Institutional Money, Ausgabe 2 | 2019

S mart Beta ist seit einigen Jahren eines der zentralen Themen in der Finanzindustrie. Passive Produkte auf Grundlage von Faktoren be- scheren ihren Anbietern zum Teil beträcht- liche Zuflüsse. Und vielfach gehen diese da- von aus, dass das auch so weitergehen wird. So erklärte erst Mitte März Europas größte Fondsgesellschaft Amundi das verwaltete Vermögen im Geschäftsfeld ETF, Indexing & Smart Beta bis 2023 auf rund 200 Milliarden Euro ausbauen zu wollen. „In den vergangenen Jah- ren sind wir in allen Produkt- und Kundensegmenten stetig gewach- sen“, freut sich Fannie Wurtz, Head of Amundi ETF, Indexing & Smart Beta. „Um unsere Wachstumsziele zu erreichen, werden wir neue Märkte erschließen und unsere Posi- tion in Europa weiter ausbauen, wo noch großes Wachstumspotenzial besteht.“ Abkehr von „Alpha“ Für die Popularität von Smart Beta bezie- hungsweise von Faktorinvestments gibt es mehrere plausible Erklärungen. Da wäre ein- mal die Enttäuschung der Inves- toren über das aktive Manage- ment. Eigene Erfahrungen – und mittlerweile auch zu viele Studien – legen nahe, dass es nicht sehr vielen aktiven Mana- gern tatsächlich gelingt, Alpha zu generieren. Ist ein Fondsma- nager aber einige Jahre lang tat- sächlich besser als der Mitbe- werb, lässt er sich sein Geschick teuer abkaufen, wobei man selbstverständlich keinerlei Ga- rantie für ein Anhalten der „Glückssträhne“ bekommt. Zum gesteigerten Interesse an faktorbasierten Konzepten dürf- te auch der Nobelpreis für Eugene Fama im Jahr 2013 beigetragen ha- ben. Fama ist einer der Paten der modernen Portfolio- und Faktortheorie, und in seinem Windschatten wurden etliche Arbeiten publi- ziert, die zu dem Schluss gelangten, dass ein- zelne Faktoren wie Size, also Unternehmens- größe, oder Value, also Unternehmensbewer- tung – richtig kombiniert – nicht nur mehr Ertrag abwerfen als klassische Indexinvest- ments, sondern auch besser performen als der Großteil der aktiven Fondsmanager. Die Idee ist so erfolgreich, dass das Volu- men der Smart-Beta-Assets global inzwi- schen bei etwas mehr 1.000 Milliarden US- Dollar liegt. Fast im selben Ausmaß, in dem die Fangemeinde wächst, nimmt in jüngerer Zeit aber auch die Zahl der skeptischen beziehungsweise kritischen Analysen zu. Die Warnung vor einer Faktorhysterie kommt dabei primär aus den Reihen der Forscher. Wie auch von Institutional Money berichtet, warnte Rob Arnott, Gründer von Affiliates Research und einer der Smart- Beta-Vorreiter, schon vor geraumer Zeit vor einer allzu blauäugigen Herangehensweise. Mithilfe von Backtests wurden inzwischen mehrere hundert Faktoren ausfindig ge- macht, die vermeintlich risikolose Outperfor- mance ermöglichen sollen. Arnott prägte in diesem Zusammenhang den Begriff „Faktor- zoo“, was eindeutig abwertend gemeint war. Und die diesbezüglichen Sorgen teilen auch andere ernst zu nehmende Experten. Zu die- ser Gruppe gehören etwa Campbell R. Har- vey von der Duke University und Yan Liu, der an der Texas A&M University wirkt. In ihrer brandaktuellen Studie „A Cen- sus of the Factor Zoo“ haben die beiden Autoren eine „Volks- zählung“ im Faktoruniversum vorgenommen und kommen mittlerweile auf knapp 400 verschiedene Faktoren (siehe Chart „Bevölkerungsexplosion im Faktoruniversum“) . Sowohl die Anzahl der Ar- beiten, die sich per annum mit Faktoren auseinandersetzen, als auch die Zahl der neu entdeck- ten Faktoren selbst ist in den vergangenen beiden Jahren auf Während Investmenthäuser das Smart-Beta-Geschäft weiterhin als Wachstumsmarkt sehen, melden sich auf Seiten der Finanzmarktforschung immer mehr kritische Stimmen. Manche sehr prominente Faktoren scheinen nie existiert zu haben. Bevölkerungsexplosion im Faktoruniversum Sowohl die Anzahl der Faktoren als auch die der wissenschaftlichen Arbeiten ist explodiert. Rund 400 Faktoren können offiziell nachgewiesen werden. Allerdings scheint es eine hohe Dunkelziffer zu geben, die bei der Auswertung von Faktorstrategien zu statistischen Ungereimtheiten führen dürfte. Quelle: Studie 0 5 10 15 20 25 30 400 100 200 300 0 Pro Jahr Kumuliert 2016– 2018 1962– 1964 1965– 1967 1968– 1970 1971– 1973 1974– 1976 1977– 1979 1980– 1982 1983– 1985 1986– 1988 1989– 1991 1992– 1994 1995– 1997 1998– 2000 2001– 2003 2004– 2006 2007– 2009 2010– 2012 2013– 2015 Kumulierte Anzahl der Faktoren Anzahl der Faktoren Anzahl der Arbeiten FOTO : © DUK E UN I V. , E I S ENHANS | S TOCK . ADOB E . COM » Die Autoren suchen nach positiven Resultaten. So beginnt das Data-Mining, und der Schubladeneffekt tritt ein. « Campbell R. Harvey, Duke University Wachsende Skepsis 100 N o. 2/2019 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S : SMAR T BE TA

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