Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

Doch wenn es nicht Gegenspekulation ist, die zu den beschriebenen Kurserholungen führt, was ist es dann? Kann es sein, dass die Maßnahmen der Marktaufseher am Ende doch genau das bewirken, was sie sollen – nämlich schlicht und einfach den Verkaufs- druck aus dem Markt zu nehmen? Wieder setzen die Autoren die bereits beschriebene Formel ein, suchen aber diesmal nach dem Anteil der Handelsvolumina, die gemäß der 1991 erschienenen Arbeit „Inferring Trade Direction from Intraday Data“ von Lee and Ready als „verkäufergetrieben“ bezeichnet werden. Das Resultat (siehe Grafik „Migra- tionsbewegungen“) : Die „seller-initiated“ Volumina nehmen ab – und zwar um deutli- che 4,5 Prozent. Neuer Ansatz Für die Befürworter von Marktinterventio- nen stellen diese Ergebnisse natürlich hervor- ragende Nachrichten dar: Demnach würden Leerverkaufsverbote tatsächlich greifen und exakt die Marktreaktionen nach sich ziehen, die angestrebt werden. Doch ist dann der große Teil der Studien, die vom Gegenteil ausgehen, schlicht falsch? Nicht wirklich, erklärt Karolyi. Den Unter- schied macht aus seiner Sicht die Wahl des untersuchten Interventionsmechanismus aus. Rule 201 ist sehr kurzfristig angelegt, „was es uns erlaubt, granulare aktienspezifische Abweichungen auf lokalen Märkten über ei- nen kurzen Zeitraum für eine große Palette an Marktbedingungen zu studieren“. Genau dieses enge zeitliche Korsett ermöglicht es, „besser zwischen Effekten, die durch ein Leerverkaufsverbot entstehen und anderen Einflüssen zu differenzieren“. Der Großteil der artverwandten Arbeiten beschäftigt sich hingegen mit längerfristigen Regimes, wo- durch die Datenlage verwässert wird. Womit wir bei der schlechten Nachricht für Leerverkaufsverbotsfans angelangt wä- ren: Denn mit dem aus Autorensicht exakte- ren Ansatz haben diese auch die anderen Ar- gumente gegen Leerverkaufverbote unter- sucht – allen voran jenes, wonach Marktteil- nehmer, die auf eine Aktie „short“ gehen wollen, im Fall eines Verbots einfach auf an- dere Ziele ausweichen. Kontaminierung Analog zu den Hauptmärkten haben die Autoren also den außerbörslichen Markt untersucht. Dort stieg das verkaufsinduzierte Handelsvolumen für von Short-Verboten be- troffene Aktien je nach Kontrollvariable um 1,7 bis 2,9 Prozent an. Die Ergebnisse waren von unterschiedlicher Relevanz, bezeichnen- derweise war der mit 2,9 Prozent höchste Wert auch der mit der höchsten statistischen Signifikanz. Ebenfalls unangenehm er- scheint die Tatsache, dass Leerverkäufer nach Auslösen des Triggers bei Branchen- kollegen auf Jagd gehen: Während die ge- schützten Papiere einen Sonderertrag von bis zu 5,8 Basispunkten erfahren, erleiden Ak- tien der Peergroup Sonderverluste von 1,2 bis 1,9 Basispunkten – alles auf dem stati- stisch hochrelevanten 99-Prozent-Niveau. Das bedeutet letzten Endes, dass die Eingriffe der Marktaufseher nur in den gut sichtbaren Märkten funktionieren und selbst da unerwünschte Kontaminierungseffekte auslösen. Die ebenfalls oft kritisierten Liqui- ditätseinbußen konnten in den Tests der For- scher zwar nicht nachgewiesen werden, letz- ten Endes erscheint es aber so, dass sich die Effekte von Leerverkaufsverboten über den Markt hinweg gesehen egalisieren. Das Ar- gument der BaFin, mit Verboten nicht nur eine einzelne Aktie, sondern das Umfeld zu stabilisieren, erscheint also löchrig. Damit bleibt als Schlussfolgerung aber immerhin, dass Leerverkaufsverbote besser sind als ihr Ruf. Lag der Konsens bislang darin, dass sie dem Markt in Wirklichkeit schaden, legt das vorliegende Paper nahe, dass sie in ihrem Zielbereich effektiv sein können. Man wird aber herausfinden müssen, wie man die auf- tretenden Kontaminierungseffekte ein- dämmt. HANS WEITMAYR Effekte des Leerverkaufsverbots verpuffen auf längere Sicht Wie sich betroffene Titel, Marktteilnehmer und außerbörsliche Marktplätze nach dem Auslaufen von Leerverkaufsverboten verhalten Während sich am Tag nach dem Leerverkaufsverbot noch deutliche Auswirkungen der Leerverkaufsverbote manifestieren, verpuffen diese an Tag zwei nahezu vollständig. Drastische Ausschläge bleiben jedoch aus, was für eine Beruhigung des Marktumfeldes spricht. Quelle: Studie Durchschnittl. Ertrag im 65-Minuten-Zeitraum Logarithmischer Anteil an Verkäufern Logarithmischer Anteil an außerbörslichem Handel 1 2 3 4 5 6 7 8 Tage 1 2 3 4 5 6 7 8 Tage 1 2 3 4 5 6 7 8 Tage Ertrag Statistische Schwankungsbreite Anteil an Verkäufern Statistische Schwankungsbreite Anteil an außerbörslichem Handel Statistische S ankungsbreite chw 9 % 6 % 3 % 0 % –3 % –6 % 2 % 0 % –4 % –6 % –2 % 2 % 3 % 2 % 1 % 0 % –3 % –4 % –2 % –1 % » Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass diese vergänglichen Mikro-Strukturen zu den Überrenditen beitragen. « Yashar H. Barardehi, Chapman University 130 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : L E E RVE RKAUF S VE RBOT E

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