Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

„Y“ stellt den Ertrag dar, „x“ das jewei- lige Intervall, „t“ den Tag des Ereignisses. TRG steht für „Trigger“ und somit den aus- lösenden Kursrutsch, während „l“ den nied- rigsten Ertrag vor und nach dem Trigger- Event abbildet. Aus statistischen Gründen werden die niedrigsten Aktienerträge nur in einer Bandbreite von zwei Prozentpunkten rund um das Trigger-Event gemessen. Vergleicht man unter dieser Methodolo- gie die Aktien, bei denen im Beobachtungs- zeitraum die Zehn-Prozent-Marke erreicht oder im negativen Sinn übertroffen wurde, so stellen sich bereits die ersten bemerkens- werten Erkenntnisse ein: Demnach sind Unternehmen, bei denen Regel 201 gegrif- fen hat, im Schnitt nur halb so groß wie der Gesamtmarkt, weisen eine niedrigere Kurs- Buchwert-Ratio aus, sind volatiler und ver- fügen über ein deutlich höheres Beta. Kaum Unterschiede treten bei der Liquidität auf. Massenansammlung Interessant ist auch, dass die jeweiligen Tagestiefs gehäuft unmittelbar vor dem Erreichen des Triggers auftreten. Die Marktteilnehmer antizipieren also anscheinend den bevorste- henden Leerverkaufs-Stopp, ge- hen aber trotzdem noch von fallenden Kursen aus. Ergo decken sie sich noch schnell mit Leerverkaufspositionen ein. „Es könnte also sein, dass das temporäre Leerverkaufsverbot kurzfristig weitere Verluste aus- löst“, mutmaßt Co-Autor Ruch- ti. Damit würde die Regel genau das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich das Ziel war – nämlich den Markt zu beruhigen. Allerdings sind diese beschleunigten außeror- dentlichen Verluste sehr kurz- fristig „und scheinen manchen Marktteilnehmern als Einstiegs- gelegenheit zu dienen“, so Ruchti weiter. Wenn dem so ist, könnte es also sein, dass die In- terventionen der Behörden die Spekulation auf fallende Kurse zwar beendet, gleichzeitig aber selbst als Auslöser von Speku- lationen wirkt – nur eben in die entgegengesetzte Richtung. Ob es wünschenswert ist, dass eine Finanzmarktaufsicht spekulatives Verhalten ermutigt, sei an dieser Stelle un- kommentiert in den Raum gestellt – statt- dessen soll überprüft werden, ob die Regel 201 zu Kursstabilisierungen beiträgt oder nicht. Um diese Frage zu beantworten, wer- den gemäß der beschriebenen Formel die Erträge, die während 65-Minuten-Interval- len mit Leerverkaufsverbot erzielt werden, mit jenen Erträgen verglichen, die ohne der- artige Einschränkungen zustandekommen. Das Ergebnis ist verblüffend und auf dem Ein-Prozent-Niveau statistisch hoch rele- vant: „Wird Rule 201 ausgelöst, so ergibt sich im Vergleich zu Aktien, bei denen es diesen Trigger nicht gibt, ein außerordentli- cher Ertrag von 5,1 Basispunkten“, berichtet Bird. Aggregiert man die Erträge, kommt man auf einen durchschnittlichen täglichen Durchschnittsertrag von 31 Basispunkten (siehe Grafik „Gelungener Eingriff“). Nach dem gesamten Verbotszeitraum, der, wie erwähnt, bis zum Ende des folgenden Han- delstages geht, steht ein Plus von durch- schnittlich 44 Basispunkten zu Buche. Die Ergebnisse wurden in verschiedenen Durch- gängen auf diverse Variablen abgeklopft. Einmal wurden fixe Effekte auf Unter- nehmensbasis eingeführt, dann mittels Poly- nomialfunktion geprüft. Schlussendlich wurde die gemessene Bandbreite der Kurs- entwicklung von zwei auf 1,5 Prozent redu- ziert. Das Ergebnis blieb das- selbe: Außerordentliche Erträge wurden erzielt, wenngleich die statistische Signifikanz bei Einzug der Polynomialfunktion und der Verengung des Bandes auf den Fünf-Prozent-Level fiel. Doch woher kommt diese Entwicklung? Sind es tatsäch- lich die Effekte von Spekulatio- nen auf ein Leerverkaufsverbot? Um das zu überprüfen, haben die Autoren einen kurzfristigen Beobachtungszeitraum gewählt, der vom Zeitpunkt des Triggers an 30 Sekunden andauert. In dieser Periode ist es so, dass sich sämtliche Kursanomalien bis zum Ablauf dieser halben Minute auflösen oder, falls noch vorhanden, statistisch irrelevant sind. „Deshalb erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass diese vergänglichen Mikro- Strukturen Resultate beeinflus- sen“ – und so zu den Über- renditen bis zum Ende der Leer- verkaufsverbote beitragen, wie Barardehi erklärt. » Die untersuchten Leerverkaufsverbote reduzieren das Volumen an Short-Trades und steigern die Erträge auf Tagesbasis. « Andrew Bird, Carnegie Mellon University Migrationsbewegungen Wie die Marktteilnehmer auf Leerverkaufsverbote reagieren DER DRUCK AN DEN HAUPTBÖRSEN NIMMT AB … Anteil des von Verkäufern initiierten Volumens nach Trigger-Event Auslöser – 4,48*** – 3,69*** – 4,30*** – 4,30*** (0,32) (0,33) (0,46) (0,36) Zeit (fixes Element) Yes Yes Yes Yes Unternehmen (fixes Element) No Yes No No Polynomial 1 1 2 1 Bandbreite 2 % 2 % 2 % 1,5 % R² (%) 4,7 28,0 4,7 4,9 Beobachtungen 34.169 34.169 34.169 23.432 … UND ENTLÄDT SICH IM GRAUEN MARKT Entwicklung des Handelvolumens im Off-Exchange-Bereich Auslöser 1,65* 2,86*** 2,75** 2,27** (0,91) (0,63) (1,34) (1,05) Zeit (fixes Element) Yes Yes Yes Yes Unternehmen (fixes Element) No Yes No No Polynomial 1 1 2 1 Bandbreite 2 % 2 % 2 % 1,5 % R² (%) 14,4 69,8 14,5 14,7 Beobachtungen 34.169 34.169 34.169 23.432 Von Verkäufern ausgehende Handelsvolumina gehen auf den Hauptbörsen um rund vier Prozent zurück, nehmen aber im außerbörslichen Handel zu. ***, ** und * stehen respektive für statistische Signifikanz auf dem 99-, 95- und 90-Prozent-Niveau. Quelle: Studie 128 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : L E E RVE RKAUF S VE RBOT E

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