Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

D as Entschuldigungsvideo, das der US-Hedgefondsma- nager James Cordier anläss- lich des Totalverlustes des ihm anvertrauten Anlegerkapitals via You- tube publizierte, ist bislang beispiellos. Ein sichtlich geschockter Manager teilt seinen Kunden mit, dass eine „Monsterwelle“ am Terminmarkt aufgrund von Nachschuss- verpflichtungen mehr als 100 Prozent ihres Fondsvermögens vernichtet hat. Cordier und die Kunden von Optionsellers.com wurden Opfer des berüchtigten „Witwenmacher- Spreads“ bei Erdgaskontrakten, Schadenssumme: 150 Millionen US-Dollar. Was ist da tatsächlich passiert? In seinem Blog streetwise- professor.com beschäftigte sich Craig Pirrong, Professor of Finance an der University of Houston, am 14. 11. 2018 unter dem Titel „Return of the Widowmaker – The Theory of Storage in Action“ mit diesem Fall. Unter „Widow- maker“ versteht man im US-Gasmarkt jede Art von hoher Volatilität bei Preisen und Spreads, die vornehmlich zwischen dem März- und April-Kontrakt besteht. Generell ist es so, dass der März das Ende des Winterverbrauchs kennzeichnet. Bis März sinken die Gasbestände also. Im April beginnt die Frühjahrssaison, die Nachfrage nimmt tendenziell ab, die Lager werden wieder aufgebaut. Ist der Spread zwischen März- und April- Kontrakt unerwartet hoch, spricht man vom Witwenmacher, „der Ihr Investment von einem Moment auf den anderen Moment auslöschen kann, wenn Sie auf der falschen Seite eines Trades erwischt wer- den“, erklärt Pirrong das Phäno- men, das mit demAufkommen von Schiefergas etwas in Vergessenheit geraten war. Steigendes Angebot und insbe- sondere die höhere Angebotselastizität führ- ten dazu, dass die Preisvolatilitäten zurück- gingen. Rezept für ein Desaster „Doch dieses Jahr (Anm: 2018) befand sich der Lageraufbau weit unterhalb des langjährigen Durchschnitts (siehe Chart „Geringe Lagerbestände“). Wir sprechen von einem 15-Jahres-Tief. Fügen wir zu dieser Komponente eine Prise kalten Wet- ters dazu, und schon ist der Witwenmacher wieder da, Baby“, schreibt Pirrong. Am Tag, an dem der Artikel publiziert wurde, explodierte der Spread von bereits enorm hohen 88 US-Cent auf 1,59 US-Dollar. Pir- rongs Kommentar zu diesem Sprung: „Für alle Bull-Spreader ist das offensichtlich eine gute Nachricht, für alle Bear-Spreader eher nicht.“ Vier Tage später ging das erwähnte Ent- schuldigungsvideo von James Cordier viral. Das plötzliche Auftreten einer – wie Cordier es nannte – „Rogue Wave“ lässt Pirrong als Auslöser der Totalverluste, die auch noch Nachschusspflichten nach sich ziehen könn- ten, allerdings nicht gelten. In seinem unmit- telbar nach dem Video publizierten Beitrag „This Is What Happens When You Slip Picking Up Nickels In Front of a Steam- roller“ weist er darauf hin, dass „die niedrigen Lagerbestände (…) den Markt für Kälteeinbrüche ver- wundbar gemacht haben. Ein Tief- drucksystem, das genau einen der- artigen Temperatursturz möglich gemacht hat, war klar auf den Wet- terkarten zu erkennen. Was auch immer die von Cordier verwalteten Investments getroffen hat: Es war jedenfalls keine Monsterwelle, die aus dem Nichts gekommen ist.“ Vielmehr habe Cordier „mit sei- nen Leerverkäufen eine Versiche- rung gegen hohe Preisausschläge verkauft“, wie Pirrong erklärt. Das bringt bei jedem Trade kleine Er- träge, die sich, wenn es keine gro- » Ein Witwenmacher kann Ihr Investment von einem Moment auf den anderen auslöschen. « Craig Pirrong, Bauer College, University of Houston Wetterphänomene können in Portfolios zu markanten Performanceschwankungen führen und werden unter Anwendung von Weather-Fear-Prämien auch entsprechend gespielt. Zuletzt ist diese Strategie nach dem Zusammenbruch von Optionsellers.com jedoch einigermaßen in Verruf geraten. Wetter lässt Mais und Gas korrelieren Hitzewellen haben auf beide Rohstoffe preistreibende Auswirkungen. Hitzewellen führen zu Ernteausfällen und zum verstärkten Einsatz von Air- Condition. Aus Furcht vor einem solchen Szenario wird bei Mais und Gas ein potenzieller Hitzeschub bis Mitte Juni ein- und später ausgepreist. Quelle: Till (2016) 600 620 640 660 680 700 720 740 760 780 800 Cents pro Bushel USD pro MmBtu 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 L Juni 2011 Juli 2011 Erdgas Mais FOTO : © UN I . HOU S TON, P E T ROV I CH1 2 | S TOCK . ADOB E . COM Wetter, Witwen, Monsterwellen 108 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R A T E G I E N : WE ATHE R- F E AR- PRÄMI EN

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