Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

Long-Term Reversal und Net Share Issues. Zu guter Letzt werden 33 weitere immer wieder in der Literatur erwähnte, aber in die- sem Paper nicht näher spezifizierte Faktoren zusammengefasst. In der Struktur der Ver- gleichsportfolios orientiert man sich an den Vorgaben von Fama und French von 1993 – also kurz gefasst: Die nach Marktkapitalisie- rung geordneten und der NYSE gehandelten Aktien werden nach einer Long/Short-Strate- gie verwaltet. Die so entstehenden Portfolios werden auf eine jährliche Volatilität von zehn Prozent standardisiert. Wertet man die Performance für die beiden erwähnten Zeiträume – also 1963 bis 2018 und 2003 bis 218 –, kommt man auf einige bemer- kenswerte Ergebnisse. Nehmen wir zunächst die Resultate für die ge- samte Betrachtungsdauer: Hier fällt zunächst auf, dass der Faktor „Size“ nach „Low Beta“ sowohl beim durchschnittlichen Jahresertrag als auch beim Alpha das zweitschlech- teste Ergebnis der Top-Gruppe abliefert. Ins- gesamt weisen alle beobachteten Faktoren positive Renditen und ein mehr oder weniger ausgeprägtes Alpha auf – Letzteres ist nur bei „Size“ statistisch nicht relevant. Das Beta ist nahezu ausschließlich negativ. Das bedeutet, die Faktoren eignen sich über den gesamten Zeitraum gesehen als Diversifikator zum Markt. Zu viel Beta Das Bild ändert sich jedoch, wenn man die Performance von Faktoren rückblickend nur bis 2003 betrachtet: Die durchschnittlichen Erträge brechen grosso modo ein (sie- he Chart „Wohin ist die Faktorper- formance verschwunden?“) . Dasselbe gilt für Alpha und statistische Rele- vanz – Letztere schafft nur noch in Ausnahmefällen den Sprung über die 2,0 beim T-Wert. Auch das Beta dreht oft in den positiven Bereich. Das be- deutet wiederum, dass die einzelnen Faktoren begonnen haben, im zuneh- mend gleichen Takt zu ticken wie der Markt. Nachgewiesen haben die Autoren das steigende Beta, indem sie die Faktoren wieder in zwei Grup- pen geteilt haben. Das Resultat: Beide Sets weisen ab Mitte der 1980er-Jahre einen relativ starken Diversifikations- effekt aus. Dieser findet im Jahr 2005 seinen besten Wert. „Beide Faktorportfolios waren gegen Anfang der 2000er-Jahre mit einem Beta ausgestattet, das unter –1,0 lag. Das ist eine wichtige Schwelle. Sie bedeutet, dass ein Indexfonds, der mit einem Long- Short-Faktor-Portfolio gepaart wird, ein Beta hätte, das nicht von null unterscheidbar wäre. Das Portfolio wäre also marktneutral“, wie Linnainmaa erklärt. Unangenehmerweise schießt das Beta nach 2005 in die Höhe und liegt zum Zeitpunkt der Finanzkrise nahe null. „Investoren, die in ein Portfolio dieser Art investiert gewesen wären, hätten also eine herbe Enttäuschung erlebt“, erklärt Arnott. „Dachten sie 2005 noch, sie hätten in ein Portfolio investiert, das marktneutral sei, hätte sich 2008 und 2009 im Markt-Crash herausgestellt, dass es plötzlich ununter- scheidbar zu null war“ und somit die Ab- schläge nahezu ungebremst mitgemacht hät- te, so Arnott weiter. Gruselige Ertragskurve Doch nicht nur die Ereignisse rund um die große Finanzkrise legen die Schwächen der Faktortheorie offen. Die Autoren sind Aus- sagen von McLean und Pontiff aus dem Jahr 2016 nachgegangen, wonach die Perfor- mance eines neu entdeckten Faktors nach dessen Publikation drastisch zurückgegangen ist. In der Alice-Studie haben die Autoren für die 46 beobachteten Faktoren berechnet, was ein investierter Dollar an durchschnittlichem Ertrag gebracht hätte, wenn man ihn zehn Jahre vor Entdeckung in einen der untersuch- ten Faktoren investiert hätte. Den tatsächli- chen Ertrag haben sie dann mit dem pro- gnostizierten Ertrag verglichen, der sich mit- tels CAPM-Regression ergeben hätte sollen. Die daraus resultierende Ertragskurve zeigt einen leicht gruseligen Verlauf. Rund neun Jahre lang laufen die im Backtest erzielten Erträge deckungsgleich mit den Erträgen, wie sie laut Prognosetool hätten sein sollen. Rund ein Jahr vor der Entdeckung reißt die Performance aber ab, um dann immer flacher zu werden und zehn Jahre nach Entdeckung eine klaffende Lücke zum prognostizierten Ertragsverlauf aufzureißen. Verschlechterung Dieser Kurvenverlauf bietet die zweite Erklärung für die enttäuschenden Faktor- kennzahlen der vergangenen 15 Jahre. Doch wodurch kann die mit Fortdauer der Existenz schlechter werdende Perfor- mance von Faktoren erklärt werden? Die Autoren liefern drei Ansätze. Erstens könnten aufgrund der zahl- reichen Versuche, Faktoren zu ent- decken, pures Glück dazu geführt ha- ben, dass für einzelne Faktoren Daten entstanden sind, die auf die Funk- tionsfähigkeit eines Faktors hindeu- ten. Zweitens komme hinzu, dass Investoren nach Entdeckung eines Faktors in genau diese Investment- idee hineinströmen – die steigenden Kurse verteuern die Strategie entspre- chend. In den Backtests kann es drit- tens passieren, dass die Performance einzelner Faktoren das Resultat simp- Verpuffende Erträge Durchschnittliche Faktorerträge vor und nach ihrer Entdeckung Seltsames Muster: Der Test von 46 Faktoren zeigt, dass ein Faktor kurz vor seiner Entdeckung beginnt, deutlich an Ertragskraft zu verlieren. Die Gründe dafür sind noch unklar. Quelle: Research Affiliates, LLC, using data from CRSP/Compustat 1,0 -10 -8 -6 -4 -2 2 4 6 8 10 0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 Wert eines investierten Dollars W Zeitpunkt der Entdeckung Performance Backtest Tatsächlicher Trend Tatsächliche Performance M » Die Renditen in der echten Welt können enttäuschend ausfallen, wenn ein Faktor zu stark nachgefragt wird. « Vitali Kalesnik, Research Affiliates Global Advisors in London FOTO : © R A F I 104 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : SMAR T BE TA

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=