Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

2 012 von Mathematikern, Physi- kern und Volkswirten mit beruf- lichem Hintergrund bei Banken und in der Strategieberatung ge- gründet, ist die Boutique in den Armen von C-Quadrat gelandet. Konkret hält die öster- reichische Investmentgesellschaft nun 50,1 Prozent der Anteile an der Quantic Financial Solutions GmbH, der Rest liegt in den Hän- den der sechs Partner Walter Mussil, Andreas Henking, Roland Demmel, Hans-Michael Schania, Dietrich Matthes und Axel Walek. Global Deep Data als Basis Grundlage des Geschäfts ist das Sam- meln von Finanzdaten aus den Bilanzen von weltweit mehr als 42 Millionen Unter- nehmen, die zumindest Informationen zu ihrem Umsatz veröffentlichen. Diese Daten- fülle wird standardmäßig voll automatisiert in eine multidimensionale algorithmische Bilanzprognose-Engine namens „Credit- Dynamix“ eingelesen. Laut Anbieter liegt hier ein wesentlicher Unterschied zu her- kömmlichen auf Fundamentaldaten abstel- lenden Ansätzen. Diese beschränken sich in der Regel auf die führenden 500 bis zu 2.000 Unternehmen weltweit, können den Markt aber nicht in seiner Breite abdecken. In einem nächsten Schritt werden diese Bot- tom-up-Fundamentaldaten – aktueller Stand sind die zuletzt verfügbaren Bilanzen und GuV-Rechnungen – mit Makro-Faktoren wie BIP-Wachstum, Arbeitslosenrate, Öl- und Goldpreis, Inflations-, Zins- und Wäh- rungsentwicklung verknüpft. „Damit wer- den aufgrund bekannter Faktorsensitivitäten und der Algorithmen die naturgemäß älteren Bilanzdaten in die Gegenwart bewegt und das wirtschaftliche Umfeld in fundamentale Daten der Firmen übersetzt“, formuliert Walter Mussil. Die in der Credit-Dynamix- Engine verfügbaren Firmendaten-Zeitreihen reichen bis in die 1990er-Jahre zurück. An- hand der bekannten Makro-Daten bis Ende 2015 konnte in-sample analysiert werden, ob die Prognosen der zukünftigen Bilanzen auch treffsicher sind. Dabei stellte sich her- aus, dass Quantics Credit-Dynamix-Engine die Unternehmenszukunft mit einer Treffer- rate von mehr als 90 Prozent richtig pro- gnostizieren kann. Die Makro-Daten sind dabei aus den Prognosen von IWF und Weltbank als ein Consensus-Forecast abge- leitet. Ihre Verzahnung mit den Bilanzdaten der Firmen führt zu einem Nowcasting der Fundamentals der Unternehmen. Damit nicht genug, wird nun ein echtes Forecas- ting, also eine Prognose für die Unterneh- mensbilanzen der nächsten drei bis fünf Jahre, errechnet: Basis sind die geschätzten gesamtwirtschaftlichen Abhängigkeiten, er- rechnet durch die Credit-Dynamix-Engine (siehe Grafik „Multidimensionales algorith- misches System“) . Risiko- und Rating-Tool Dass ein solches Tool – wenn es nachhal- tig funktioniert – für das Risikomanagement von Banken oder Versicherungen sehr wert- voll ist, liegt auf der Hand. Und dass es bis- her zufriedenstellend funktioniert, lässt die Tatsache vermuten, dass sich das Modell von Quantic Financial Solutions bei mehr als einem Dutzend Großbanken und Versi- cherungsunternehmen im Einsatz befindet. Überdies wurde es von mehreren Aufsichts- behörden geprüft und für gut befunden. Gleiches gilt für die großen Wirtschaftsprü- fungsfirmen, von denen mehrere ihr Häk- chen unter dieses Modell gesetzt haben. Be- rechnet werden damit Ausfallsraten von Kredit- und Anleihenportfolios von Banken. Daraus abgeleitet lassen sich Ratings über- prüfen; es ist damit aber auch möglich, Stresstests unter der Annahme verschiede- ner Szenarien zu erstellen. Dabei lassen sich die Input-Parameter des Makro-Fore- castings auch individuell anpassen, sodass die Maschine auch kein Problem damit hat, Stresstestszenarien, wie sie etwa die EZB immer wieder vorgibt, für eine bestimmte Zahl von Großbanken durchrechnen zu las- sen. Am Ende stehen dann simulierte Kre- ditausfallsraten, ein zu erwartender Ab- schreibungsbedarf und gegebenenfalls eine Kapitallücke. Forecasting Wie treffgenau Credit-Dynamix arbeitet, zeigte sich am Beispiel Spaniens im Jahr 2012, als viele Banken angesichts der schlechten Wirtschaftslage vor großen Her- ausforderungen standen und dringend Ei- genkapital benötigten. Das Quantic-Team – damals noch nicht unter der Quantic-Flagge – entwarf imAuftrag des IWF, der EZB und der Banco de España mithilfe der Credit- Dynamix-Engine ein Banken-Kausalmodell und fütterte es mit Daten. Die grobe Daten- granularität verlangte nach Proxy-Lösun- gen, die man in Gestalt regionaler Bünde- lung der Kreditnehmer fand. Die Maschine konnte dann für jede Region aus ihrer Un- ternehmensdatenbank das Kredit- und Aus- fallsrisiko neben den Ertragspositionen je- Was mit einem Ratingmodell für Banken begann, schickt sich nun an, die institutionelle Asset-Management-Szene zu erobern: die Quant-Boutique Quantic Financial Solutions. FOTO : © QUANT I C » Wir gehen bei der Prognose von Aktienkursen den echten Weg der wirtschaftlichen Abhängigkeit. « Dipl.-Ing. Walter Mussil, Partner Quantic Financial Solutions GmbH, Wien Big Data für die Praxis 194 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : POR T RÄ T

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