Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

den Phänomene nicht auftreten“, erklärt Till die Anziehungskraft solcher Trades. Grund- sätzlich ist der Preis der betreffenden Fu- tures also systematisch gesehen zu hoch. Statistisch betrachtet besteht die Prämie oft- mals zu Unrecht, weshalb der Preis später um eben diese Prämie reduziert wird. Ge- funden werden können taktische Positionie- rungen naturgemäß an Rohstoffmärkten. Besonders anfällig für derart „wetterfüh- lige“ Trades zeigen sich dabei Märkte, die tropischen Wetterphänomenen ausgesetzt sind, also vornehmlich Kakao und Kaffee, Getreide inklusive Mais sowie der Futures- markt für Erdgas. Ungewöhnliche Korrelationen Wetterphänomene können dabei – auf den ersten Blick – eigenartige Korrelationen verursachen. Ein Beispiel dafür stellen Mais und Erdgas dar. „Da Mais- und Gashändler enorm von den Wetterbedingungen im mitt- leren Westen der USA abhängen, können die Preise dieser beiden Rohstoffe sehr ähn- liche Verläufe aufweisen“, erklärt Till (siehe Chart „Wetter lässt Mais und Gas korrelie- ren“) . Eine Hitzewelle in der Region wirkt sich in beiden Fällen stimulierend auf die Preise aus. Aufgrund der hohen Temperatu- ren steigt in einem derartigen Szenario der Bedarf an Energie, da Klimaanlagen stärker in Anspruch genommen werden. Zu hohe Hitze sorgt wiederum für Ernteausfälle, was wiederum das Angebot drückt und folglich die Preise treibt. Der Markt kalkuliert nun prophylaktisch vor dem Sommer eine mögliche Hitzewelle ein. Bleibt sie aus, fallen die Preise in der Folge. Ist man vor diesem Hinter- grund eine Short-Position eingegan- gen, hat man also gute Chancen, eine entsprechende Zusatzrendite – also die bereits erwähnte „Weather Fear Premium“ – zu erwirtschaften. Dass eine derartige Prämie existiert, stellt für Till einen Hinweis darauf dar, dass die Märkte nicht effizient sind: Bereits 2006 hat sie gemein- sam mit Barry Feldman in „Back- wardation and Commodity Futures Performance: Evidence from Evol- ving Agricultural Markets“ darauf hingewiesen, dass das CAPM (Capi- tal Asset Pricing Model) „prognosti- ziert, dass die Risikoprämie in einem proportionalen Zusammenhang zur Kovarianz der zukünftigen Erträge des jeweiligen Einzel-Assets mit den Erträgen des Gesamtportfolios über alle verfügbaren Assets steht“. Je höher also die Korrelation, desto höher die damit einhergehende Risikoprämie. BeimWetter-Prämien-Risiko handelt es sich aber „um ein ziemlich klares Beta-Zero- Risiko im Verhältnis zum Rest des Mark- tes“, wie die EDHEC-Expertin erklärt. „Es besteht definitiv kein Zusammenhang zwi- schen dem Wetter und dem S&P 50 – Investoren sollten also gemäß der CAPM- Logik bereit sein, das Wetterrisiko zu einer äußerst geringen Prämie abzugelten.“ Ge- nau das tun sie aber nicht: Der Rohstoff- markt ist also gemäß der reinen CAPM- Lehre ziemlich ineffizient. James Cochrane, Senior Fellow of the Hoover Institution an der Stanford Univer- sity und ehemaliges Fed-Ratsmitglied, wird von Till folgendermaßen zitiert: „Das Gan- ze sieht für mich sehr ähnlich aus wie der Versicherungsmarkt für Naturkatastrophen. Rückversicherungen und Katastrophen- Bonds weisen trotz eines Zero-Beta-Risikos ziemlich hohe Erträge aus.“ Man könnte demnach von einer Versicherungsanomalie innerhalb des CAPM-Universums sprechen. Wenn es statistisch gesehen also „über lan- ge Zeiträume profitabel sein kann, wetter- sensitive Rohstoffe rund um die jeweiligen saisonalen Unsicherheiten leer zu verkau- fen“, stellt sich die Frage, warum das nicht jeder macht. Katastrophale Verluste Die Antwort: Diese Art von Strategie kann sehr hohe Einmalverluste nach sich ziehen, wie das Beispiel Cordier zeigt. „Da- bei scheint vor allem der Gasmarkt immer wieder katastrophale Marktereignisse anzu- ziehen“, warnt Till. Versteckte Risiken Grundsätzlich ist es nichts Neues, dass Strategien mit auffallend schwankungs- armen Wertentwicklungen und konstanten Erträgen irgendwo versteckte Risiken ent- halten müssen. Um mit den Worten von Nassim Taleb zu sprechen: Solche Ansätze sind „fragil“, als Anleger wünscht man sich hingegen eher „antifragile“ Strategien. Der Fall Optionsellers.com zeigt daher einmal mehr, wie wichtig Risikomanage- ment, Diversifikation und das voll- inhaltliche Verständnis einer Stra- tegie sind. Wenn ein Asset Manager automatische Renditen am Roh- stoffmarkt verspricht, ist es wahr- scheinlich, dass diese zumindest zum Teil auf Weather-Fear-Prämien zurückzuführen sind und deshalb nicht mit den Absicherungsstrategien eines CAPM-Ansatzes gehedgt wer- den können. Wie teuer das werden kann, exerzierte der US-Hedgefonds Amaranth schon im Jahr 2006 vor, als er rund sechs Milliarden US-Dol- lar des ihm anvertrauten Kapitals am Gasmarkt verspekulierte. HANS WEITMAYR » Es gibt kleine statistische Vorteile, wenn man Futures, die › Weather-Fear-Prämien ‹ in sich tra- gen, leer verkauft. Die Risiken sind aber enorm. « Hilary Till, Research Associate beim EDHEC-Risk Institute Widowmaker mit Ansage Die Entwicklung des US-Gaspreises von 1. August bis 23. November 2018 Ein Wettersturz sorgte dafür, dass die Nachfrage nach Gas bei gleichzeitig niedrigen Lagerbeständen anstieg. Der Kurs explodierte binnen weniger Tage und sorgte für einen Widowmaker-Event. Quelle: Premia Research LLC. 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 USD pro MnBtu Aug Okt Sept Nov 2018 Erdgas-Futures Notierung 110 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : WE ATHE R- F E AR- PRÄMI EN

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