Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

Nicht mehr private Institute kauften Papiere, sondern die nationalen Notenbanken – „die Nationalisierung der Schulden fand also nicht mehr in der Bilanz des privaten Ban- kensektors, sondern in jenen der einzelnen Nationalbanken statt“, so Minenna. Am besten – und damit befindet sich der italienische Ökonom wieder im Konsens mit vielen seiner Kollegen aus der Kernzone – lassen sich die aus den Kaufprogrammen entstandenen Ungleichgewichte im Rahmen der Target-2-Salden abbilden (siehe Grafik „Die Salden des Schreckens“) . Diese Bilan- zen bilden die Finanzströme zwischen den Ländern der Eurozone ab. Zunächst laufen sie mit dem Beginn der Finanzkrise ausein- ander, um mit dem Beginn von LTRO im Dezember 2011 und PSPP im März 2015 jeweils einen ordentlichen Zwischenschub zu erhalten. Während Target 2 für Kernlän- der aber eine Warnung davor darstellt, was passieren könnte, wenn die in diese Salden abgebildeten Forderungen nicht bedient wer- den, stellt es für die Peripherie einen Hin- weis darauf dar, in welche Richtung die Risiken der Eurozone abgewälzt wurden. Nun könnte man an dieser Stelle sagen: So weit, so gut. Das ist jetzt nicht die beste aller Welten, aber immerhin wur- de die Eurozone gerettet – was in gewisser Weise auch stimmt. Al- lerdings hat der Sommer 2018 wieder ein Schlaglicht auf die Re- denominationsrisiken geworfen – also auf das Risiko, das entsteht, wenn ein Land aus der Eurozone herausfällt, eine nationale Wäh- rung annimmt und die Staats- schulden des Landes neu bewer- tet beziehungsweise abgewertet werden, oder gar ganz ausfallen. Dieses Risiko ist vergangenen Sommer deutlich angesprungen, wie man anhand der Entwicklung von italienischen Staatsanleihen sehen kann, die durch CACs (Collective Action Class) geschützt sind, und sie mit solchen vergleicht, die derartige Schutzrechte nicht ausweisen ( siehe Grafik „Wenn die Angst um sich greift“ ). CAC- Bonds wurden 2013 eingeführt und weisen aufgrund ihres höheren Gläubigerschutzes in der Regel geringere Kupons aus. Je höher das Risiko, desto stärker sollte also der Spread zwischen diesen beiden Anleihenty- pen ausfallen. Genau das ist geschehen: Während die Renditedifferenz im Frühjahr 2018 noch bei rund fünf Basispunkten lag, verfünffachte sich diese im Jahresverlauf. Das isolierte Austrittsrisiko Italiens wurde also im Herbst 2018 fünfmal so hoch gese- hen wie zu Jahresbeginn. Minennas Argument lautet also: Dadurch, dass die Risiken für einzelne Länder der Europeripherie gestiegen sind, hat sich das Risiko für Eurozone insgesamt ebenso deut- lich erhöht. Was also wäre aus Sicht des ita- lienischen Finanzmarktaufsehers zu tun, um eben diese Risiken zu verringern? Mögliche Strategien Die Antwort Minennas: Vor allem die EZB muss ihren Ansatz ändern. Das reine Inflationsziel sieht er aufgrund der national unterschiedlichen Teuerungsraten als verfehlt an. „Stattdessen sollte die Bank ein direktes Zinsziel verfolgen, wie es die Bank of Japan bereits 2016 beschlossen hat.“ Im Rahmen dieser Strategie sollte die Zentralbank unter Rücksichtnahme auf die unterschiedlichen Inflationsniveaus kontinuierlich und differen- ziert in den einzelnen Staaten intervenieren. Das kann aber nur funktionieren, wenn man in einem ersten Schritt auf die derzeit ange- wendeten Kapitalschlüssel des PSPP ver- zichtet. Dieses Kriterium sieht vor, dass das Interventionspotenzial einer Notenbank von Wirtschaftswachstum und Bevölkerungszahl abhängt. Paradoxerweise habe das dazu ge- führt, dass „Deutschland der größte Nutznie- ßer“ dieser Interventionen sei. Außerdem müssten die Interventionen aus Sicht Minen- nas von den nationalen Notenbanken auf die EZB übertragen werden. Das würde zu einer Reduzierung der Target-2-Salden und der aus Peripheriesicht erwünschten Aufteilung der Eurorisiken führen. Um die Eurozone aber wirklich zu stabi- lisieren, führt laut Minenna „angesichts der gewaltigen Zentrifugalkräfte“ kein Weg an einer stärkeren Integration vorbei, die schlussendlich in einer Fiskalunion enden soll. Der erste Schritt auf diesem Wege wäre eine Reform und Ausweitung des Euro-Schutzschildes ESM, die letzten Endes in eine supranationale Garantie für alle Länder der Eurozone mündet und außerdem eine Nicht-Redenominierungs- Klausel beinhaltet. Diese Positionen sind aus der Perspektive von Kerneuropa sicherlich radikal, wahr- scheinlich provokant und möglicherweise absurd. Aufgrund der Quelle sind sie aber ernst zu nehmen und stel- len somit Ansätze dar, die die Pe- ripherie durchzusetzen versuchen wird. Marktteilnehmer sollten sich also nicht überrascht zeigen, wenn das Thema „Transferunion“ in nächster Zeit wieder prominenter gespielt und entsprechend vehe- ment argumentiert wird. Die mit- unter verbittert anmutende Tonali- tät des Positionspapiers lässt dar- auf schließen, dass sich die Peri- pherie nicht nur ökonomisch, son- dern auch moralisch im Recht sieht. Das könnte entsprechende Unruhe in die Märkte der Euro- zone tragen. HANS WEITMAYR Wenn die Angst um sich greift Collective Action Clauses (CACs) bieten erhöhten Gläubigerschutz bei Default. Der Spread zwischen italienischen Anleihen, die durch CAC-Zusätze einen höheren Gläubigerschutz ausweisen, und solchen, die eine solche Klausel nicht ausweisen, hat sich im Vorjahr zeitweise verfünffacht. Quelle: Studie 0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 3,0 % 2,5 % 5 0 10 15 20 30 25 Basispunkte Spread CAC vs. Nicht-CAC Bond (2022) ohne CAC Bond (2021) mit CAC K 2018 Feb Dez 2019 » Statt des Inflationsziels sollte die EZB ein direktes Zinsziel verfolgen, wie es die Bank of Japan bereits 2016 beschlossen hat. « Marcello Minenna, Consob N o. 2/2019 | www.institutional-money.com 235 P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : EURO - R I S I K EN

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