Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

kanntlich massiv auseinandergestoben. Mi- nenna erweitert deshalb den realen effekti- ven Wechselkurs um diese Spreads und kommt so auf einen Indikator, den er Finan- cial Real Effect Exchange Rate (F-REER) nennt (siehe Chart „Reale Währungsent- wicklung“) . Dieser zeigt vom Jahr 2000 bis Juli 2008 einen Verlauf, der dem REER- Graph ähnelt, ab dann jedoch eine relativ spektakuläre Schere aufreißt: Während Deutschland gemäß diesem Indikator von Januar 2000 bis Juli 2018 rund zehn Prozent abgewertet hat, haben Italien um knapp 20 und Spanien um knapp 30 Prozent aufge- wertet. „Wir sehen also große Wettbewerbs- lücken, die sich zwischen Deutschland auf der einen sowie Spanien und Italien auf der andere Seite etablieren. Im italienischen Fall sind es 30, im spanischen Fall 40 Prozent zugunsten Deutschlands“, so Minenna. Neben den günstigen Wechselkursen tra- gen auch die Rendite-Spreads zur steigenden Wettbewerbsfähigkeit der Kernzone bei. Vergleicht man den gleitenden Sechsmonats- schnitt zehnjähriger deutscher Bunds mit analogen italienischen Papieren, so sind de- ren Renditen im Rahmen der Eurokrise über 400 Basispunkte geklettert und haben zeit- weise an der 500er-Marke angeklopft. Als im Sommer des Vorjahres rund um die Wah- len wieder Bedenken zum politischen Risiko auftauchten, überschritten die Spreads wie- der die 400-Punkte-Marke. Zwar sind diese Differenzen bis Redak- tionsschluss wieder zurückgegangen, klar ist jedoch, dass die Märkte in puncto Peripherie nach wie vor hoch nervös sind, „weil es in der Krisenbekämpfung in sieben Jahren keine großen Verbesserungen gegeben hat“, so Minenna. Risiko Nummer zwei Womit wir uns dem bereits kurz erwähnten zweiten Risiko widmen wollen – nämlich dem der „systematischen Risikotren- nung innerhalb der Eurozone“. Dabei handelt es sich pikanterwei- se um einen Zustand, der von den Ländern der Kernzone ausdrück- lich angestrebt wird. Die finan- zielle Quarantäne der Peripherie gilt dort als so ziemlich oberstes Gebot – eine Sichtweise, die eigentlich recht logisch erscheint. Wie also verteidigt ein italieni- scher Ökonom die These, es wäre besser, die Risiken nicht regional einzudämmen? Das tut er nicht unelegant, indem er nicht einzel- staatlich, sondern projektbezogen argumen- tiert. Der Tenor: Kann sich ein Land der Peripherie nicht in der Zone halten, bedeutet das möglicherweise deren Ende. Die Isolie- rung der einzelstaatlichen Risiken senkt also das einzelstaatliche Risiko der Kernländer und erhöht somit das Gesamtrisiko für die Eurozone. Die Auslöser Wobei Minenna Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande stark dafür verantwortlich macht, dass die Risiken für das Euro-Finanzsystem überhaupt erst ent- standen sind: „Diese Staaten haben enorm zur Verbreitung der Eurokrise beigetragen. Zunächst bauten sie ein hohes Exposure gegenüber US-Derivaten auf. Als die Ban- ken der Kernzone aufgrund dieser Engage- ments in Schieflage gerieten, drehten sie den verschuldeten Ländern der Peripherie die Kredithähne zu, womit die Leistungsbilan- zen endgültig ins Rutschen gerieten.“ Die großen Leistungsbilanzüberschüsse Deutsch- lands seien wiederum in Länder wie Irland und Spanien geflossen und „hätten dort Investment- und Immobilienblasen verur- sacht“, so Minenna. Insgesamt gibt der Consob-Mann an, dass das Gesamtexposure der französischen und deutschen Banken Richtung Peripherie An- fang 2008 bei rund 1,9 Billionen Euro lag. Als die Eurokrise schließlich ihre volle Wucht entfaltete, stellte sich „für die Regie- rungen in Frankreich und Deutschland die schwierige Frage“, ob man die eigenen Ban- ken, denen bei ihren Peripherieforderungen gewaltige Verluste drohten, aus dem eigenen Budget auffangen oder Rettungsprogramme für die einzelnen Peripherieländer schnüren sollte. Bekanntlich wurde die Rettungspaket- Lösung vorgezogen. Während diese Maßnahmen in der Kern- zone vor allem unter dem Aspekt der „Ret- tung“ interpretiert werden und somit auch immer ein wenig der Subtext der Groß- zügigkeit mitschwingt, bewertet Minenna diese Strategie diametral entgegengesetzt: „Das riskante Exposure der deutschen und französischen Banken wurde auf den gesam- ten öffentlichen Sektor der Währungsunion und somit auf alle Regierungen der Euro- zone transferiert, also auch auf solche, die ein vernachlässigbares Exposure in diese Richtung auswiesen.“ Aus Sicht des italienischen Ökonomen war das viel zitierte Peripherierisiko also in Wirklichkeit ein Kernzonenrisiko des dorti- gen Bankensektors, das nicht isoliert wurde, sondern vielmehr auf den Rest der Eurozone übergeschwappt ist. Die Zeit, die den Banken erkauft wurde, nützten diese für ein massives Deleveraging. Dieses erfolgte im Rahmen der Long-Term Refinancing Operations (LTROs), in denen vor allem Peripheriebanken die rund eine Billion Euro, die von der EZB ausgeschüttet worden waren, aufnahmen und in weiterer Folge den Kernbanken deren Peripherie- Exposure – sprich: Staatsanleihen – ab- kauften. Legt man den Chart, der das Peripherie- Exposure abbildet, über den, der das Volu- men der Peripherieschulden darstellt, die von nationalen Marktteilnehmern gehalten werden, lässt sich eine deutlich ausgeprägte inverse Kor- relation ablesen (siehe Grafik „Umschichtung“) : Während das Engagement der deutsch-französi- schen Banken von 1,9 Billionen Euro im April 2008 auf nur mehr knapp 700 Milliarden im Dezem- ber 2017 zurückging, verdoppelte sich das Volumen der öffentlichen Schulden, die von heimischen In- stituten und Investoren gehalten wurden, auf rund zwei Billionen Euro. Im Rahmen des 2015 initiierten Public Sector Programme (PSPP) wurde die Strategie geändert. Target 2: Die Salden des Schreckens Der berüchtigte Saldo hat sich in drei Phasen ausgeweitet. Dass die Target-2-Salden ein hohes Risiko innerhalb der Eurozone symbolisieren, sieht man in der Peripherie und der Kernzone ähnlich. Die Interpretation fällt aber diametral entgegengesetzt aus. Quelle: Studie -1000 -800 -600 -400 -200 0 200 400 600 800 1000 1200 Mrd. EUR Kern-Zone Peripherie-Zone S 2015 2018 2010 2005 2001 234 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : EURO - R I S I K EN

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