Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

mittelstarke und weniger starke Gewichtungen. Das Wasser im Aquarium stellt die Liquidität dar und der Sand am Boden das Beta. Wenn wir keine überzeugenden Länder finden, kaufen wir einfach den Index. Wenn wir aber von einem Land überzeugt sind, kön- nen wir starke Positionen eingehen. Aktuell ist Venezuela der dickste Brocken. Danach folgen Türkei, Argentinien und die Ukraine. Das sind aber doch sehr proble- matische Länder … Jean-Jacques Durand: Ja, wir meiden den Konsensus, die Länder, in die alle gehen. Wir betrachten neben den fundamentalen Faktoren auch die technischen. Wir versuchen den Punkt zu finden, wo die Wahr- scheinlichkeit einer Aufwärtsbewe- gung höher ist als die einer Ab- wärtsbewegung. 2012 waren wir etwa stark in Ägypten gewichtet, während der problematischen Präsidentschafts- wahl. Wir haben gesehen, dass die Bonds dort niedrig bewertet wurden, und waren überzeugt, dass es keinen Default geben würde. Man darf sich bei Emerging Markets nicht durch den kurzfristigen Lärm des Marktes leiten lassen, sondern braucht eine langfristige Sicht. Wir ändern die Gewichtung im Fonds nicht alle 14 Tage, sondern sie bleibt oft für sechs Monate oder auch mal für ein oder zwei Jahre bestehen. Sie sagen, dass Venezuela ein rohstoff- reiches Land ist. Aber wie kann Venezuela derzeit sein Öl oder seine Südfrüchte för- dern beziehungsweise ernten und dann ins Ausland verkaufen? Jean-Jacques Durand: Die Ölproduktion Ve- nezuelas und auch der Rest der Wirtschaft liegen am Boden, aufgrund der idealistisch geleiteten sozialistischen Revolution. Prä- sident Nicolás Maduro hat sich mit äußerst dogmatischen Leuten umgeben und ist insgesamt nicht so pragmatisch, wie es sein Amtsvorgänger Hugo Chávez war. Durch die Enteignungen und Verstaatlichungen wurde das Rückgrat der Wirtschaft zerstört, hinzu kommt ein gigantisches Korruptions- system, durch das viele Milliarden US- Dollar außer Landes flossen. Der Ölpreis wird im Land hoch subventioniert. Das fördert insbesondere den Schmuggel. Es gibt viele Fischer, die nicht mehr fischen, sondern Öl und Diesel schmuggeln. Daher sind wir jetzt an dem Punkt, wo wir derzeit sind. Ohne all diese Arbitrage-Möglichkei- ten ist Venezuela ein sehr reiches Land, es hat Rohstoffe und ist fruchtbar. Venezuela könnte seine Schulden ohne Weiteres zu- rückzahlen. Das Problem ist nur das System. Was braucht das Land jetzt? Jean-Jacques Durand: Die Wirtschaft Vene- zuelas braucht die Wiederherstellung nor- maler Wirtschaftsprozesse und natürlich jede Menge Investitionen. Die Produktion in den vergangenen drei Jahren ist insbe- sondere aufgrund der fehlenden Investitio- nen so stark zurückgegangen. Der künstlich gehaltene Währungskurs hat Arbitrage und Korruption gefördert und war natürlich auch kein Incentive für ausländische Inves- toren, im Land zu investieren. Jetzt haben wir das Desaster, aber es ist ja eine Umbruchentwicklung im Gang. Der Druck ist gestiegen, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Wende kommt. Ist es vorstellbar, dass Venezuelas Wirtschaft innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder in Gang kommt? Jean-Jacques Durand: Egal welche neue Regierung kommen wird, sie wird als Priorität haben, Ölförde- rung und -verkauf wieder in Gang zu bringen. Das ist aber nur mit viel frischem Geld machbar. Dazu muss Venezuela vernünftig mit Gläubigern verhandeln und sich als guter Schuldner darstellen, das Ganze am besten flankiert von einer IWF-Maßnahme. Venezuela wird es sich nicht erlauben kön- nen, jahrelang herumzufackeln wie da- mals Argentinien mit seinem Take-it-or- leave-it-Angebot. Venezuela hat jeden Anreiz, sich als guter Schuldner darzu- stellen, daher glauben wir hier an eine Erholungsgeschichte. Das ist nicht wie Griechenland: Die Griechen konnten ihren politischen Europa-Hebel einset- zen, um die Investoren quasi zu erpres- sen. Die Situation der Venezolaner ist anders, daher werden sie auch ihre Schulden bedienen. Sie haben bisher immer ihre Schulden bedient. Was halten Sie von den Kryptowährungen, die Venezuela in seiner Not eingeführt hat? Jean-Jacques Durand: Das war ein Non-Event, nur ein kurzfristiges Medien-Event, man hört jetzt auch gar nichts mehr davon. Damals, zu den Hochzeiten der Cyberwäh- rungen, haben viele Venezolaner Bitcoins geschürft, denn Strom war dort relativ billig, und es gab noch nicht so viele Strom- ausfälle wie jetzt. Besuchen Sie die Länder, in die Sie inves- tieren, um das Look-and-Feel zu erleben? Jean-Jacques Durand: Wir reisen ab und zu in die Länder. Wir haben nicht die Zeit, um jedes Land, das für Investitionen in Frage kommt, zu besuchen. Man muss dabei auch sehr vorsichtig sein, dass man nicht der Ver- suchung erliegt, die lokal gewonnenen Ein- drücke überzugewichten. Wenn Sie Armut » Ich sehe in Venezuela eines der besten Chance- Risiko-Verhältnisse der letzten 20 Jahre. « Jean-Jacques Durand, Senior Portfolio Manager des Edmond de Rothschild Fund Emerging Bonds A L L E F OTO S : © PAT R I C K S OR DO I L L E T | E DMOND D E ROT H S CH I L D 202 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com PRODUK T E & S T RA T EG I EN : J EAN- JACQUES DURAND | EDMOND DE ROTHSCHI LD

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