Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

ler Korrelationen sein kann: Gerade Punkt zwei zeigt, dass „Value“ schnell in einen Faktor hineinspielen kann, wenn dieser zu- nächst „billig“ ist und dann „teuer“ wird. Das würde bedeuten, dass sich die Einzelerträge von Faktoren bei der Zusammenfassung in einem Portfolio nicht addieren, sondern viel- mehr prozentuell auf die beitragenden Fakto- ren aufteilen – entsprechend enttäuschend wäre dann der kumulierte Ertrag eines Kom- bi-Faktor-Portfolios. Angesichts all dieser Probleme stellt sich die Frage, ob Faktorportfolios überhaupt einen Mehrertrag jenseits des Marktes brin- gen können. Wieder haben die Autoren die populärsten Faktoren in zwei Gruppen einge- teilt. Diesmal wurden die Volatilitäten jedoch nicht auf zehn Prozent skaliert, sondern an die Schwankungen des Marktes angeglichen. Lässt man die beiden Faktorportfolios seit 1963 gegen den Markt laufen, ist der Mehr- ertrag der Faktorstrategien beeindruckend. Markt schlägt Faktor Ganz anders das Bild für die vergangenen 15 Jahre: Spätestens nach 2012 enteilt der Markt den Faktorstrategien. Besonders ein- drücklich erscheint in dieser historischen Nahaufnahme, was sich rund um die große Finanzkrise abgespielt hat. Da sah es zu- nächst so aus, als könnten die Faktoren die Verwerfungen gar zu außergewöhnlichen Renditen nützen – tatsächlich ereigneten sich die Verluste nur zeitversetzt. Das ist in sich stringent, wenn wir uns daran erinnern, dass das Beta der Faktorstrategien ja nach 2005 stetig zugenommen hat. Das bedeutet laut Arnott, dass „Faktoren zu starken Kursrück- gängen neigen und allfällige Diversifika- tionsvorteile ausgerechnet dann verschwin- den, wenn der Markt einbricht“. Alles andere als normal Der mathematische Grund für solch radi- kale Schwankungen liegt darin begründet, dass „Faktoren alles andere als normal sind“, wie Arnott weiter erklärt. Das Risiko von Faktoren ist demnach also nicht normalver- teilt, sondern weist enorme Fat Tails auf und neigt außerdem stark in Richtung Verlustsei- te. Er belegt diese Behauptung anhand stati- stischer Besonderheiten diverser Faktoren – beispielsweise dem „Momentum“: In der Zeit von 1963 bis 2018 kam es im schlech- testen Monat zu Kursverlusten von minus 24,3 Prozent. Wäre das Risiko normal- verteilt, so würde ein solcher Verlust einmal in 4,1 Billiarden Jahren vorkommen – nach der „4“ würden in diesem Fall also 15 Nullen stehen. Statistischer Auslöser dieser Ano- malie ist eine Schiefe von –1,4 bei einer Kur- tosis von 11,38 zu den geschilderten Verzer- rungen. Die Schiefe (Skewness) misst die Symmetrie einer Verteilung. Je negativer die Schiefe, desto häufiger die negativen Aus- reißer und vice versa. Die Kurtosis, also die Wölbung der Kurve, misst wiederum das Ausmaß der jeweiligen Übertreibungen. Bei einer Normalverteilung liegen beide Werte bei null. 17 Prozent Monatsverlust Die Liste lässt sich fortsetzen: „Illiquidity“ erlebte im Betrachtungszeitraum seinen schlimmsten Monat mit einem Verlust von minus 17,1 Prozent. Einen solchen Schlag sollte es normalverteilt nur alle 55,8 Millio- nen Jahre setzen. Dass die Faktorrisiken mitunter enorm weit von der Normalverteilung entfernt sind, führt zu massiven Verschiebungen in der Per- formance. Bedient man sich noch mal des Beispiels „Momentum“, so werden aus einem 2003 investierten Dollar bei normalverteil- tem Risiko bis 2018 knapp 1,5 Dollar. Nimmt das „Momentum“ mit dem tatsäch- lich aufgetretenen, also nicht-normalverteil- ten, Risiko, steigt man 2018 gerade einmal etwas besser als pari aus. Das vom Risiko her reale Momentumportfolio liefert also einen Ertrag, der 30 Prozent unter dem nor- malverteilt angenommenen Risiko liegt. Berechnet man die tatsächlichen Risiken eines Top-6-Faktor-Portfolios, ändern sich die Zahlen zwar etwas, die Tendenz bleibt aber gleich. Das ist insofern problematisch, als der Mensch dazu neigt, Risiken intuitiv als normalverteilt anzunehmen – selbst wenn er die Statistik dahinter nicht kennt. Wenn die Intuition also davon ausgeht, dass eine Stra- tegie nahezu ewig brauchen sollte, um ein besonders negatives Ergebnis zu erzielen, dieses aber bereits – wie im Fall des 1989 entdeckten Momentum – nach nur 30 Jahren eintritt, ist das natürlich ein Ergebnis, das für einen Investor einigermaßen enttäuschend sein könnte. So wie die anderen ernüchternden Ergeb- nisse der Alice- und Faktorzählungsstudien bedeutet das aber nicht, dass die Faktortheo- rie per se nutzlos ist. Sie ist nur um einiges komplexer und mit höheren Risiken aus- gestattet, als man möglicherweise bislang vermutet hat. HANS WEITMAYR Wohin ist die Faktorperformance verschwunden? Was passiert, wenn man zwei verschiedene Faktorportfolios im 20. und 21. Jahrhundert gegen den Markt laufen lässt? Die Überrendite der mühsam errechneten Faktoren gegenüber dem Markt löst sich mit der Zeit auf und hat sich in den vergangenen 15 Jahren sogar ins Gegenteil verkehrt. Das Rätselraten ist groß. Die Faktoren könnten mittlerweile zu teuer geworden sein oder mitunter überhaupt nie existiert haben. Quelle: Research Affiliates, LLC, using data from CRSP/Compustat 1 10 100 1 Wert 1 US-$, investiert am 1. Juni 1963 Z 1970 2000 1990 2010 1980 2 Jahr 1 Market Portfolio Faktoren 1 - 6 Portfolio Faktoren 7 - 13 M 1,0 1,5 2,0 4,0 3,5 2,5 3,0 Wert 1 US-$, investiert am 1. Juni 2003 Jahr 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2015 2016 2017 2018 2014 Market Portfolio Faktoren 1 - 6 Portfolio Faktoren 7 - 13 106 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : SMAR T BE TA

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