Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

Weise die Zeit davonläuft in Bezug auf das Erreichen von CO 2 -Zielen zum Beispiel? Hengster: Wir sind aus meiner Sicht schon heute an einem Punkt angekommen, an dem sich der Investmentprozess eines insti- tutionellen Anlegers allein aufgrund des enorm gestiegenen regulatorischen Mehr- aufwands erheblich länger hinzieht, als das in früheren Jahren der Fall war. Deshalb kann ich verstehen, dass sich Investoren einerseits durchaus aufgeschlossen gegenü- ber einer stärkeren Einbeziehung von ESG- Kriterien in die eigene Kapitalanlage zei- gen, gleichzeitig aber ein drohendes Büro- kratiemonster durch eine weitere Regulie- rung dieses Bereichs, wie es die EU-Kom- mission offenbar in Bezug auf die Einbe- ziehung solcher Kriterien plant, auf erbit- terten Widerstand stößt. Ich habe selten er- lebt, dass ein Thema auf Konferenzen oder in Gesprächen mit Investoren so kritisch kommentiert wurde. Denn es besteht die Gefahr, dass der eigentliche treuhänderische Auftrag unter einem immer größer werden- den Bündel von Regulierungen unter die Räder zu geraten droht. Das ist meiner An- sicht nach nicht übertrieben, denn wenn man sich die Strukturen in den einzelnen Häusern anschaut, stellt man schnell fest, dass zwar Bereiche wie Controlling und Re- porting deutlich ausgebaut worden sind, die Zahl derer, die den Kopf für einen tragfä- hige und auskömmliche Rendite hinhalten, aber entweder gleich geblieben oder ge- schrumpft ist. Das sollte uns zu denken ge- ben. Wie beurteilen Sie das, Herr Poestges? Poestges: Ich will Ihnen ein Beispiel aus der eigenen Praxis geben, Als wir uns 2010 zum ersten Mal mit dem Thema Infrastruk- tur auseinandergesetzt haben, hat es danach fast zwei Jahre gedauert, bis wir die ersten Investments unter Dach und Fach hatten, obwohl wir durchaus fokussiert an diese Investmentklasse herangegangen sind, um sie in unsere Portfolios zu integrieren. Es reicht ja nicht aus, die Entscheidung für eine neue Assetklasse zu treffen. Man muss ein gewisses Know-how aufbauen, nicht nur um damit eventuell verbundene Risiken und die Korrelation mit anderen Assets ver- stehen und beurteilen zu können. Man muss es für das eigene Reporting auch in den eigenen Systemen abbilden können Es müssen zudem die Gremien des eigenen Trägerunternehmens eingebunden werden, und es sind kapitalmarktrelevante Fragen, die es zu beantworten gilt. Gerade wenn es sich um eine neue Assetklasse handelt, muss man sich die Zeit dafür nehmen. Wenn dann die Verlängerung des Invest- mentprozesses dazu führt – und damit kom- me ich zum zweiten Teil ihrer Frage –, dass der Staat bestimmte Nachhaltigkeitsziele nicht über Investoren erreichen kann, dann muss der Staat eben selbst in Vorleistung treten, etwa durch eine schuldeninduzierte Finanzierung dieser Ziele. Köberlein: Ich teile die Meinung von Herrn Poestges zu hundert Prozent, bin aber den- noch der Überzeugung, dass wir schneller sind in Bezug auf die Erreichung etwa von Klimazielen, als wir es ursprünglich gewe- sen wären. Aus einem einfachen Grund: Es gibt im Zusammenhang mit einem Mehr an ESG-Investments eben auch eine wirt- schaftliche Triebfeder. In der Niedrigzinssi- tuation haben sehr viele institutionelle In- vestoren Ausschau gehalten nach einer Di- versifizierung ihrer Portfolios und der Er- schließung neuer, zusätzlicher Ertragsquel- len über Assetklassen, die anders reagieren und die keine Korrelation zu den traditio- nellen Segmenten haben, in denen bisher investiert wurde. Insofern haben wir alle ein Stück weit in Alternativen wie Infrastruktur oder ähnliche Investments investiert, und das mit zunehmender Dynamik. Reichmuth: Ich möchte zu der Frage, ob wir noch genügend Zeit haben, noch eines er- gänzen: Wenn wir in Bezug auf eine nach- haltigere Wirtschaft linear so weiter wach- sen wie bisher, dann wird dies nicht reichen, um das Klimaziel von 1,5 Grad zu errei- chen; nicht einmal für die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad würde dies genügen. Trotzdem bin ich optimistisch, dass wir das schaffen können – einfach weil ich eine exponentielle Wachstumskurve in Bezug auf den Anstieg von klimarelevanten Investments erwarte. Die Kanalisierung von Investments in diese Richtung hat schon längst begonnen, und wir werden noch sehr viel mehr Kapital sehen, das in den näch- sten Jahren in die Richtung fließen wird. Auch weil ein attraktives Risiko-Rendite- Profil besteht. Wir sollten zudem die Tech- nologieentwicklung nicht unterschätzen. Denn wir haben schon eine solche expo- nentielle Kurve gesehen, etwa im Bereich der Solarmodule, wo die Kosten innerhalb von zehn Jahren um 80 Prozent und mehr abgenommen haben, bei gleichzeitiger Ef- fizienzsteigerung. Deshalb glaube ich, dass wir durchaus noch eine realistische Chance haben, das Klimaziel von 1,5 Grad zu er- reichen. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER SAVE THE DATE! 25. UND 26. MÄRZ. 2020 | WIESBADEN Anmelden ab März 2019 unter: www.institutional-money.com DER KONGRESS FÜR INSTITUTIONELLE ANLEGER KONGRESS 2020 THEOR I E & PRA X I S : ROUNDTABL E | NACHHALT IGKE I T

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