Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

leihenden Wertpapieren und ermög- licht damit, größere Short-Positionen aufzusetzen, die Leihekosten zu sen- ken sowie die Leihedauer zu verlän- gern. Zumindest theoretisch legt das die Vermutung nahe, dass passive Fonds zu einer verbesserten Effizienz bei der Preisbildung am Aktienmarkt beitragen. Dank der verbesserten Leerverkaufsmöglichkeit sollten auch für den Kursverlauf potenziell negati- ve Information rascher einfließen. Ob das aber tatsächlich so ablaufen wird, ist ungewiss. Realitätscheck Die Kapitalmarktforscher Darius Palia von der Rutgers Business School und Stanislav Sokolinski von der Columbia Law School wollten daher dokumentieren, inwieweit das Vordringen passiven Fondsmanage- ments heute schon einen Einfluss auf die Wertpapierleihe, ihre Kosten und Dauer sowie auf die Aktienkursbil- dung nimmt. Gegenstand ihrer Unter- suchung war aus den bekannten Gründen einmal mehr der amerikani- sche Aktienmarkt. In einem ersten Schritt untersuchten sie die Auswir- kungen des passiven Fondsmanage- ments auf das Angebot an zu verlei- henden Aktien. Dabei konnten sie zei- gen, dass ein höherer Anteil an passiven Aktionären bei einer Aktie zu einem höhe- ren Leiheangebot führt. Es gelang der Nachweis, dass die Erhöhung des Aktienan- gebots für Leihezwecke tatsächlich auch statistisch signifikant höhere Short-Positio- nen, niedrigere Leihegebühren und längere Leihezeiten nach sich zieht. Die durch- schnittliche Laufzeit solcher Wertpapier- leihegeschäfte liegt beispielsweise bei 80 Tagen. Diese Zusammenhänge veranschau- licht die Grafik „Was ETFs und Co. im Hintergrund auslösen“. Diese Ergebnisse sind ökonomisch bedeutsam, denn eine Erhöhung des Aktienanteils passiver Inves- toren um eine Standardabweichung erhöht das Angebot an leihefähigen Aktien um eine halbe Standardabweichung. Ähnliche Wir- kungszusammenhänge sind auch in Bezug auf Kosten und Leihedauer zu registrieren. In einem zweiten Schritt untersuchten die Autoren, ob passive Investments einen grö- ßeren Einfluss als andere Leihegeber wie aktiv gemanagte Fonds, Pensionsfonds, Ver- sicherer, Banken oder Stiftungen auf den Umfang zu verleihender Aktien, Kosten und Dauer haben. Dabei bildeten sie drei Grup- pen: passive Fondsinvestoren, aktive Fonds- investoren und die restlichen institutionellen Investment Manager, die 13-F-Meldungen bei der SEC abgeben müssen. Es stellte sich heraus, dass der Effekt der passiven Invest- mentvehikel um ein Vielfaches größer ist als jener der beiden anderen Anleger- gruppen: Gegenüber den aktiven Investoren liegt er beim Zwei- bis Dreifachen, gegen- über den 13-F-Investoren beim Zwei- bis Sechsfachen. Der Kasten „Einfluss institutioneller Inve- storengruppen auf die Aktienleihe“ zeigt die Ergebnisse dieser Regressionsrechnungen. Sie dokumentieren den größeren Einfluss passiver Investoren als jenen der beiden an- deren Leihgebergruppen. So bedeutet etwa ein einprozentiger Anstieg des Anteils passi- ver Anleger an einer Aktie eine Erhöhung des Leiheangebots dieses Titels um 0,8 Pro- zent, eine Verringerung der Leihegebühr um vier Basispunkte und eine Erhöhung der Leihedauer um 1,4 Tage. Andererseits führt ein einprozentiger Anstieg des aktiven Fondsbesitzes an einer Aktie zu einer Erhö- hung des Leiheangebots in dieser Aktie von bloß 0,25 Prozent, eine Verringerung der Leihekosten um zwei Basispunkte und eine Verlängerung der Leihedauer um 0,6 Tage. Statistisch signifikant Diese Unterschiede sind statistisch signi- fikant und stellen eine klare Hierarchie auf: Passive Fonds nehmen am häufigsten an den Wertpapierleiheprogrammen ihrer Ver- wahrstellen teil, gefolgt von aktiv gemanag- ten Fonds und anderen institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Versicherern und Stiftungen. Je höher der Anteil passiver Aktionäre im Aktionariat, desto mehr dieser Aktien werden verliehen und desto mehr Leerverkäufern haftet ein Geier-Image an, wobei ignoriert wird, dass Aasfresser ein wichtiger Bestandteil der Ökosystems sind. Weitgehend unbekannt ist der Einfluss des ETF-Booms auf die Wertpapierleihe und damit die Rahmenbedingungen für Short Seller. N o. 2/2019 | www.institutional-money.com 113 T H E O R I E & P R A X I S : WE R T PAP I E R L E I HE

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