25 Prozent, es folgen die rus- sische VTB Bank mit 7,5, BNP Pa- ribas mit 2,5 Prozent, die kroatische UniCredit-Tochter Zagrebačka ban- ka ist mit 2,4 Prozent beteiligt. Die österreichische Raiffeisenbank hält 1,2 Prozent, die Addiko Bank – ehe- mals Hypo Alpe Adria – hält ein Prozent. Der Rest verteilt sich auf weitere kroatische Institute. Von den 159 Unternehmen werden zu- nächst jene 77 Firmen mit Sitz in Kroatien, die schon jetzt unter staatlicher Kuratel standen, in die neue Dachgesellschaft über- führt. 45 insolvente Töchter sollen weiter- geführt werden. Dazu gehören auch der Einzelhändler Konzum oder der Getränke- hersteller Jamnica, die als Konzum Plus be- ziehungsweise Jamnica Plus neu aufgestellt werden sollen. Klingt kompliziert? Ist es auch. Klingt dramatisch? War es auch – gehört aber zum Kerngeschäft von Männern wie Jeff Drake, Managing Director bei AlixPartners, einem Beratungsunternehmen, das für seine Arbeit im Turnaround-Bereich bekannt ist, oder Gijs de Reuver, ebenfalls Managing Direc- tor, allerdings bei Houlihan Lokey, einer weltweit tätigen Investmentbank mit Haupt- sitz in Los Angeles. Beide Fachleute wur- den zu Beginn der Agrokor-Krise ins Land gerufen, um das Ausmaß des Desasters abzuschätzen und die involvierten Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen, wie sie im Rahmen des CEE Restructuring Forums 2019 in Wien erzählten. Fünf vor zwölf Wenn sich Haudegen wie Drake und de Reuver über die Zeit mit Agrokor unterhalten, fühlt man sich in einen Wirt- schafts-Thriller von John Grisham versetzt: eigentümlich agierendes Management, Lügen, Finten, un- durchsichtige Firmenstrukturen. „Mir war sofort klar – wir müssen zuerst das Management loswerden“, schildert de Reuver seine ersten Ein- drücke. Nicht, dass das problemlos vonstatten gegangen wäre. „Es wur- de immer alles ausgereizt. Bis zur letzten Sekunde. Als ich das erste Mal auf die Unterschrift unter eine Vereinbarung wartete, dachte ich, das wird nichts mehr. Sie kam ein- fach nicht. Ein kroatischer Kollege Distressed Debt gehört zu den lukrativsten, aber auch riskantesten alternativen Assetklassen. Geografisch gesehen orten Marktteilnehmer Chancen im Osten Europas. Wie Fallbeispiele zeigen, kann es dort aber recht ruppig zugehen. Nationale Regulatorik verkompliziert die Situation weiter. In welchen Regionen Chancen liegen 62 Prozent der Distressed-Debt-Investoren orten in den USA starkes Potenzial.* 45 Prozent der etablierten Distressed-Debt-Investoren erscheint der osteuropäische Markt als potenziell besonders ertragreich. Der damit einher- gehenden Risiken und Komplikationen muss man sich jedoch bewusst sein. *Mehrfachnennungen möglich | Quelle: Debtwire 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Afrika & Naher Osten China Westeuropa Osteuropa Asien (ex China) Nordamerika 62 % 49 % 45 % 9 % 32 % 3 % FOTO : © E T I AMMOS | S TOCK . ADOB E . COM » Es wurde immer alles ausgereizt. Bis zur letzten Sekunde. « Gijs de Reuver, Managing Director bei Houlihan Lokeypt, über seine Erfahrungen mit Agrokor Starke Nerven gefragt 236 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : D I S T R E S S ED DEB T

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=