Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

D ass in den traditionellen Immobiliensegmenten für Investoren nicht mehr viel zu holen ist, muss nicht wei- ter erläutert werden. Schon lange weichen Anleger, die die Assetklasse doch noch irgendwie abbilden wollen oder müssen, in Nischensegmente wie Gesundheitsimmobi- lien, Seniorenresidenzen, Mikrowohnungen oder Parkhäuser aus. Aber auch in die- sen Randsparten wird es zunehmend schwieriger, interessante Investitions- möglichkeiten auszumachen. Wir befin- den uns im Immobilienmarkt allem An- schein nach in der „letzten Runde“, in der man auch Segmente unter die Lupe nimmt, die der Normalinvestor noch nicht einmal kennt. Konkret geht es um „Erbbaurechte“, bei denen es sich aller- dings nicht um eine Innovation, sondern – wie es der Immobilienspezialist Jones Lang LaSalle formuliert – um die „Urform des Immobilienbesitzes“ handelt. Tatsäch- lich reichen die Ursprünge dieser Idee bis ins Römische Reich zurück, das Konzept überdauerte auch das Feudalsystem und wird bis in die heutige Zeit genutzt. Es sind aktuelle politische Strömungen, ausgelöst durch den anhaltenden Immobilien- boom, die dem Thema Erbbaurechte eine spezielle Aktualität verleihen. Großstädte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München, aber auch kleinere Städte wie Freiburg fassen angesichts der Wohnungsnot ein Ver- bot der Veräußerung kommunalen Grundbesitzes ins Auge. Stattdessen soll zukünftig bevorzugt eine Vergabe von Erbbaurechten erfolgen. Man hofft, dass man damit einerseits den sozialen Wohnungsbau ankurbelt, an- dererseits aber auch kleinere Gewer- bebetriebe fördert, um damit Jobs in den Städten zu halten. Grundsätzlich sind Erbbaurechte ein durchaus flexibles Instrument. Es sind keineswegs nur – von der Politik aller- dings bevorzugte – Wohnungsbauten, für die sie vergeben werden. So räumte die Stadt Köln 2017 Erbbaurechte am „WDR- Karree“ am Kölner Dom ein, damit die Gerchgroup dort ein Quartier mit Hotel, Büro- und Handelsflächen sowie Wohnun- gen realisieren kann. Aber auch der Firmen- sitz von Esprit in Ratingen bei Düsseldorf wurde vom Schweizer Investor Gold Tree über ein Erbbaurecht erworben. Vergeben wurde es in diesem Fall von einem deut- schen Versorgungswerk. Und beim Büro- komplex Frankfurt Airport Center (FAC), der in der zweiten Jahreshälfte 2018 den Besitzer wechselte, war ein Erbbaurecht Teil des Deals. Dass bei diesen und anderen Transaktio- nen kein Grundstück verkauft, sondern nur ein Erbbaurecht eingeräumt wird, gelangt vielfach nicht ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit und ist in der Regel nur auf spezialisierten Immobilieninformationsplatt- formen zu erfahren. Der politische Stimmungswechsel hin- sichtlich der zukünftigen Verwendung von öffentlichem Grund und Boden ist aber nicht der einzige Treiber, der Erbbaurechte stärker in den Investorenfokus rückt. Dass sie als Investmentthema an Bedeutung ge- winnen, zeigt sich auch daran, dass große Akteure den Deutschen Erbbaurechtsver- band in Berlin gegründet haben. Der Verein versteht sich als Lobbying- und Weiterbil- dungsplattform, regelmäßig werden Veranstaltungen zum Thema Erbbau- rechte organisiert. Darüber hinaus wurden im ersten Quartal 2019 gleich zwei Studien über Erbbaurechte ver- öffentlicht. Steffen Sebastian von der International Real Estate Busi- ness School der Universität Re- gensburg (IREBS) publizierte mit Unterstützung von Union Invest- ment Real Estate die Studie „Erbbaurecht als Anlageforum für institutionelle Investoren“. Nur weni- ge Wochen danach präsentierte auch Jones Lang LaSalle Deutschland ein Paper, das sich mit dieser Thematik beschäftigt. „Erbbaurechte in deut- schen Metropolen – Analyse ihrer Erbbaurechte waren für die meisten Investoren bisher kein ernst zu nehmendes Anlagethema. Dabei bietet dieses Spezialsegment des Immobilienmarktes vor allem für sehr langfristig agierende Anleger durchaus Vorteile. Rückenwind erhalten Erbbaurechte derzeit von der Politik. FOTO : © I R E B S, R I CHA RD B A RT Z » Das Erbbaurecht wird typischerweise über sehr lange Zeiträume vergeben. « Prof. Dr. Steffen Sebastian, IREBS, Universität Regensburg Grundlos bauen Aufklärungsarbeit notwendig Investoren äußern sich zu Erbbaurechten. Immobilieninvestments über Erbbaurechte finden Investoren glei- chermaßen interessant wie auch uninteressant, zeigt eine Online-Umfrage von Institutional Money. Rund 30 Prozent haben sich mit diesem Nischen- thema noch nicht beschäftigt. 6,4 Prozent haben Erbbaurecht-Investments bereits getätigt. Quelle: Institutional Money, Umfragezeitraum: März/April 2019 Ein Immobilienengagement über ein Erbbaurecht finde ich … interessant | 31,9 % uninteressant | 31,9 % 6,4 % | habe ich bereits getätigt 29,8 % | habe mich damit noch nicht beschäftigt 170 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : E RBBAUR E CHT E

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