Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

W as war das nur für ein Krawall: Die „Financial Times“ unterstellt Wire- card dubiose Praktiken, das Management weist diese zurück, und die Aktie rasselt in den Keller. So weit, so unangenehm, aber dann doch auch irgend- wie normal – überraschende Nachrichten und die damit verbundenen Kursschwan- kungen gehören zum Aktienmarkt. In die- sem Fall verkomplizierte jedoch die BaFin die Gemengelage, als sie am 18. Februar mit einem zweimonatigen Leerverkaufs- verbot für Wirecard-Aktien ausrückte. Die Marktaufseher argumentierten, dass „massi- ve Unsicherheiten an den Finanzmärkten feststellbar“ seien. Der Kurseinbruch in Höhe von 40 Prozent habe zu einer „ernst zu nehmenden Bedrohung für die Finanz- stabilität“ geführt. Deshalb bestehe das Risi- ko, dass „die Verunsicherung des Marktes zunimmt und sich zu einer generellen Marktverunsicherung ausweitet“. Doch war das wirklich so? Oder hätte die Begründung das Zeug gehabt, zu einer sich selbst erfül- lenden Prophezeiung zu werden? Immerhin kommentiert die Tageszeitung „Die Welt“ das Vorgehen der BaFin folgendermaßen: „Die Aktion erinnert an den Höhe- punkt der Finanzkrise vor gut zehn Jahren. Nach den Marktverwerfun- gen durch die Pleite der US-Invest- mentbank Lehman Brothers sprach die BaFin zur Beruhigung der Bör- sen ein Leerverkaufsverbot für alle größeren Finanztitel auf dem deut- schen Kurszettel aus.“ Spätestens als der Markteingriff die Begriffe „Leh- man“ und „Finanzkrise“ durch seriö- se Medien geistern ließ, dürfte man sich in den Gängen der BaFin ge- fragt haben, ob da nicht doch einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Tatsäch- lich sind Zweifel an der Sinnhaftig- keit von Leerverkaufsverboten rela- tiv weit verbreitet. Selbst Marktteil- nehmer, die auf der Long-Seite beheimatet sind und von denen man meinen könnte, sie würden jedwede Maßnahme, die zur Stüt- zung der Märkte beitragen soll, willkom- men heißen, zeigen sich skeptisch. So er- klärt Günther Schmitt, Manager bei der in Wien ansässigen Raiffeisen KAG: „Es gibt viele akademische Studien zu Short-Regu- latorien beziehungsweise -Verboten. Sehr viele kommen zu dem Ergebnis, dass Ver- bote keinen positiven Einfluss auf die Märkte haben.“ Schmitt zeichnet im Team „Aktien, entwickelte Märkte“ unter ande- rem für den global investierten Long-only- Fonds Raiffeisen-MegaTrends-Aktien ver- antwortlich und meint weiter: „Probleme entstehen nicht zuletzt, weil durch derartige Markteingriffe die Liquidität der Aktien reduziert wird. Geringere Liquidität ist bei Aktien nie gut. Außerdem mögen Inves- toren keine Unsicherheiten. Wenn nicht absehbar ist, ob eine Behörde eingreift oder nicht, sorgt das vermutlich eher dafür, dass sich große Player von solchen Märkten fernhalten.“ Andere Argumente die zugunsten von Leerverkäufen eingesetzt werden, gehen in Richtung Markthygiene. Demnach werden negative Informationen schneller und somit effizienter verarbeitet. Zu guter Letzt wer- den Leerverkäufe ja nicht notwendigerweise nur zu Spekulations-, sondern auch zu Ab- sicherungszwecken erworben – was jeden- falls als legitim gelten muss. Gegen den Strom Angesichts dieses Konsenses er- scheint es überraschend, dass eine Studie folgendermaßen betitelt wird: „Are Short Selling Restrictions Ef- fective?“ Das Autorenteam beste- hend aus Yashar H. Barardehi von der Chapman University und An- drew Bird, Stephen A. Karolyi so- wie Thomas G. Ruchti, die sich al- lesamt aus der Carnegie Mellon University rekrutieren, stellt zwar ebenfalls fest, dass „fast jede ein- schlägige Studie zu dem Schluss ge- kommen ist, dass Leerverkaufsver- bote keine Auswirkungen auf den Sobald der Markt ruppig wird, lässt in der Regel die Forderung nach einem Verbot von Leerverkäufen nicht lange auf sich warten. Bislang lautete der akademische Konsens: „Bringt nichts.“ Doch ganz so einfach ist es nicht, wie eine neue Studie zeigt. Heftige Verluste Anzahl der Aktien, die Tagesverluste von zumindest zehn Prozent erfahren Im Jahr 2011 gab es mit dem Black Monday und den umliegenden Handelstagen ein nahezu idealtypisches Umfeld, um den Sinn oder Unsinn von Leerverkaufsverboten zu erforschen. Quelle: Studie 0 100 200 300 400 500 Black Monday Anzahl an Auslösern 2013 2012 2011 Tägliche Anzahl an Auslösern 1.300 1.300 FOTO : © GMF, M . MP HOTO | S TOCK . ADOB E . COM » Wenn nicht absehbar ist, ob eine Behörde eingreift oder nicht, sorgt das vermutlich eher dafür, dass sich große Player fernhalten. « Günther Schmitt, Raiffeisen KAG Sinnvoller als gedacht 126 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : L E E RVE RKAUF S VE RBOT E

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